Da sie ungestraft handeln können, wird weiterhin zugeschlagen
Tod in Polizeigewahrsam, in Gefängnissen und durch bewaffnete Polizisten in Großbritannien
Während der Westen und allen voran Tony Blair "moralische Überlegenheit" für sich beansprucht, sterben in Großbritannien unschuldige Menschen bei Verhaftungen, in Polizeizellen und Gefängnissen oder werden auf offener Straße erschossen, weil sie im Verdacht stehen, eine Waffe bei sich zu tragen. New Labour versprach mit Missständen aufzuräumen, doch die Fälle gehen weiter und die Reform des Justizsystems kommt, wenn überhaupt, nur langsam voran. Der Londoner Romanautor John Barker, dessen Thriller "Termingeschäfte" gerade bei DuMont in deutscher Sprache erschienen ist und der sich seit Jahrzehnten mit diesen Themen beschäftigt, fasste für Telepolis die jüngere Geschichte und Gegenwart dieser Fälle zusammen.
Man möchte meinen, dass Zensur der Vergangenheit angehört. Dinge, die vor 30 Jahren noch tabu waren, gehören heute zu den Standards einer visuellen Kultur, die gesättigt ist mit den verschiedensten Erscheinungsformen von Sexualität. Was sich jedoch im selben Zeitraum nicht geändert hat, ist die Regelmäßigkeit, mit der Menschen in Polizeigewahrsam zu Tode kommen, bei Verfolgungsjagden mit Polizeiwagen (auch das ein "Standard" unserer Alltagskultur), in Gefängnissen oder von Polizisten erschossen. Nicht nur die Regelmäßigkeit dieser Ereignisse ist gleich geblieben, sondern auch die Art wie es verhindert wird, dass die Wahrheit über jeden dieser einzelnen Fälle herauskommt, damit die Polizei entlastet werden kann.
In den vergangenen Monaten hat die Police Federation es praktisch unmöglich gemacht, den Film "Injustice" zu zeigen, der über einen Zeitraum von 6 Jahren mit der Unterstützung der United Families and Friends (UFF) über solche Todesfälle in Polizeigewahrsam produziert worden war. Die Zensur hat hierbei eine neue Form angenommen, denn der Ploizeiverband hat Spitzenrechtsanwälte angeheuert, um gegen Kinos, die bereit sind, den Film zu zeigen, in letzter Minute gerichtliche Verfügungen auszuhändigen, welche die Aufführung unter Androhung drakonischer Geldstrafen verbieten. Bislang haben die Kinos den Film noch jedesmal zurückgezogen, wahrscheinlich unter der berechtigten Annahme, dass sie vor Gericht unterliegen würden, zieht man die priviligierte Rolle in Betracht, welche die Polizei im Justizsystem einnimmt. Ein oder zwei geheime Aufführungen hat es gegeben, was vielleicht zeigt, wo es im nur selektiv modernen Großbritannien den wirklichen Underground noch gibt.
Im Jahr 1970 gab es zwei Fälle - der von David Oluwale, ein junger Schwarzer, der in Leeds auf der Straße lebte, und der von Stephen McCarthy, ein junger Mann aus dem Stadtteil Islington, der von einer großen irischen Familie abstammt -, die es den Leuten ins Bewusstsein riefen - den Leuten, denen solche Dinge aus dem einen oder anderen Grund ein Anliegen sind -, dass es möglich ist, von der Polizei verhaftet zu werden und nicht mehr lebendig herauszukommen. Plötzliche Todesfälle sind Gegenstand der Untersuchung speziell dafür zuständiger Beamter in einem eigenen Gerichtshof, dem Coroner's Court, einem Teil des britischen Rechtssystems, in dem es eine archaische Vielfalt und ebensoviel Hokuspokus gibt, was ganz essentiell dazu beiträgt, dass Verantwortung ein schlüpfriges Ding wird, vor allem wenn sie vom Staat eingefordert wird. Am Coroner's Court gibt es auch Geschworene und, so wie in anderen Teilen des Rechtssystems, sind es gewöhnlich auch hier die Geschworenen, von denen man noch am ehesten erwarten kann, einen gewöhnlichen Bürger vor Unrecht zu verteidigen. Doch anders als bei normalen Gerichten liegt am Coroner's Court die ausschlaggebende Entscheidungsmacht beim Coroner selbst, einem Funktionär des Staates.
So kam es, dass bei der Untersuchung über den Tod von Stephen McCarthy der Coroner auf ein Urteil "natürliche Ursache" drängte. Das, nachdem er Beweise abgelehnt hatte, von denen Stephens Familie forderte, dass sie angehört werden; das, nachdem er zugelassen hatte, dass die beiden Beamten, welche die Verhaftung vorgenommen hatten, während der gesamten Verhandlung im Gerichtssaal anwesend waren; nachdem er zwei Augenzeugen verwarnt hatte, jene jungen Männer, die aussagten beobachtet zu haben, wie die verhaftenden Polizisten Stephens Kopf in jene Busstation gerammt hatten, an der er aufgegriffen worden war. Andere Attribute dieses Falles haben sich über die Jahre bei anderen Fällen wiederholt: die Verweigerung, eine öffentliche Untersuchung abzuhalten; Angriffe auf Demonstrationen, die dergleichen fordern; und vor allem die systematische Verunglimpfung der Opfer solcher Vorfälle durch darin geübte Polizeiteams, die Unwahres und Halbwahres an willig mitspielende Medien "durchsickern" lassen.
Im Jahrzehnt von 1970 bis 1980 starben 274 Menschen in Polizeigewahrsam oder kurz danach in Spitälern, nachdem sie sich in solchem "Gewahrsam" befunden hatten. Die jährlichen Zahlen stiegen während der gesamten Dekade steil an. Doch selbst die Statistik musste durch engagierte Nachforschungen ausgegraben werden, die Metropolitan Police führte bis 1979 keine derartigen Aufzeichnungen. Zwei Jahre später wurde die Organisation Inquest gegründet, mit dem Ziel, derartige Vorfälle zu beobachten und den betroffenen Familien jedmögliche Form von Unterstützung anzubieten. Das folgte auf den Tod von Blair Peach, ein Lehrer, der bei einer antirassistischen Demonstration starb, die von der "Special Patrol Group" der Polizei aufgelöst worden war und die dabei eine Reihe von offiziellen und inoffiziellen Totschlägern zur Anwendung brachte. Dies war kein armer isolierter Alkoholiker oder ein von der Polizei gehaßter schwarzer Jugendlicher, doch die Untersuchung verlief entlang derselben Bahnen. Entscheidend war, dass die Ergebnisse der eigenen internen Untersuchung der Polizei (der Cass Report) nicht als Beweismittel zugelassen wurden. So weit geht also die Macht des Coroners.
Zwanzig Jahre später hat sich wenig verändert. Zum Beispiel ist es immer noch so, dass, während die gerichtlichen Vertretungskosten der Polizei und Gefängniswärter großzügig von öffentlichen Geldern unterstützt werden, den Familien von Opfern plötzlicher Todesfälle in Polizeigewahrsam keine Rechtshilfe zusteht. Im Fall von Alton Manning, ein schwarzer Untersuchungshäftling (was also bedeutet, dass er formal unschuldig ist), der im Gefängnis Blakenhurst im Dezember 1995 verstarb, befanden sich die meisten dokumentarischen Beweismittel in den Händen des Innenministeriums und des Strafanstaltssystems des Vereinigten Königreichs. Wie es Inquest formuliert, "wurde entschieden, den Anwälten, die Mannings Familie vertraten, den Zugang zu den relevanten Dokumenten vorzuenthalten und das wenige, was durchkam, ging durch den Coroner." Sein Tod war der dritte Fall verursacht durch "Bändigung" in einem britischen Gefängnis innerhalb von zwei Monaten.
Andere Merkmale des Falles sind leider nur zu bekannt und bauen sich in der Tat zu einem grotesken Muster auf, wenn schwarze Männer und Frauen starben, weil falsche oder verbotene Festhaltetechniken (Würgegriffe am Nacken oder Fesselung mit dem Kopf nach unten) angewandt wurden. Die Untersuchung über Alton Mannings Tod fand schließlich im März 1998 statt und kam zu dem einstimmigen Ergebnis der gesetzwidrigen Tötung. 12 mal haben sich die Geschworenen im vergangenen Jahrzehnt der Machtstruktur des Coroners widersetzt und ein derartiges Urteil gefällt. Doch kein einziger Polizist oder Gefängniswärter wurde wegen der Beteiligung an einer solchen Tötung bisher verurteilt. Nur bei drei Fällen kam es jemals zu einer Gerichtsverhandlung. Die Barriere dazu bildet ein anderes kunstvoll unabhängiges Glied des Rechtssystems, das Crown Prosecution Service (CPS) und der Director of Public Prosecutions (DPP).
- Shiji Lapite, ein Schwarzer, verstorben 1994; Tod durch polizeilichen Nackengriff und Tritte gegen den Kopf; ein Urteil auf gesetzwidrige Tötung, obwohl der Coroner die Geschworenen gewarnt hatte, sie könnten dieses Urteil nur fällen, wenn sie sich ganz sicher seien, dass es sich um Totschlag handele; keine Anklage.
- Ibrahima Sey, ein Schwarzer, verstorben 1996; Tod durch polizeiliches Festhalten mit dem Kopf nach unten; keine Anklage.
Im Fall von Alton Manning kam das CPS (nur in Großbritannien kann man so etwas einen "Service" nennen) vier mal zu der Entscheidung, keinen der an seinem Tod beteiligten Gefängniswärter anzuklagen: zwei mal nach verpfuschten polizeilichen Ermittlungen; dann kurz nach dem Urteilsspruch der gesetzwidrigen Tötung und ein letztes mal im Juni dieses Jahres.
Diese letzte Entscheidung ist zutiefst verstörend, denn sie folgte auf ein Gerichtsurteil vom April 2000, das besagte, dass die Erklärung des CPS auf die Frage, warum es nach dem Geschworenenurteil keine Anklage erhoben habe, "vor dem Gesetz nicht standhalten könne". Und was es noch schlimmer macht, es folgt auf eine PR-Kampagne des CPS, mit der es uns weismachen wollte, dass es sich verändert hat.
Das ist eine vertraute Taktik bezüglich des Umgangs der Law-and-Order-Branche mit Kritik. Wenn zum Beispiel der Chef-Inspektor des Gefängnissystems (der, den die Regierung gerade abgesägt hat) einen zutiefst kritischen Bericht nach dem anderen herausgibt, kann man sich sicher sein, dass der Direktor der betroffenen Anstalt am nächsten Tag in den Medien ist und, ohne auf die konkreten Vorwürfe einzugehen, beteuert, es habe sich in den ein oder zwei Monaten seit dem Besuch des Inspektors alles zum Positiven verändert. Im Falle des CPS war der Wandel zunächst erzwungen, so dass die Chance bestand, dass sich wirklich etwas ändern würde. Die frühere Direktorin des DPP, Barbara Mills, Trägerin des Ordens der Krone, war 1998 zum Rücktritt gezwungen worden, nachdem sie sich vor dem Höchsten Gerichtshof nicht in der Lageg gezeigt hatte zu erklären, warum es in drei verschiedenen Fällen zu keiner Anklage gekommen war, zwei davon wegen gesetzwidriger Tötung; das in Folge des Butler Reports über die Entscheidungen des CPS, der einige Verbesserungen bei Todesfällen in Polizeigewahrsam zu bringen schien. Der neue Leiter des DPP, David Calvert-Smith, hat seither leichtes Spiel bei Medieninterviews, indem er zugeben kann, dass es rassistische Elemente im CPS geben würde, mit denen er jedoch nun aufzuräumen im Begriff ist, mit anderen Worten, die bekannte Technik zu sagen, das-war-dann-und-jetzt-sind-wir-weiter.
Die Entscheidung über Alton Manning straft diese Einstellung Lügen. Nach der neuerlichen Entscheidung durch das CPS in diesem Jahr, keine Anklage zu erheben, kommentierte das der Anwalt der Manning-Familie, Raju Batt, folgendermaßen:
"... das kann nur bedeuten, dass sie (CPS und DPP) weiterhin fest entschlossen sind, den Implikationen der verfügbaren Beweise aus dem Weg zu gehen und das, so scheint es, um jeden Preis, sei es die Glaubwürdigkeit des Strafverfolgungssystems oder die rechtsstaatliche Ordnung."
Dreist, ganz einfach dreist ist die Vorgehensweise des CPS, das bei zahllosen Irrtümern der Justiz Beweise unterdrückt hat, denn der Fall von Alton Manning ist nicht der einzige in diesem Jahr. Da ist Cristopher Alder, ein weiterer Schwarzer, ein mit mehrfach ausgezeichneter Ex-Falschirmjäger, der in einer Zelle in der Queens Gardens Polizeistation in Hull im April 1998 verstarb. Diesmal gab es Beweise auf Video über den Tod des 37-jährigen, nachdem er in einem Spital verhaftet worden war, wohin man ihn zur Behandlung gebracht hatte. Im August 2000, nach siebenwöchiger Beweisaufnahme, fällten die Geschworenen am Coroners Court das Urteil der gesetzwidrigen Tötung, nachdem sich das CPS bereits zweimal der Anklageerhebung verweigert hatte, auf Basis einer verpfuschten polizeilichen Ermittlung. Am 9.April wurde bekanntgegeben, dass die Polizei von Hull versucht hatte, gegen diese Entscheidung vor dem Höchstgericht Berufung einzulegen, aber dabei gescheitert war. Die Anwältin der Familie, Ruth Bundey, sagte dazu:
"Das war eine zeitraubende Ablenkung - wir hoffen nun, dass eine umfassende Untersuchung darüber, wie Cristopher Alden umgekommen ist, nun wieder aufgenommen werden kann."
Welch eine Hoffnung! Nur 16 Tage später kündigte das CPS an, dass die Polizeibeamten in Hull nicht wegen Totschlags angeklagt werden, wie es die Entscheidung der Jury nahegelegt hatte. Trotzdem kann die Bedeutung solcher Entscheidungen der Geschworenen auf "gesetzwirdige Tötung" nicht hoch genug eingeschätzt werden, zieht man nämlich den starken Druck auf sie in Betracht, diese nicht zu fällen. Da wäre der Fall von Glen Howard zum Beispiel, bei dem der Coroner nur zwei Urteile zuließ, das einer offenen Todesursache oder eines Unfalltods. Die Geschworenen ignorierten seine Anweisung, jede begleitende Äußerung zu unterlassen und stellten fest, dass exzessive Festhaltetechniken und mangelnde medizinische Versorgung zum Tod beigetragen haben. Man darf auch nicht vergessen, dass Polizisten nicht gezwungen sind, solche Fragen zu beantworten, bei deren Beantwortung sie sich selbst beschuldigen würden. Außerdem können sie Anonymität beantragen.
Bislang also scheint es, dass der Bericht über das Versagen des CPS noch keinen Unterschied macht. Dasselbe muss man leider vom Human Rights Act vom Oktober 2000 sagen, zu dessen Einführung die britische Regierung sich mit Händen und Füßen wehrend gezwungen werden musste. Der einzige Anspruch der Regierung bisher, Fehler im Rechtssystem bekämpft zu haben, besteht also in der Untersuchung über den Mord an Stephen Lawrence und der daraus resultierenden Feststellung, dass es in der Polizei institutionellen Rassismus gibt. Die Empfehlungen - der Mc-Pherson-Bericht - wurden seither wieder von Polizei und ihren Medien-Alliierten stückweise zunichte gemacht oder ignoriert, wie jene, dass Familien bei Untersuchungen über plötzliche Todesfälle in Polizeigewahrsam Rechtshilfe beanspruchen können.
Großbritannien ist heute eine weit weniger rassistische Gesellschaft als in den siebziger Jahren, dennoch besteht weiterhin dieses Übergewicht einer weit größeren Wahrscheinlichkeit für schwarze Männer und Frauen in Polizeigewahrsam zu sterben. Weitere Merkmale folgen in depressiv stimmender Abfolge.
- Die Regeln über Festhaltetechniken werden weiterhin ignoriert, vor allem dann, wenn es darauf ankäme, also wenn jemand sein Leben verliert.
- Die weniger spektakulären aber zahlreichen Todesfälle von Menschen mit Drogen- oder Alkoholproblemen
- Und da gibt es gewisse Anstalten, jene, die mit der Zeit zu Horror-Stories werden. Die Jugendstrafanstalt Ashford bekam wegen zahlreicher Selbstmorde einen derart schlechten Ruf, dass sie zu Feltham umbenannt wurde, wo es aber nur noch mehr Selbstmorde gibt
- Die Polizeiwache des Londoner Bezirks Stoke Newington zum Beispiel, Schauplatz des Todes von Aseta Simms, 1971; Michael Ferrieira, 1978; Colin Roach, 1983, bis hin zu Sarah Thomas in den späten neunziger Jahren, alle von schwarzer Hautfarbe.
Am geschmacklosesten ist die häufig angewandte Taktik, die Opfer zu verleumden. In den siebzigern wurde Stephen Waldorf von sechs Schüssen getroffen, die durch seine Autoscheibe hindurch von einem Polizisten abgefeuert wurden, der glaubte, er sei ein Verbrecher namens Dave Martin und der ihm zum Schluss noch mit dem Knauf derselben Pistole eins über zog. Die Polizei verbreitete Gerüchte, er sei ein Drogenhändler oder ein geheimer Komplize von Dave Martin. Stephen Waldorf hat glücklicherweise überlebt und erreichte eine außergerichtliche Einigung, doch die Polizei wurde mit dem Argument der Selbstverteidigung freigesprochen. Aseta Simms, die schwarze Frau, die in der Polizeiwache von Stoke Newington starb, hatte Kopfwunden, die darauf hinwiesen, dass sie geschlagen wurde, doch die Medien schluckten die von der Polizei verbreitete Geschichte, dass sie eine Trinkerin gewesen sei. Ganz ähnlich in einem Fall aus dem Jahr 1984, über den kaum je berichtet wurde, Michael Shenley, der von einem dahinrasenden Polizeiwagen, der sich in einer unwichtigen Verfolgungsjagd ohne Blaulichter befand, getötet wurde, und von dem die Polizei sagte, er sei betrunken gewesen, was seine Freunde aber abstritten. Ganz ähnlich erging es erst vor kurzer Zeit im Jahr 2001 einem jungen Mann, der unter ähnlichen Umständen von einem Polizeiwagen überfahren wurde.
Die Verleumdung der Opfer ist ein Teil dessen, was bei all diesen Fällen, bei denen Polizisten oder Gefängniswärter an einem Todesfall beteiligt sind, wirklich erschreckt, denn ES IST NIEMALS IHRE SCHULD. Beides ist Teil ihrer beständigen Jammerei in den Medien, wie schwer sie es denn hätten und dass niemals etwas ihre Schuld sein könnte. Nach den Schüssen auf den unschuldigen Stephen Waldorf sagte der Polizeiverband, dass "bewaffnete Beamte eine Form von rechtlichem Schutz haben sollten, eine Art Immunität gegenüber Anklagen."
Die Entscheidung des CPS 25 Jahre später zum Fall von Harry Stanley - erschossen in Hackney, weil er ein Tischbein mit sich getragen hatte, in einer traurigen Farce untersucht von der Polizeistelle, die eigentlich untersucht werden sollte - läuft auf die Feststellung darauf hinaus, dass wenn die Polizei glaubt, dass jemand bewaffnet ist, es unvermeidlich sei, diese Person sofort nieder zu schießen. Und das trotz der Tatsache, dass die Polizei mehr als genug Zeit gehabt hätte festzustellen, dass Harry Stanley nicht bewaffnet gewesen war.
Diese Weigerung, Verantwortung für ihre Taten zu übernehmen, wie ein Cockney-Krimineller von annodazumal zu sagen, "...'s war nich mich, Herr Richter", verträgt sich schlecht mit den ständigen Belehrungen der britischen Regierung darüber, dass wir im Gegenzug für unsere Bürgerrechte auch Pflichten hätten. Ebenso verträgt es sich mit der hartnäckigen Weigerung, eine öffentliche Untersuchung zu Todesfällen in Polizeigewahrsam abzuhalten (immer mit der Begründung, dass es doch nicht notwendig wäre, weil es ja die Untersuchung des Coroners gäbe), dass die Regierung ständig Länder der Dritten Welt über die Notwendigkeit von mehr Transparenz und der rechtsstaatlichen Ordnung belehrt. Stattdessen verstärkt das Crown Prosecution Service die Haltung der Polizei, was - denn schließlich sind sie ja auch nur Menschen, das ist Hilfeleistung für die Polizei in schwierigen Umständen - im Endeffekt zu dem Gefühl führen muss, dass sie ungestraft handeln können. Das wurde am besten von Donald Douglas beschrieben, nachdem sein Bruder Brian, ein Schwarzer, im Mai 1995 starb, nachdem er in London von der Polizei mit den damals neuen langstieligen Schlagstöcken amerikanischen Stils auf den Kopf geschlagen wurde:
"Ich fürchte, dass die Anzahl der Menschen, die in den letzten Jahren in Polizeigewahrsam getötet wurden, ohne dass Abhilfe geschaffen wurde, dazu beigetragen hat, die Einstellung jener Beamten zu beeinflussen, als sie ihre Schlagstöcke auf den Schädel meines Bruders niederkommen ließen."
Seither hatten wir den McPherson-Bericht, doch der Fall von Roger Sylvester erscheint wie ein entsetzliches Paradigma der ganzen beschriebenen Palette von unrecht.
-Roger Sylvester, männlich, schwarz, verstorben im Januar 1999; Tod durch Festhalten; Weigerung des CPS, Anklage zu erheben; keine Rechtshilfe für die Familie; weiterhin Weigerung des "Reformers" David Calvert-Smith Beweismittel zuzulassen; Rufmord am Charakter des Opfers, der in der Presse als Drogenabhängiger mit psychischen Störungen dargestellt wurde. Doch weder das ist wahr, noch die von der Polizei an die Times weitergeleitete Information, dass er ein Crack-Raucher gewesen sei.
Rogers Familie jedoch gibt nicht auf, einerseits mit ihrer Website, aber auch als Teilnehmer, zusammen mit den anderen mutigen Familien, an der Herstellung des Filmes "Injustice". Die Bedeutung dieses nun in den Untergrund verdrängten Filmes könnte größer nicht sein. Genauso wie bei allen anderen Fällen von Justizirrtümern muss der politische Wille geschaffen werden, dass etwas getan wird. Die Schwester von Alton Manning hat soviel bewirkt, doch am Ende kam es zu gar nichts. Es ist eine schreckliche Ironie, dass er Anwalt der Familie von Raju Bhatt die Situation so gut beschreiben sollte, gerade als es so aussah, als ob Gerechtigkeit geschehen sollte, als sie die Überprüfung des Verfahrens erwirkt hatten.
"Einmal mehr müssen wir herausfinden, dass es die Reaktion des CPS ist, wenn sie mit den Beweisen in so einem Fall konfrontiert werden, nach einer "unschuldigen" Erklärung zu suchen, auch wenn diese Erklärung, so wie hier, auf einer These aufbaut, die auf Basis aller vorliegenden Beweise einfach unhaltbar ist. Was wir hier sehen, ist eine institutionalisierte Unwilligkeit oder Unfähigkeit, das Funktionieren des Rechtsstaats zu gewährleisten, dann wenn die, deren Aufgabe es wäre, das Recht zu schützen, beschuldigt sind, es selbst missbraucht zu haben. Wir sehen diesen selben Mangel wiedergespiegelt in den vermurksten und unadäquaten Untersuchungen ebenso wie in der Selbstgefälligkeit unserer politischen Herren, wenn sie mit dem Ausmaß und der Tiefe des Problems konfrontiert werden."
In dieser Situation sollten alle britischen Bürger denjenigen dankbar sein, die für Gerechtigkeit für ihre toten Verwandten gekämpft haben, ebenso wie den Machern des Filmes Injustice.
Übersetzung: Armin Medosch