Dänemark: "Einwilligungsgesetz" sorgt für Unwillen
In Dänemark soll ein sogenanntes Einwilligungsgesetz wie in Schweden eingeführt werden. Vor dem Sex muss eine Zustimmung beider Partner stattfinden
"Es findet eine Vergewaltigung statt, wenn man sich nicht einig ist", so Justizminister Nick Hækkerup diese Woche. Er sieht in der Gesetzesnovelle "einen großen Schritt für die Gleichstellung der Geschlechter". Dem neuen Gesetz zufolge sind Drohungen und Gewaltanwendung nicht mehr Voraussetzung für eine Verurteilung.
Das Gesetz, das im Oktober verabschiedet werden soll, wird jedoch von namhaften Juristen des Landes kritisiert, diese sagen einen "Showdown" mit dem dänischen Rechtssystem voraus, wie die bürgerliche Zeitung Berlingske berichtet, und auch die bürgerlichen Parteien melden Vorbehalte an.
Vorbild Schweden
In Schweden ist seit Juli 2018 das Einwilligungsgesetz in Kraft, das bei einer "unachtsamen Vergewaltigung" ebenso eine Verurteilung vorsieht - bislang gab es bei 12 Fällen nach der neuen Rechtsprechung eine Verurteilung. Gleichzeitig habe die neue Gesetzeslage zu einem Anstieg der Richtersprüche bei Vergewaltigung allgemein von 75 Prozent geführt, wie im Juni publiziert wurde: von 190 Urteilen (2017) auf 333 (2019).
Feministische Gruppen sehen darum in der Reform, die international für Aufmerksamkeit sorgte, einen Erfolg und somit erhöhte sich auch der Druck in Dänemark. Dort regiert Mette Frederiksen mit einer sozialdemokratischen Minderheitsregierung, die von drei Parteien gestützt wird, die weiter links stehen und die Gesetzesveränderung voranschoben.
Doch gibt es Unterschiede zwischen den skandinavischen Ländern. Während sich der ebenfalls sozialdemokratische regierte nördliche Nachbar offen zu einer feministischen Politik bekennt und der Staat eine starke Fürsorgerolle einnimmt, haben in Dänemark neben den Frauenrechten auch die individuellen Rechte sowie eine transparentere Politik einen hohen Stellenwert.
Der Verlust des letzteren beklagen die bürgerlichen Parteien vehement - denn diese wurden aus den Verhandlungen zu dem Einwilligungsgesetz ausgeschlossen und einfach mit dem Ergebnis konfrontiert.
"Wir sind verärgert, weil wir die Ansicht der Regierung teilen, dass etwas für Vergewaltigungsopfer getan werden muss", so Britt Bager, vom Rechtsausschuss der ehemaligen Regierungspartei "Venster". Die bürgerlichen Parteien kündigen aufgrund des Ausschluss eine harte Parlamentsdebatte an.
Schwierige Beweisführung
Auf die mangelnde Beweislast weist die pensionierte Jura-Professorin Eva Smith hin, da beim sexuellen Akt normalerweise keine Zeugen zugegen sind. Die Verteidigerin Mette Grith Stage befürchtet, wie einige andere Anwälte auch, dass das Zustimmungsgesetz zu mehr Fehlurteilen führen könnte. Vor allem, wenn der Angeklagte nachweisen müsste, dass es eine Einwilligung gegeben hatte. Das Gesetz sei unklar.
Helle Hald, Anwältin des Verbands "Hilf den Vergewaltigungsopfern" wies die Zweifel zurück, sie habe Vertrauen in die dänische Gerichtsbarkeit und erhofft sich eine "Signalwirkung".
Strittig sind die Zeichen der Einwilligung. Einerseits genügten Küsse, Flirtverhalten sowie das Mit-Nach-Hause-Gehen noch nicht als Einwilligung. Auf der anderen Seite heißt es, dass die Einwilligung auch nonverbal wie etwa durch Küsse gegeben werden kann.
Bei der Presseerklärung am Dienstag mit dem sozialdemokratischen Justizminister und Vertretern der Linksparteien kam es darum zu einem Eklat. Kristian Hegaard, Rechtsexperte der Radikalen Linken, fühlte sich durch die hartnäckigen Detail-Fragen der Journalisten "erniedrigt" und beendete die Debatte mit dem Verweis, dass die Politiker "keine Pornodarsteller" seien.
In dem Land mit knapp sechs Millionen Einwohner erhielt die Polizei im vorigen Jahr 1.662 Anzeigen zu Vergewaltigungen und Vergewaltigungsversuchen. Eine große Anzahl von Übergriffen wird laut Opferumfragen jedoch nicht gemeldet. Die Gerichte haben 314 Urteile im Jahr 2019 gefällt. Bei einem Drittel davon waren die Opfer Kinder unter 12 Jahren.
Parlamentarier in Grönland, das der Krone Dänemarks unterstellt ist, wollen darum dieses Gesetz übernehmen. Auf der arktischen Insel mit 50.000 Einwohnern wurde Ende August mit 88 registrierten sexuellen Übergriffen gegenüber Kindern ein trauriger Rekordwert verzeichnet. Auch hier erhoffen sich die Befürworter der Reform eine Auswirkung auf die allgemeine Rechtspraxis.