Covid-19 im Lager Moria
Die Probleme bei der medizinischen Versorgung auf Lesbos
Im Flüchtlingslager Moria wurde in der vergangenen Woche der erste Covid-19-Fall identifiziert. Am Montagabend wurde aufgrund von vorliegenden Ergebnissen von 1000 der am Donnerstag, Freitag und Samstag gemachten 2.000 Tests bekanntgegeben, dass nunmehr 17 der Insassen des Lagers erkrankt sind. Das Lager stand seit Mitte März unter einem Lockdown mit strengen Ausgangsbeschränkungen. Jetzt steht es komplett unter Quarantäne. Im Lager leben rund 13.000 Personen.
Steigende Fallzahlen auf der gesamten Insel
Die griechischen Inseln waren beim Lockdown im Frühjahr vollkommen isoliert, womit Infektionen effektiv vermieden wurden. Mit der Öffnung des Tourismus wurde ein Anstieg der Fälle auf den beliebten Urlaubsinseln registriert.
Vor Bekanntgabe der Fallzahlen vom Montag zählte Lesbos seit dem 12. August 123 Infektionen. Weil die Intensivbetten im Krankenhaus der Insel bereits komplett ausgelastet sind, werden schwerere Fälle nach Athen ausgeflogen. Acht Inselbewohner sind bereits verstorben.
Seit dem 24. August gelten auf Lesbos, ebenso wie an zahlreichen anderen Orten Griechenlands, die als Hotspots der Pandemie eingestuft wurden, verschärfte Regeln für die Maskenpflicht, die sozialen Abstände und die Öffnungszeiten von Gaststätten.
Urlauber aus England werden bei ihrer Rückkehr in die Heimat unter eine vierzehntägige Quarantäne gestellt.
Die Reaktion der Regierung
Die Identität des Patienten Null des Lagers Moria wurde schnell bekannt. Es handelt sich um einen vierzigjährigen Somalier, dessen Asylantrag mit einem positiven Bescheid abgeschlossen wurde. Daraufhin verließ der unter Vorerkrankungen leidende Flüchtling am 17. Juli zunächst das Lager und begab sich nach Athen.
Dort fand er weder eine Unterkunft noch Arbeit. Ohne eine Möglichkeit, in der Hauptstadt zu überleben, begab er sich vor Kurzem schließlich wieder zurück auf die Insel Lesbos und kam dort im nicht befestigten Teil des Lagers, dem Zeltlager, unter.
Das Immigrationsministerium reagierte auf die Nachricht zunächst mit der Anordnung von Tests im Lager Moria. Zudem wurde ein absolutes Ausgangsverbot und die Quarantäne über das gesamte Lager, einschließlich des Zeltlagers, verhängt. Der gesamte Lagerbereich wird nun umzäunt und rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Zunächst befristet bis zum 15. September, darf niemand das Lager verlassen oder betreten.
Der Auftrag für die Umzäunung wurde bereits vergeben. Er soll 850.000 Euro kosten, was von der Opposition scharf kritisiert wird.
Die Ärztekammer der Insel kritisiert das Vorgehen der Regierung. Sie attestiert, dass eine Nachverfolgung von Infektionsketten im überfüllten Lager Moria nicht möglich ist. Die Inselärzte bitten dringlich darum, dass auf der Insel ein ständiger Repräsentant des staatlichen Gesundheitsdienstes EODY postiert wird. Dieser soll zusammen mit Vertretern der Ärztekammer, des Krankenhauses und des lokalen Katastrophenschutzes ein Organisationsteam bilden, welches die notwendigen Maßnahmen vor Ort koordinieren soll.
Zudem verlangen die Ärzte, dass die von den Niederlanden für das Lager Moria gespendete Poliklinik, in der es 62 komplett ausgestattete Krankenbetten sowie 10 Intensivpflegebetten gibt, endlich mit Personal ausgestattet wird. Zudem bestehen sie darauf, dass der Staat mit Gerät und Personal endlich ermöglicht, dass auch auf der Insel die notwendigen Covid-19-Tests durchgeführt werden.
Feierliche Einweihung ohne Personal
Die Regierung hatte ein Covid-19-Hospital der Ärzte ohne Grenzen geschlossen und eine Strafe von 35.000 Euro gegen die Hilfsorganisation verhängt. Begründet wurde die Strafe für das für den griechischen Staat kostenlose Hospital mit der illegalen Nutzungsänderung des Gebäudes, in dem es untergebracht war. Die Ärzte ohne Grenzen hatten ein verlassenes Industriegebäude nah dem Lager angemietet und umgebaut.
Statt des kostenlosen Hospitals der Ärzte ohne Grenzen versprach die Regierung mit einem vom niederländischen Staat gespendeten Hospital die Gesundheitsversorgung zu garantieren. Die Niederländer vollendeten ihren Beitrag zur medizinischen Versorgung fristgerecht. Am 20. August wurde das Hospital im Beisein der eigens angereisten griechischen Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou eingeweiht. Ohne Personal verstaubt es nun.
Kein auf Immigranten beschränktes Phänomen
Das Hospital von Moria ist kein Einzelfall. Auch sind die Versäumnisse des griechischen Staats bei der Bestellung von Personal für Krankenhäuser kein auf die Migrationspolitik beschränktes Phänomen. So wurde im Juli das neue Krankenhaus von Chalkida feierlich eingeweiht.
Mehr als einen Monat später fehlt es sogar an Druckern für den Ausdruck von Rezepten. Es gibt keine Telefonanlage und das Computernetzwerk wurde erst Mitte August installiert.
Personell ist das Krankenhaus hoffnungslos unterbesetzt. Die Krankenhausärzte bemängeln zudem, dass es keine Möglichkeit gibt, Pandemiemaßnahmen einzuhalten. Corona-Patienten werden zusammen mit den übrigen am Eingang von Pflegepersonal empfangen und an die Stationen überwiesen. Mangels Personal müssen auch die Pfleger, die in direkten Kontakt mit Corona-Patienten kommen, auf den übrigen Stationen Dienst schieben.
Mit Covid19-Infizierte werden auf die konventionelle Pathologie-Station verlegt, so dass die involvierten Pfleger bei ihrem Rundgang, ohne Desinfektionsmaßnahmen nach der Pflege der Covid-19-Fälle in Kontakt zu den übrigen Patienten kommen.
Ultramodernes technisches Gerät für Covid-19-Tests in Chalkida ist vorhanden. Allerdings hat das Gesundheitsministerium die Genehmigung zum Betrieb bislang noch nicht erteilt. Das Resultat ist, dass die Tests nach ihrer Entnahme zuerst nach Athen geschickt werden, und von dort das Untersuchungsergebnis erfragt werden muss. Weil dies zeitliche Verzögerungen mit sich bringt, muss das Personal, für das Covid-19-Tests angeordnet wurden, bis zur Bekanntgabe des Ergebnisses ohne Isolierung weiterarbeiten.
Für die von der Regierung als Erfolg gefeierten Intensivbetten im Krankenhaus fehlt das Personal. Für CTs gibt es hochmoderne Technik, aber erneut kein Personal. Die Kindernotfallstation und die Kinderstation befinden sich an entgegengesetzten Orten, werden aber von den jeweils gleichen Ärzten gleichzeitig betreut. Mangels Alternativen hat das neue Krankenhaus von Chalkida rund um die Uhr und jeden Tag Notaufnahme für erkrankte Kinder. Insgesamt fehlen dem Krankenhaus 200 Ärzte und Pfleger.