Covid-19: "Zweite Grippe und nicht mehr ausrottbar"?
Neue Ansteckungen in Deutschland und zahlreichen anderen Ländern, Hamsterkäufe in Österreich und Italien, Arbeitsrationalisierung in Südkorea
Das 2019-Novel-Coronavirus breitet sich weiter aus: Im baden-württembergischen Landkreis Göppingen wurde gestern ein 25-Jähriger als Covid-19-Kranker identifiziert. Auch ein Mittvierziger, der am Montag mit einer schweren Lungenentzündung in ein Krankenhaus im nordrhein-westfälischen Erkelenz eingeliefert wurde, erwies sich als Covid-19-Fall und wurde in einem "kritischen Zustand" an das Universitätsklinikum Düsseldorf weitergereicht.
Der Baden-Württemberger hat sich den Behördenangaben nach wahrscheinlich bei einem Aufenthalt in Italien angesteckt. Dort hat sich das Virus mittlerweile von der Lombardei und Venetien aus über das ganze Land ausgebreitet: Sowohl aus Sizilien als auch aus Südtirol wurden neue Ansteckungsfälle gemeldet. Mit insgesamt 325 Fällen liegt Italien nun nach China und Südkorea an dritter Stelle der Länder mit den meisten Covid-19-Fällen. Elf davon sind bislang verstorben - alle davon waren über 80 Jahre alt.
Tirol: Zwölf Personen unter Quarantäne
Ebenfalls in Italien angesteckt haben sich ein 70-jähriger Schweizer (der am Dienstag in einem Krankenhaus im Tessin isoliert wurde), ein junger Kroate (der in Zagreb im Krankenhaus liegt), eine 38-jährige Griechin, eine Frau aus dem katalanischen Barcelona, ein 61-jähriger Brasilianer aus São Paulo, ein Italiener in Algerien und zwei 24-Jährige, bei denen die Krankheit in der Tiroler Hauptstadt Innsbruck ausbrach. In dem Hotel, in dem eine der Erkrankten angestellt ist, wurden alle 62 Angestellten auf das Virus getestet, worauf hin man neun davon unter eine zweiwöchige polizeilich überwachte Quarantäne stellte. Sie gilt den Behördenangaben nach auch für weitere drei Personen "aus dem engen sozialen Umfeld der Erkrankten".
Von den Gästen, die in dem Hotel logieren, nahm die Polizei bislang nur die Personalien auf. Günther Weiss, der Chef der Infektiologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, hält das für ausreichend, weil es seinem "Informationsstand" nach "für die Übertragung im Normalfall einen längeren Kontakt von rund einer Viertelstunde" braucht, wie er der ORF-Nachrichtensendung Zeit im Bild 2 sagte.
Bei der gestern im Kärntner Bad Kleinkirchheim verstorbenen 56-jährige italienischen Wintersportlerin bestätigte sich der Verdacht auf eine Ansteckung mit dem Virus nicht. Hier hatten die Behörden vorsichtshalber die Apartmentanlage gesperrt, in der sie ihren Urlaub verbrachte. Außerdem kam es dem ORF zufolge - ebenso wie in Italien - zu Hamsterkäufen und teilweise leeren Supermarktregalen an den Plätzen, an denen vorher Desinfektionsmittel, Konserven und andere lange haltbare Lebensmittel wie Nudeln standen. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser von der SPÖ mahnte währenddessen "europaweite Maßnahmen in Absprache mit der WHO" an. Sonst könne aus Covid-19 "eine zweite Grippe" werden, die "nicht mehr ausrottbar" sei.
Nach dem bisherigen Erkenntnisstand nicht via Italien liefen die Ansteckungen in Frankreich (wo die Zahl der Erkrankten am Dienstag um zwei auf 14 stieg) und im Iran (wo die Zahl der Toten um vier auf 19 stieg). Dafür verbreitete sich die Krankheit vom Iran aus nach Kuwait (wo zu den vorher zwölf Fällen heute sechs neue hinzukamen), Bahrain dem Irak und Afghanistan.
Via Südkorea zurück nach China?
Aus der Virusheimat China wurden gestern mit 406 neue Ansteckungsfälle gemeldet - 401 davon aus der Provinz Hubei, in der die Krankheit erstmals ausbrach. Insgesamt haben sich in der Volksrepublik mehr als 78.000 Menschen offiziell angesteckt. Zu den vorher 2.662 chinesischen Covid-19-Toten kamen am Dienstag 52 weitere hinzu. Sie stammen ausnahmslos aus Hubei.
In anderen chinesischen Regionen achtet man inzwischen nicht nur auf potenzielle Überträger aus Hubei, sondern auch aus anderen Ländern. 94 Flugreisende, die nach Nanking wollten, wurden deshalb unter Quarantäne gestellt, nachdem man bei drei von ihnen eine deutlich erhöhte Körpertemperatur maß. In Südkorea - dem Land, aus dem die Maschine kam - stieg die Zahl der Infizierten gestern um 115 auf 1.261. Heute kamen vorerst weitere 54 hinzu.
Die südkoreanische Regierung hat am Sonntag die "Alarmstufe Rot" ausgerufen. Vorher hatte der Elektronikkonzern Samsung nach einem Erkrankungsfall ein komplettes Smartphonewerk das Wochenende über zur Desinfektion geschlossen. Dort und in anderen südkoreanischen Unternehmen ändert das Virus auch die Arbeitskultur: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind deutlich leerer als sonst, weil Arbeiten in großem Maßstab in das Home Office und Konferenzen in das Internet verlagert wurden, wie dort ansässige Schweizer der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) mitteilten. Trotz des ernsten Themas berichtet die Zeitung nicht ganz ohne hintergründigen Humor, dass auch die deutsche Außenhandelskammer in Seoul "aus gesellschaftlicher Verantwortung […] den gesellschaftlichen Höhepunkt des Jahres abgesagt" hat: "das Grünkohl-Essen".
Nordkorea blieb bislang nach eigenen Angaben vom Covid-19-Erreger verschont. Damit das so bleibt, lässt Pjöngjang seit über einem Monat überhaupt keine Touristen mehr ins Land und hat die internationalen Flugverbindungen gekappt. Am 20. Februar kam eine vorläufig vierwöchige Schließung der Kindergärten und Schulen hinzu.
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