Das Brexit-Bashing bei Linken und Liberalen geht weiter
Seite 3: Europa ist am Ende
Genau so ist es mit der Haltung einer emanzipatorischen zur real-existierenden "Deutsch-EU". Genau die sollte immer so benannt werden, wenn gerade deren Befürworter von der EU oder von Europa reden und den Gegnern unterstellen, sie wären ja gegen ein transnationales Bündnis und für die Wiederherstellung von Nationalstaaten.
Nein, es geht gegen diese "Deutsch-EU", wie sie hier und heute existiert, vielen Menschen Rechte und Chancen nimmt, und in Deutschland eine Schicht von Gewinnern und Nutznießern hat entstehen lassen, die natürlich genau diese Privilegien verteidigen. Dazu gehört ein Großteil dr Grünen, aber auch ehemalige Aktivisten und Funktionäre von zivilgesellschaftlichen Organisationen, die von "Deutsch-Europa" kooptiert wurden.
Für sie ist eine Infragestellung der "Deutsch-EU" gleichbedeutend mit dem, was für die Deutschnationalen jeglicher Couleur der Landesverrat war. Und tatsächlich sind die Parallelen frappierend. In der aktuellen EU sind die deutschen Interessen so dominant, dass eine Infragestellung der EU in ihrer heutigen Form auch eine Infragestellung Deutschlands ist. Daher auch die Vehemenz und die Härte, mit der diese Auseinandersetzung geführt wird, die sich nach dem Brexit noch verschärft hat.
Denn nicht das rechte Nein ist es, was dabei stört, sondern die Tatsache, dass Menschen entscheiden, dieses "Deutsch-Europa" wollen wir nicht mehr, es hat für uns mehrheitlich seine Mythos verloren. Schon 2013 titelte der Spanien-Korrespondent der Taz, Reiner Wandler, "Europa ist am Ende" und hat eigentlich "Deutsch-Europa" gemeint. Ansonsten liefert er genug Argumente für die Antwort auf Frage, ob es links ist, für oder gegen diese EU zu sein.
War einst von Solidarität die Rede, um das Projekt Europa zu verkaufen, ist jetzt klar, dass diejenigen Recht hatten, die die Union als ein Projekt der Märkte geißelten. In guten Zeiten fielen Brosamen für den Süden ab, in schlechten Zeiten zeigt sich klar, wem Europa nützt. Der deutschen Wirtschaft und den deutschen Banken. Sie verdienten und spekulierten in den heutigen Krisenländern fleißig mit. Während ihre Kunden, die Banken und Sparkassen in Südeuropa bankrott gehen, hat die Austeritätspolitik "Made in Germany" die Geldgeber aus Deutschland und Frankreich aus der Schusslinie genommen.
Reiner Wandler
Nein, diese Deutsch-EU muss nach dem Brexit hoffentlich noch einige weitere Niederlagen einstecken, damit sich ein transnationales europäisches Projekt entwickeln kann, das bestimmt nicht von Brüssel und Berlin vorgegeben wird. Wann und wie es sich entwickelt, hängt von der Bereitschaft ab, wie wir uns mit den Kämpfen von Menschen und Bewegungen solidarisieren.
Die Unterstützung der kleinen britischen Lexit-Kampagne bei ihren Bemühungen, nicht den Rechten und Nationalisten in einem Großbritannien ohne EU das Feld zu überlassen, könnte ein Anfang ein. Wenn in Großbritannien oder wo auch immer Streikenden mit Notstandsgesetzten gedroht wird, und es folgt eine solidarische Antwort, wäre das auch ein Baustein für ein solches Europa der Basis, das sich gerade deshalb zu verteidigen lohnt, weil es kein "Deutsch-Europa" ist sondern eine Konsequenz von dessen Scheitern.