"Das Böseste der Menschheit"

Nach den Anschlägen im Irak sucht man den Mastermind

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Der muslimische Kalender wird im Irak zu einem Ablauf immer grauenvollerer Tragödien: als der Ramadan bevorstand, befürchtete man Anschläge. Sie blieben nicht aus. Diesmal ist es der heilige Monat Muharam, dessen Feierlichkeiten am gestrigen Aschura-Tag ihren Höhepunkt hatten, und die schlimmsten Ängste vor einem Terroranschlag wurden wieder bestätigt. Die Bombenanschläge auf heilige Stätten in Bagdad und Kerbela haben den Feiertag zum blutigsten Tag seit Kriegsende gemacht.

Bislang kennt man die genaue Zahl der Toten nicht, die Schätzungen schwanken zwischen 182 und 150. Über vierhundert Menschen wurden bei den gestrigen Bombenanschlägen verletzt. In Bagdad und Kerbela ist man noch immer damit beschäftigt, die verstreuten Körperteile den Leichen zuzuordnen.

Der "Aschura-Tag" sei in seiner religiösen Bedeutung für die Schiiten mit dem christlichen Karfreitag vergleichbar, schreibt Juan Cole, ein fachkundiger Kommentator der Geschehnisse im Irak.

Und Kerbela und Kasimiiah (in Bagdad, wo sich die Grabstätte des siebten Imams und seines Enkels befindet. Ort einer der gestrigen Bombenanschläge. Anm.d. V.) sind für sie wie Rom und Jerusalem. Man kann sich die psychologische Wirkung nur vorstellen, wenn man daran denkt, wie es wäre, wenn ein Laster voller Sprengstoff im Vatikan explodiert.

Entsprechend groß ist das Entsetzen und die Wut der Schiiten. Die Schuld an der Katastrophe, welche die Gefahr eines Bürgerkriegs heraufbeschwört, wird den amerikanischen Besatzern zugeschoben, die nicht für genügend Sicherheit gesorgt hätten, vor allem an den Grenzübergängen, so der mächtigste Schiitenführer Ali Sistani.

Was Sistani hier suggeriert, ist eine Spur, die auch von offizieller amerikanischer Seite ins Spiel gebracht wird: der Mastermind der gestrigen Anschläge könnte ein Ausländer sein, der gebürtige Jordanier Abu Musab az-Zarkawi (aka Ahmad Fadil Al-Khalailah).

Ende Januar wurde von den Amerikanern eine CD im Irak gefunden. Inhalt: ein Strategiepapier, in dem zu Terroranschlägen im Irak aufgerufen wird, die einen Bürgerkrieg auslösen sollen. Treffen soll es nicht nur die Amerikaner, sondern die allernächsten Feinde, die Schiiten.

...Schiiten, die bösesten der Menschheit. (Sie sind) das unüberwindliche Hindernis, die heimliche Schlange, der schlaue und bösartige Skorpion, der spionierende Feind, das Gift, das überall eindringt. Wir beginnen einen Krieg an zwei Fronten...einen gegen einen Feind, der das Gewand eines Freundes trägt..

Vieles deutet darauf hin, dass Zarkawi der Autor der Hetzschrift ist. Für die Neokonservativen in der amerikanischen Regierung gilt das Papier als ein weiterer Beweis für die Beteiligung von al-Qaida am irakischen Terror gegen die USA. Doch ganz so eindeutig ist die Sache nicht. Die Verbindung von Zarkawi zur Qaida, ist genauso mysteriös wie die Organisation selbst. Sollte er der Autor des Papiers sein, so sucht er in dem Schreiben nach Kontakt zu al Qaida, was ja nicht nötig wäre, wenn er die unterstellten guten Beziehungen zu ihr hätte.

Vielleicht aber bringen die Selbstmordattentäter, die gestern von ihrer Tat abgehalten werden konnten und festgenommen wurden, Genaueres ans Licht.