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Mathias Bröckers: "JFK - Staatsstreich in Amerika"
Zum 50. Jahrestag der Schüsse von Dallas hat Publizist Mathias Bröckers ein bemerkenswertes Buch über den Jahrhundertmord geschrieben. Nachdem der Forschungsstand in den letzten Jahren u.a. durch Aktenfreigaben, späte Zeitzeugen und gut recherchierte Neuerscheinungen deutlich bereichert wurde, sichtete Bröckers über 10.000 Seiten an Material und setzte das gut gemischte Kennedy-Puzzle zusammen - ein Puzzle, das nicht nur durch fehlende, sondern auch durch ver- und gefälschte Teile sowie Glaubenskriege und Tabus erschwert wird. Besonders faszinierend ist die bislang hierzulande kaum bekannte Geschichte von Kennedys letzter Freundin - einer Frau, die Weltgeschichte schreiben wollte. TELEPOLIS durfte das Manuskript des am 27. August erscheinenden Buchs exklusiv vorab lesen.
Den vormalige TAZ-Redakteur, ZEIT-Kolumnisten und Wissenschaftsjournalisten Mathias Bröckers beschäftigt der Kennedymord, seit er als Kind seine Mutter am 22.11.1963 das erste mal weinen sah. Eine ganze Generation an Menschen, für die Kennedy nach der Kubakrise wichtigster Hoffnungsträger war, wurde traumatisiert. In "JFK - Staatsstreich in Amerika" fasst Bröckers den Stand der Forschung zusammen, der ein immer klareres Bild der Zusammenhänge zulässt. Zwar kann heute kein Autor eine "Smoking Gun" präsentieren, was nach einem halben Jahrhundert und dem Verlust an Beweismitteln und Zeugen auch verwunderlich wäre. Noch immer ist die Position 1 der 2007 freigegebenen CIA-Familienjuwelen geschwärzt, wo mit einiger Sicherheit der Mord am Präsidenten thematisiert wird. Doch die Spuren und Motive der Täter und erst recht die der eifrigen Vertuscher lassen sich nicht ignorieren.
Bröckers gelingt es, den komplexen Stoff anschaulich zu verdichten. In einem einführenden Teil über die damalige Schattengeschichte der USA zeichnet er in gedrängter Form jeweils die wesentliche Geschichte der amerikanischen Mafia, der CIA, des Kennedy-Clans, der kubanischen Revolution, der fehlgeschlagenen Invasion in der Schweinebucht und der Kubakrise nach - unerlässlich, um Interessenlage und Mentalität derjenigen zu verstehen, die Kennedy sogar offen den Tod wünschten. Auch bei der Schilderung des eigentlichen Attentats und der eigenartig verlaufenden Ermittlungen erwähnt Bröckers praktisch alle relevanten Details, ohne sich jedoch in Einzelheiten zu verlieren. Ein dritter Teil analysiert die umfangreiche Vertuschung des Königsmords, mit der sich die Täter mehr oder weniger selbst verrieten. In einem letzten Teil zieht Bröckers Parallelen zu den weiteren Attentaten auf Robert Kennedy und Martin Luther King, die im Ergebnis ebenfalls dem Erhalt des damaligen weißen Establishments und der Fortführung militanter US-Außenpolitik dienten.
Zwar streift der Autor in gebotener Kürze auch bekannte Thesen zum Kennedy-Mord, führt jedoch seine Leser unaufdringlich zur gleichen Schlussfolgerung, die Mark Lane, Oliver Stone, Peter Dale Scott und etliche andere Autoren vertreten: Die Schüsse waren nicht solche eines dem Kommunismus verfallenen Ex-Marinegeheimdienstlers, sondern ein Staatsstreich von Rechts, wie sie damals die CIA im Ausland zu inszenieren pflegte. Zum Mord am Präsidenten hatten das Pentagon und CIA-Gestalten, die mit den Kennedys einen nahezu offenen Krieg führten, allen Anlass. So hatte Kennedy in seiner berühmten Rede vom 10. Juni 1963 an der American University nichts weniger als das Ende des Kalten Kriegs angekündigt und damit die Existenzberechtigung dessen infrage gestellt, was bereits Vorgänger Eisenhower als militärisch-industriellen Komplex kritisierte. Der jedoch ist auch ein halbes Jahrhundert ungebrochen im todsicheren Geschäft.
Etliche der von Bröckers gelieferten Puzzleteile dürften jedenfalls dem deutschen Publikum neu sein. Etwa die Warnung des in Frankreich stationierten Armee-Kryptographen Eugene B. Dinkin, der Anfang November 1963 über zwei abgefangene verschlüsselte NSA-Botschaften berichtete, in denen es um einen Mordplan am Präsidenten ging. Dinkin brachten seine Hinweise einen Aufenthalt in der Psychiatrie ein, bis er nach Androhung von Elektroschocks seiner "Irrlehere" abschwor. Wem die scheinbar amateurhaften Experimente des ohnehin denkbar skurrilen David Ferrie mit krebskranken Mäusen, die auch im JFK-Film aufgegriffen werden, schon immer seltsam unschlüssig vorkamen, findet nun eine überzeugende, allerdings beunruhigende Erklärung für diese durchaus nicht unwesentliche Randnotiz.
Ein von Bröckers praktisch erstmals dem deutschen Publikum präsentiertes Puzzlestück wurde in seiner ganzen Tragweite erst in den letzten Jahren bekannt und fügt gleich mehrere lose Fäden der rätselhaften Geschichte zusammen. So war Kennedys bemerkenswerteste Liebschaft nicht etwa Marilyn Monroe, sondern Mary Meyer, eine ungewöhnliche Frau, die Kennedy veränderte und Weltgeschichte zu schreiben versuchte - was sie offenbar auch tat.
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