Das Appeasement der Frau Merkel
Die Bundeskanzlerin versucht durch kleine Geschenke an US-Präsident Trump für Europa wichtige Projekte wie Nordstream 2 und die Iran-Kontakte zu retten. Die Rechnung wird nicht aufgehen - Ein Kommentar
"To appease" heißt, jemanden besänftigen. Als jemand, der in seiner Studienzeit zeitweise in der Gastronomie gearbeitet hat, erinnere ich mich noch, wie schwierig das manchmal war, einen sternhagelvoll besoffenen Kneipenrandalierer soweit zu besänftigen, dass er sich erstmal hinsetzte, anstatt das Mobiliar zu zerlegen. Die Zeit hatte man gewonnen, damit der Randalierer dann in die nächste Phase des alkoholinduzierten Hirnschwundes gelangte, wo er entweder schnarchend einschlief oder einen Heulanfall bekam.
Das Substantiv "Appeasement" wurde benutzt, um den schamlosen Verrat des britischen Premierministers Chamberlain an der Tschechoslowakei im Jahre 1938 schön aus dem Zusammenhang gerissen als Versuch zu verkaufen, der Brite habe den tollwütigen Hitler besänftigen wollen, indem er ihm das Lamm Tschechoslowakei zum Fraß hingeworfen habe. Eine Geschichtslüge, wie man heute weiß.
Auch unsere Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel übt sich gerade in der schwierigen Disziplin des Appeasements, der Besänftigung eines volltrunkenen Kneipenrandalierers aus Übersee. (Dem Autor dieses Textes ist schon bewusst, dass der hier gemeinte Donald Trump seit dem Tod seines Bruders keinen Alkohol mehr trinkt. Dass sich Trump trotz alledem in einem gemeingefährlichen Delirium befindet, ist offensichtlich. Übrigens war auch Adolf Hitler Alkohol-abstinent.)
Merkel wurde ja als Vorzeige-Ostdeutsche für die transatlantischen Netzwerke wie z.B. die Atlantikbrücke angeworben und dann systematisch aufgebaut als legitime CDU-Nachfolgerin des Dauerkanzlers Helmut Kohl ("Das Mädchen"), nach einem Zwischenspiel mit Schröder-Fischer. Jahrelang war Merkel das Lieblingskind der transatlantischen Netzwerke und der deutschen Leitmedien. Und "Angie" las vorauseilend gehorsam ihren Gönnern jeden Wunsch von den Lippen ab. Die untersetzte Kanzlerin im Hosenanzug neben Condoleeza Rice, neben Blair, neben Bush II. oder neben Obama. Diese Alptraumpaarungen verfolgten uns bis in den Schlaf.
Doch ist Frau Merkel jetzt schon lange keine begeisterte Transatlantikerin mehr, wie in ihren guten Zeiten. Dass der Obama ihr Privathandy auslauschen ließ, erinnerte sie, wie sie im Kabinett verkündete, an ihre eigenen Stasi-Erfahrungen. Und der Druck aus Übersee, Deutschland erneut zum terrestrischen Flugzeugträger im prospektiven Krieg gegen Russland umzuwandeln, behagte auch Frau Merkel sichtlich nicht.
Doch die Machtverhältnisse sind mit dem Vergleich David gegen Goliath nicht angemessen beschrieben. Eine Unbotmäßigkeit gegen den Großen Bruder könnte in letzter Konsequenz den Overkill zur Folge haben. Das weiß auch Frau Merkel. Sie versucht sehr vorsichtig, den Zangengriff gegen Deutschland durch Beschwichtigungsmanöver (damit sind wir wieder beim Thema) ein wenig zu lindern. Dass die USA auf dem absteigenden Ast sind, hat die Kanzlerin längst begriffen. So versucht sie, Deutschland aus der unilateralen Abhängigkeit von den USA ein wenig zu lösen: Sie zahlte Milliarden als Gründungskapital in die Asiatische Investitionsinfrastrukturbank (AIIB) ein, um beim neuen Megaprojekt Seidenstraße dabei zu sein. Sie ordnete den Bau eines eigenen Aufklärungssatelliten für den Bundesnachrichtendienst an, um nicht länger von der Gnade der US-Schnüffelbehörde NSA abhängig zu sein.
Appeasement-Deal für Nord Stream 2
Trump will die Normalisierung der Beziehungen zum Iran zertrampeln. Dagegen wendet sich Frau Merkel, zusammen mit anderen Partnern in Europa. Und das russische Pipelineprojekt Nord Stream 2 will sie gegen den Druck des Großen Bruders aufrechterhalten. Dazu greift sie, wie so oft, zum Mittel des Appeasements: Sie will Trump und seine Ölmogule durch einen Deal besänftigen.
Die Bundesregierung macht 500 Millionen Euro locker, um norddeutsche Häfen umzurüsten für den Empfang und die Weiterleitung von US-amerikanischem Flüssiggas. Ein ebenso überflüssiges wie extrem umweltschädliches Verfahren. Die USA verfügen schon lange nicht mehr über "konventionell" gefördertes eigenes Gas. Also wird der Untergrund der USA mit giftigen Chemikalien noch einmal flächendeckend ausgewrungen wie eine ausgepresste Zitrone, auf der krampfhaften Suche nach letzten Resten von Öl und Gas.
Es ist schon schlimm genug, dass die Bürger der USA ihre Böden wegen eines sehr kurzfristigen Gasvergnügens für alle nachfolgenden Generationen unwiderruflich ruiniert haben. Dass dieses Umweltverbrechen obendrein noch vom deutschen Steuerzahler subventioniert wird, geht nun gar nicht. Ist es auch Wahnsinn, so hat es doch Methode. Denn Frau Merkel versucht als die Schwächere in dem Deal mit Trump noch zu retten, was zu retten ist, nämlich Nordstream 2.
Gut gemeint, aber die Rechnung geht nicht auf. Durch diesen Appeasement-Slalom verliert sie nur weiter bei jenen Leuten Rückhalt, von deren Unterstützung ihr politisches Überleben abhängt, nämlich von sozialdemokratisierten CDU-Mitgliedern und vom neuen grünen Establishment, das gerade die CDU überflüssig macht. Und im erzkonservativen und transatlantischen Musikantenstadl-Milieu gibt es für Merkel nichts mehr zu holen. Da wird an Merkels Stuhl gesägt, dass es nur so quietscht.
Auf dem großen Berliner Polit-Schachbrett sind bereits einige Springer und Läufer aus Merkels Personal einkassiert worden. Die Ersetzung ihres Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder durch Merkel-Gegner Ralph Brinkhaus kam dem Verlust der Dame im Schachspiel gleich. Neue Besen kehren gut: Jens Spahn läuft sich schon mal warm, um als neuer Bundeskanzler der absolut zuverlässige Gewährsmann für Washington zu werden.
Die einzige Rettung für Frau Merkel bestünde lediglich noch darin, sich ein Stück weit von ihrem politischen Establishment zu emanzipieren und einen "populistischen" Rückhalt in der Wählerschaft zu suchen. Das hätte aber den sofortigen Abschuss durch die Mainstream-Medien zur Folge. Da können auch ihre Kaffeeklatsch-Freundinnen Friede Springer und Lis Mohn nichts mehr für Angie wuppen. Die politische Raison des transatlantischen way of life ist stärker - stärker sogar als persönliche Bindungen.
Was lernen wir daraus? Die Besänftigung gemeingefährlicher globaler Kneipenrandalierer bringt nichts ein - 1938 so wenig wie im Jahre 2018. Das Übel muss an der Wurzel gepackt werden. Die transatlantischen und marktradikalen Paradigmen müssen durch multipolare und menschenfreundliche Paradigmen ausgetauscht werden. Dazu bedarf es ganz neuer Koalitionen und Vernetzungen.
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