Covid-19-Impfstoffe: Der verhinderte Gamechanger

Seite 2: Softskills, GMP und das liebe Geld – fast überall auf der Welt

Peter Hotez berichtete dem Wissenschaftsmagazin Nature schon im September 2021, man erhalte wöchentlich Anfragen aus Entwicklungs- und Schwellenländern, die verzweifelt nach Impfstoff suchten (siehe: The fight to manufacture Covid vaccines in lower-income countries).

Obwohl der Biologe und Mediziner Peter Hotez und die Mikrobiologin Maria Elena Bottazzi auf ihre rund zehn Jahre alte Sars-1-Vakzin-Plattform zurückgreifen konnten, benötigten sie für Entwicklung und Zulassung mehr Zeit als die großen Konzerne für die Implementierung ihrer neuen Technologien.

Im Januar 2022 nennt Hotez gegenüber dem Spiegel das Kind beim Namen:

Wenn wir auch nur einen Bruchteil der Unterstützung gehabt hätten, wie sie Moderna oder Pfizer bekommen haben, dann hätten wir die Welt vielleicht schon durchgeimpft.

Peter Hotez

Dem Guardian sagte Bottazzi, man habe sich nicht optimal ausgekannt mit Regularien zur Qualitätssicherung und den Ansprüchen hinsichtlich des öffentlichen Auftretens als Hersteller von Pharmazeutika.

Ähnliche Erfahrungen machte hierzulande Prof. Winfried Stöcker, der einstige Gründer von Euroimmun: Als einer der Ersten erkannte er die besondere Eignung von RBD-Peptidimpfstoffen für den Kampf gegen Covid-19. Doch für ihn als bis dato nicht registrierten Impfstoffhersteller hätte eine wie auch immer geartete Zulassung aufgrund der Regularien der Good Manufacturing Practice (GMP) mindestens zwei Jahre gedauert, weshalb er sich dazu entschloss, seine Entwicklung LubeCaVax off-label wenigstens in Komponenten bereitzustellen und auf diese Weise eine rechtliche Grauzone auslotete.

Genau wie das Entwickler-Duo Hotez-Bottazzi machte auch Stöcker sein Produkt umgehend gemeinfrei. Zudem sind RBD-Peptidimpfstoffe relativ kostengünstig: Preisangaben zu einer Dosis CorbeVax bewegten sich vor dem Ukrainekrieg zwischen 1,30 US-Dollar und drei US-Dollar – im Rahmen einer Non-Profit-Kalkulation, wohlgemerkt.

Zwei Dosen gelten auch hier als Grundimmunisierung – alle Covid-19-(Untereinheiten- bzw. Subunit-)Proteinimpfstoffe erfordern ebenfalls zwei oder drei Injektionen für den Basisschutz. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass die exorbitant hohen Preise für mRNA-Vakzine (in Europa gut 15 bis mehr als 20 Euro pro Dosis, in den USA plant Pfizer neuerdings mit 130 US-Dollar pro Dosis) gegenüber den reichen Industrieländern mit dem Gelöbnis gerechtfertigt wurden, sie dafür besonders günstig an Entwicklungsländer abgeben zu wollen.

Dass dies aber aufgrund der beispiellosen Anforderungen hinsichtlich der Kühlkette und eines erschütterungsarmen Transports auf lange Sicht ein Lippenbekenntnis bleiben würde, dürfte den Herstellern damals schon klar gewesen sein.

Kaum Gemeinsamkeiten mit Grippeimpfstoffen

Die rekombinante Herstellung von Erreger-Proteinen unterscheidet sich grundlegend von dem Verfahren, das für klassische "Spaltimpfstoffe" beispielsweise gegen die Influenza zum Einsatz kommt: Die gebräuchlichste Technologie zur Produktion der meisten Grippeimpfstoffe erfordert es, dass die Erreger zunächst in Hühnereiern stark vermehrt und schließlich zwecks Verwendung die Impfstoffviren inaktiviert werden, wobei sie für die Anzucht in Hühnereiern vorübergehend zu adaptieren sind.

Diese Machart ist aus leicht zu erläuternden Gründen für die Erzielung einer niedrigen Wirksamkeit bekannt, im Vergleich mit in Zellen produzierten Influenzaimpfstoffen: Prof. Carlos A. Guzmán – Leiter der Abteilungen Vakzinologie und angewandte Mikrobiologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig – verweist auf den entscheidenden Umstand, dass die bei diesem althergebrachten Verfahren erforderliche natürliche Vermehrung des Pathogens die Wirksamkeit des Endprodukts potentiell mindert, weil es währenddessen zu Änderungen (bspw. in Richtung einer weitergehenden Anpassung an Hühnereier) kommen könnte.

Andererseits ist die Influenza-Anzucht in Hühnereiern besonders ergiebig und von daher kostengünstig, was die Abdeckung des weltweiten Proteinbedarfs erlaubt. Bei den Antigenen, die nach diesem Verfahren schließlich verimpft werden, handelt es sich übrigens selten um einzelne Proteine, sondern für gewöhnlich um stark aufgereinigte größere Fragmente des Erregers.

Sars-Coronaviren hingegen eignen sich nicht für die Anzucht in Eiern, weshalb für Proteinimpfstoffe hier nur das rekombinante Verfahren infrage kommt: Dazu wird das Antigen (ein Protein oder Peptid) in Hefen, Insekten- oder auch beispielsweise Hamsternierenzellen gebildet. Hier wird also schon im Labor vollführt, was bei einer mRNA-, Vektor- oder auch DNA-Impfung erst in unserem Körper passieren soll.

Unzutreffend ist indes die Behauptung, es bestehe ein grundsätzlicher Mangel an den für proteinbasierte Vakzine erforderlichen Rohstoffen – Hefen, Hamsternieren- und Insektenzellen beispielsweise lassen sich ohne weiteres in völlig ausreichender Menge für den Pandemiefall bereitstellen.

Allerdings ist es nicht immer leicht, einen qualitativ wie quantitativ zufriedenstellenden Produktionsprozess zu entwickeln. Engpässe sind hingegen in der Produktion der althergebrachten Spaltimpfstoffe ein Thema – wegen des enormen Bedarfs an Hühnereiern und der Erfordernis, bei Verwendung aktiven Virusmaterials in Hochsicherheitslabors zu produzieren.