Covid-19-Impfstoffe: Der verhinderte Gamechanger

Seite 3: Die Causa "Pandemrix" – der Teufel steckt im Detail

Bei Anwendung der fortschrittlicheren Methode wird ein weiteres Risiko gebannt, das zu Zeiten der Schweinegrippe H1N1 unerwartet und folgenreich hervortrat.

Das für den europäischen Markt produzierte Präparat Pandemrix von GlaxoSmithKline enthielt ein nicht hinreichend inaktiviertes Protein des natürlichen Grippe-Virus, das bei jungen Menschen, die ein bestimmtes Gen aufweisen, Narkolepsie auslösen konnte – eine Folgeerkrankung, die insbesondere in Asien auch nach Infektionen mit dem natürlichen Erreger beobachtet wurde (auch hier und hier).

Weil Behörden-Mitarbeiter und Politiker in Deutschland damals eine Pandemrix-Version ohne Wirkverstärker erhielten, setzte sich hierzulande das irrige Gerücht fest, jene ernste Komplikation sei auf den Wirkverstärker AS03 zurückzuführen gewesen – diesen enthielt jedoch auch das kanadische Pendant des Herstellers namens Arepanrix, ohne dass eine Häufung von Narkolepsie-Fällen zu beobachten gewesen wäre.

Tatsächlich war schon zu Beginn der Impfkampagne deutlich geworden, dass Pandemrix insgesamt erheblich ausgeprägtere Nebenwirkungen auslöste als Arepanrix – dennoch rief GSK das Produkt nicht zurück.

RBD vs. Spike-Protein

Die Rezeptor-Bindungs-Domäne von Sars-CoV-2 ist siebenmal kleiner als das gesamte Spike-Protein und ließe sich daher auch ohne gesonderte Innovationsleistungen rasch in weltweit völlig hinreichender Menge produzieren. Allerdings betrafen etliche Mutationen von Sars-CoV-2 gerade diesen Abschnitt des Spike-Proteins, mit dem das Virus an die ACE-2-Rezeptoren menschlicher Zellen andockt.

Eine Anpassung kann auch aufgrund der überschaubaren Größe des Viruspartikels sehr zügig erfolgen: LubeCaVax war schon im August 2021 an die Delta-Variante angepasst und im Januar 2022 an Omikron.

Auch in Kuba sind längst Varianten-spezifische Impfstoffe zum Einsatz gekommen. Der Schutz einer bloßen Ursprungsvarianten-Grundimmunisierung mag jedoch gegenüber Omikron geringer ausfallen, als dies' bei Verwendung des gesamten Spike-Proteins der Fall ist: Die Firma Novavax entwickelte ein Verfahren, mit dem sich das in Mottenzellen gezüchtete Spike-Protein schneller "abpumpen" lässt, sodass auch die Herstellung eines solchen wesentlich größeren Antigens fortan nicht zu lange dauert.

Tatsächlich zeigt Nuvaxovid, eine recht robuste Schutzwirkung gegen Omikron – wer sich nach zweifacher mRNA-Impfung mit Nuvaxovid boostern lässt, bildet die doppelte Menge Omikron-spezifischer neutralisierender Antikörper im Vergleich zu einem (nicht Omikron-spezifischen) mRNA-Booster.

Neue Wirkverstärker bannen altbekannte Risiken

Auch bei der Wahl des Wirkverstärkers schlug Novavax einen neuen Pfad ein. Aus unterschiedlichen Gründen war die Pharmaindustrie jahrzehntelang leider vergebens dazu aufgefordert worden, insbesondere für Aluminiumhydroxid einen Ersatz zu finden.

Denn dieses ungemein gebräuchliche Adjuvanz löst zwar nahezu keine akuten Nebenwirkungen aus, doch andererseits erhält z.B. seit einiger Zeit eine Debatte Auftrieb, inwieweit Aluminium-Expositionen Langzeitfolgen haben können.

Und anders als bei der Verwendung von Deos oder einer Aufnahme über die Nahrung wird das in einer Impf-Dosis enthaltene (hydroxierte) Aluminium vollständig vom Organismus des Impflings aufgenommen.

Im Pandemie-Fall hingegen, der im Übrigen seit der WHO-Neudefinition von 2009 ja auch ohne "enorme Opferzahlen" (vorheriger WHO-Wortlaut) und flächendeckend schwere Krankheitslast ausgerufen werden kann, sind es die Mittel der Volkswirtschaften und auch der Stiftungen, die so mancher überfälligen Neuerung einen "Booster" verpassen können oder müssen.

In Nuvaxovid erlangte nun Matrix M – nicht das erste Adjuvanz auf Basis der Saponine des Seifenrindenbaumes – Serienreife. Darüber hinaus wird das Antigen nicht einfach unstrukturiert an den Wirkverstärker gebunden, sondern die Spike-Proteine ordnen sich gemäß der anspruchsvollen Virus-like-particle-Technologie (VLP) um Trägermoleküle (in diesem Fall PEG-freie Lipid-Nanopartikel) herum an, sodass die Gestalt des natürlichen Erregers nachgeahmt wird.

Das hat unter anderem den Vorteil, dass die B-Zellen des Immunsystems das Antigen besser aufnehmen können. Auch für viele HBV-Impfstoffe findet diese Methode Verwendung, die bis zum Aufkommen von Vektor-, DNA- und mRNA-Vakzinen als der modernste Ansatz in der Impfstoffentwicklung galt.