Covid-19-Impfstoffe: Der verhinderte Gamechanger

Solidarische Grüße aus Kuba, Einmaleins der Proteinimpfstoffe, Potenz statt Profit und die mangelnde Langstreckentauglichkeit der neuartigen Impfstoffe (Teil 1).

In Kuba ist Corona schon seit längerem Geschichte – mindestens seit dem zeitigen Frühjahr (unserer Breiten) 2022, als hingegen die Inzidenz in Deutschland sich in vierstellige Höhen aufschwang. Bereits die weit zurückliegenden Impfungen im kubanischen Gesundheitswesen schlugen sich signifikant in den Infektionszahlen nieder (vgl. Lateinamerika: Hochwirksame Impfstoffe "Made in Cuba": Hoffnung für den Globalen Süden?).

Zwar kann die Maßnahmen-Politik dieser von Mangel-Zuständen geplagten Volkswirtschaft nicht in jeder Hinsicht als Ideallösung für andere Länder gelten – doch kein Experte bestreitet die eminente Bedeutung der hochwirksamen Vakzine aus bestens etablierter Eigenproduktion für die erfolgreiche Pandemie-Bekämpfung des Inselstaates.

Retter in der Not für Italien

Darauf vertraut auch Italien – ein Land, das aufgrund besonders unglücklicher Schwächen im Gesundheitssystem schon zu Beginn der Corona-Krise auf die Nothilfe der weltberühmten kubanischen Katastrophen-Ärzteteams angewiesen war.

Weil schon das Problem multiresistenter Krankenhauskeime in Italien seit etlichen Jahren völlig außer Kontrolle geraten ist, hatte man den Eintrag eines weiteren, unbekannten Erregers in Kliniken unbedingt vermeiden wollen – und traf daraufhin in der Lombardei unter anderem die dramatische Fehlentscheidung, dass Covid-19-Patienten ausgerechnet in Altersheimen untergebracht werden sollten, was naheliegenderweise rasch zu einer deutlichen Überlastung des Gesundheitssystems – sprich: sehr vielen lebensbedrohlich Erkrankten auf einmal – führte.

Nachdem dann die Impfstoff-Beschaffung über die EU für Italien ausgesprochen suboptimal verlaufen war, besann sich die Bevölkerung auf die guten Erfahrungen mit dem sozialistischen Land und rief eine Petition ins Leben, in der die Zulassung der kubanischen Impfstoffe in Europa gefordert wurde.

Immerhin seit Mai 2022 geht Italien auch in dieser Frage seinen eigenen Weg und produziert die Soberana-Vakzine – eine der beiden Impfstoffserien des Landes – für den Eigenbedarf selbst.

HBV-Vakzine als Vorlage

Grundlage der Präparate aus Übersee ist die Technologie der rekombinanten Herstellung von Erreger-Proteinen bzw. Protein-Fragmenten (Peptiden), wie sie seit den 1980er-Jahren insbesondere für Hepatitis-B-Impfungen genutzt wird.

Der Erreger dieser Leberentzündung ist ebenfalls mit Spike-Proteinen gespickt, deren Rezeptor-Bindung-Domäne (RBD) sich rasch in Hefezell-Kulturen gentechnisch nachzüchten lässt.

Es hakt in der Abstimmung mit der WHO

So basiert denn auch der RBD-Peptid-Impfstoff Abdala konzeptuell auf einem HBV-Vakzin. Es handelt sich um die andere der beiden gelungenen kubanischen Entwicklungen, die trotz der sanktionsbedingten Rohstoff-Engpässe frühzeitig in Nachbarländer exportiert werden konnte – auch ohne WHO-Zulassung, die aus inzwischen unerfindlichen Gründen noch immer aussteht.

In Kuba werden Wissenschaftler nicht dafür bezahlt, Studiendaten aufzubereiten und zu veröffentlichen, was ein Stück weit erklären könnte, weshalb Finlay-Institut (Soberana) und Centro de Ingeniería Genética y Biotecnología / CIGB (Abdala) mehr Zeit benötigten, um der WHO die notwendigen Unterlagen vorzulegen. Seit einiger Zeit jedoch werfen die Kubaner der WHO vor, die Zulassungsprozesse zu verschleppen.

Aufsehenerregende Resultate

Indes an den Notfallzulassungsstudien selbst gibt es prinzipiell nichts zu beanstanden: In der Phase-3-Studie mit 40.000 Probanden, adäquaten kritischen Endpunkten (Wirksamkeit gegen mittlere und schwere Symptome) und obligatorischen PCR-Tests bei Krankheitszeichen erreichte Abdala eine "Relative Risikoreduktion" (RRR) von 92,28 Prozent. (Seit Einsetzen des Impfstoff-Wettlaufs wegen Covid-19 wird diese einst nicht zu Unrecht als "Marketing-Wert" verschriene Angabe absurderweise ganz selbstverständlich als "Wirksamkeit" bezeichnet – denn das tatsächliche Expositionsrisiko findet dabei zunächst einmal keine Berücksichtigung.)

Auch Soberana kam in Phase 3 auf eine RRR von rund 90 Prozent. Während Abdala wie ein Großteil der weltweit gegen verschiedene Krankheiten zum Einsatz kommenden Impfstoffe (außer Lebendimpfstoffe) allein mit Aluminiumhydroxid adjuvantiert ist, provozieren sog. Konjugationsimpfstoffe wie die aufeinander aufbauenden Soberana-Versionen die Immunantwort zusätzlich durch Fremdproteine wie in diesem Fall ungefährliche Meningokokken-Bestandteile und das mit Formalin unschädlich gemachte Tetanus-Toxoid, an die das Antigen gebunden wird. Beide Herangehensweisen ergeben äußerst verträgliche Präparate.

Wirkverstärker sind in Tot- und Proteinimpfstoffen in der Regel vonnöten, um die Aufmerksamkeit des Immunsystems für die Antigene zu steigern und eine T-Zell-Immunität zu erzeugen.

Auch die Resultate der gemeinsamen Bemühungen des Bailor College of Medicine und Texas Children's Hospital in Houston um ihren ebenfalls mit Aluminiumhydroxid, doch zusätzlich auch mit dem neuartigen Wirkverstärker CPG 1018 adjuvantierten RBD-Peptidimpfstoff CorbeVax ließen unweigerlich aufhorchen:

Eine RRR von 90 Prozent gegen die Ursprungsvariante und immer noch 80 Prozent gegen Delta, ein Wirkverlust von den Angaben nach weniger als 30 Prozent binnen eines halben Jahres im Gegensatz zum (laut den Corbevax-Entwicklern) mehr als 80-prozentigen bei den sog. genbasierten Konkurrenten und 50 Prozent weniger Nebenwirkungen als bei der indischen AstraZeneca-Version "Covishield".

Zu schweren Komplikationen ist es in der finanziell bedingt kleinen Probandengruppe von 3.000 Menschen in Indien – wo das Mittel nun auch produziert und hauptsächlich verimpft wird – ohnehin nicht gekommen, die Entwickler verweisen auf die umfänglichen Erfahrungswerte mit diesem erprobten Verfahren, aus denen sich das einwandfreie Sicherheitsprofil ergebe.

Die Produktion bei "Biological E. Limited" in Indien läuft reibungslos, zur indischen Zulassung Ende Dezember 2021 waren bereits 150 Millionen Dosen hergestellt – insgesamt 300 Millionen hat die indische Regierung bestellt, ein Produktionsvolumen von 400 Millionen Dosen ist geplant.