Darksiders
Hacken und Schlachten in der Apokalypse
Das Hack 'n' Slay-Genre wird nach wie vor von Sony's Exklusivhelden Kratos in dessen beiden "God Of War"-Teilen dominiert - erstaunlich, wenn man bedenkt, daß die beiden Spieleklassiker noch für die Playstation 2 entwickelt wurden (dem dritten Teil wird derzeit entgegengefiebert). Auch die Verwendung klassischer Themenkreise ist seitdem en vogue, und so verwundert es nicht, daß viele ähnlich gelagerte Spiele wie das angekündigte "Dante's Inferno" oder das vorliegende "Darksiders" ebenfalls auf Sagen, religiösen Mythen oder Literaturklassikern beruhen.
Natürlich wird man mit dem in vielen Rezensionen gezogenen Vergleich zwischen "GoW" und "Darksiders" weder dem einen noch dem anderen Spiel wirklich gerecht. Zu unterschiedlich sind die technischen Voraussetzungen, die das jeweilige Studio vorfand, zu unterschiedlich sind folglich die Ergebnisse, die bestenfalls zu erreichen waren. Das Zugpferd von Sony mußte sich seinerzeit mit der bereits damals angestaubten PS2-Technik arrangieren und erzielte trotzdem verblüffende Ergebnisse, da die Programmierer das Spiel konsequent linear gestalteten. Die rechenintensive Darstellung einer offenen Welt fiel somit weg, also konnte man die auf diese Weise freigesetzten Kapazitäten in einen zwar tunnelartigen, aber flüssigen Spielablauf, schicke optische Effekte und eine für seine technische Plattform geradezu prunkvolle Grafik investieren.
Ein Spiel der aktuellen Generation, das wie der indizierte letzte Wolverine-Titel von "Raven Software" sein Gameplay auf diese Weise gestaltet, läuft somit in Punkto Technik automatisch unter der hoch hängenden Messlatte durch. Deswegen ließ die Ankündigung eines Hack 'n' Slay mit offener Welt auf der thematischen Basis der biblischen Apokalypse aufhorchen, und "Darksiders" wurde schon lange vor dem Erscheinungstermin mit einiger Spannung erwartet.
Der Anfang der Geschichte, ein etwa zehnminütiger, gespielter Prolog, in dessen Verlauf der apokalyptische Reiter Krieg (die gespielte Figur) aufgrund falscher Informationen unbefugt die Apokalypse auslöst, ist streng linear gestaltet, rückt dem Spieler allerdings schon ab der ersten Sekunde mit wahren Monsterhorden auf den Leib, bevor er sich überhaupt mit Steuerung und Bewaffnung vertraut gemacht hat. Das fordert und macht deutlich, daß Darksiders wohl kein Spaziergang werden wird. Der erste Eindruck bestätigt sich, als bereits nach zehn Minuten ein 50-Meter-Teufel auftaucht, der mit Autos um sich wirft und dazu gruseliges Geisterbahngelächter von sich gibt - das Monstrum würde vielen anderen Spielen als Endgegner alle Ehre machen. Daß man diesen Koloss nicht mit dem mickerigen Schwert besiegen kann, liegt auf der Hand, also beginnt bereits hier das beliebte Getüftel um die optimale Tötungsmethode: Aha, ich kann auch mit Autos werfen, soso, sein Gehirn liegt jetzt frei... Da auch die Grafik hier zum ersten Mal ihre Stärken andeutet und mit ungeheuer detailfreudiger Darstellung des riesigen Dämonen beeindruckt, sieht alles sehr vielversprechend aus, aber wo ist die versprochene offene Welt?
Die entfaltet ihre ganze Pracht, wenn das einleitende Kapitel beendet ist und Krieg erfahren hat, daß er manipuliert wurde und die komplette Menschheit zu Unrecht ausradiert wurde. Um seiner eigenen Verurteilung durch den "Rat" zu entgehen, soll er die wahren Schuldigen finden, die ihr Unwesen auf der menschenleeren, von dämonischen Horden bevölkerten Erde treiben. Die Umsetzung dieses Settings durch "Vigil Games" ist schlicht und einfach beeindruckend. Ein gewaltiges, postapokalytisches Szenario, das die mittlerweile seit 3000 Jahren nur noch von Dämonen frequentierten und entsprechend umgestalteten Reste menschlicher Zivilisation in Form einer verfallenen Großstadt als Zentrum verwendet, von dem aus die einzelnen Spielwelten zugänglich sind oder durch Spielfortschritt freigeschaltet werden. Und jetzt ist auch alles frei begehbar, durch eine gewitzte Kombination von Levelarchitektur und Aufgabengestaltung wird aber doch ein linearer Spielverlauf herausgearbeitet. Daß die riesigen, detailliert ausgearbeiteten Welten zudem komplett ohne die üblichen Ladepausen generiert werden, ist schlicht und einfach verblüffend.
Die einzelnen Level wie die höllische Lavawelt, der schaurige Friedhof oder die gigantische gotische Kathedrale mit ihren unterirdischen Stockwerken sind wundervoll gestaltet und nutzen die sich bietenden Möglichkeiten für Gimmicks wie mechanische Rätselapparaturen oder Hüpf- und Flatterküren schlau aus. Das Spiel ist dabei an einigen wenigen Stellen recht rätsellastig, enthält sich dabei aber der Verwendung von nur durch Zufall oder stupide Wiederholung zu lösenden Aufgabenstellungen. An der einen oder anderen Stelle ist die Gewichtung vielleicht etwas zu stark auf Knobelei gelegt, trotzdem liegt das Hauptaugenmerk zweifelsohne auf den vielen blutrünstigen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf Krieg ganze Gegnerhorden zunächst mit dem Schwert, später mit Klingenbumerang, Dämonenknarre etc. niedermacht. Da die thematische Prämisse klarstellt, daß hier keinesfalls Menschen gemordet werden - und wenn die Gegner zum Teil auch noch so humanoid wirken - kann "Darksiders" hier ohne Rücksicht auf Verluste drauflos splattern und sogar in Deutschland ungeschnitten mit einer 18er Freigabe veröffentlicht werden.
Die zu bekämpfenden Dämonengestalten sind ein weiteres Plus des Spiels. Neben einigen gängigen Unholden wie Zombies oder untoten Ritter trifft man auch auf Exoten wie Harpyien oder an Ray Harryhausens Geschöpfe erinnernde Skelette mit Krummsäbeln. Beeindruckend sind aber vor allem die ziemlich grausigen Eigenkreationen der Spieldesigner: etwa der "Gefängniswärter", aus dessen verwachsenem, unförmigen Körper kleine Zellen wachsen, oder der häßliche, faulig grüne Kerl mit verformten Kopf, der Krankheiten hustet, um Krieg während des Kampfs zu infizieren.
Auf der Habenseite verbucht "Darksiders" also eine ergiebige theamtische Grundlage, eine beeindruckende technische Umsetzung, atmosphärisch stimmiges und dem Thema sehr angemessenes Design, faire, meist sogar interessante Rätsel und mit ungeheurer Detailfreude animierte Gegner, die zudem noch in rauhen Mengen auf Krieg einstürmen. Dazu kommt eine gewaltige Gesamtspielzeit - alleine die Kathedrale beansprucht mehr Zeit als etwa ein aktueller "Call Of Duty"-Titel, ist dabei aber nur ein geschätztes Fünftel des gesamten Spiels.
Was man "Darksiders" als Manko auslegen könnte, entspringt eher der geschmacklichen Disposition des einzelnen Spielers als wirklichen gestalterischen Schwächen - der eine mag die Rätsel schwerer, der andere kann ganz drauf verzichten; einer mag eher trashig-lustige Monster, der nächste will sich am liebsten mit wirklich beängstigenden Unholden messen.
Objektiv betrachtet haben "THQ" und "Vigil Games" hier den bislang beeindruckendsten Hack 'n' Slay-Titel für die aktuelle Konsolengeneration geschaffen, an dem Freunde dieses Genres keinesfalls vorbeikommen werden. Auch Fans von Spielen mit Horrorthematik, die traditionell eher den Genres Survival Horror oder Ego Shooter zugeneigt sind, könnten mit "Darksiders" den Zugang zum Hacken und Erschlagen finden.