Das Ende der US-Hegemonie: Wer profitiert vom Zerfall des US-Dollars?
Die US-Hegemonie bröckelt. Immer mehr Länder setzen auf Entdollarisierung, um Abhängigkeiten zu verringern. Wer wird dabei gewinnen, wer verlieren? (Teil 1)
Lesen Sie auch
Dedollarisierung: Der langsame Abschied vom Greenback
Front gegen den US-Dollar: Wie der Osten den Westen entmachtet
De-Dollarisierung als Zukunftsvision: Brics-Staaten auf der Suche nach alternativem Finanzsystem
Angst vor Entdollarisierung: US-Finanzministerin Yellen schlägt Alarm
US-Dollar und Überschuldung: Jetzt suchen selbst die USA nach Alternativen zum US-Dollar
Die Hegemonie des US-Dollars ist seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Eckpfeiler der Weltwirtschaftsordnung. In den letzten Jahrzehnten hat sich jedoch die Entdollarisierung als Schlüsselstrategie für viele Länder erwiesen, die ihre Abhängigkeit vom US-Dollar verringern und ein ausgewogeneres und gerechteres internationales Finanzsystem schaffen wollen.
In diesem Beitrag wird die Entdollarisierung aus einer globalen Perspektive analysiert, wobei die Rolle der verbleibenden Regierungen in diesem Prozess sowie die damit verbundenen Herausforderungen und Chancen hervorgehoben werden.
Historischer Kontext und US-Dollar-Hegemonie
Die Hegemonie des US-Dollars wurde durch das Bretton-Woods-System gefestigt, das den US-Dollar zur wichtigsten internationalen Reservewährung machte. Aus marxistischer Sicht ist die Dollar-Hegemonie ein Instrument der Ausbeutung und Kontrolle, eine Form der wirtschaftlichen und politischen Vorherrschaft der USA, die die weltweite Kapitalakkumulation erleichtert.
Das Ende des Kalten Krieges markiert den Beginn einer unipolaren, von den USA dominierten Ordnung, in der der US-Dollar eine zentrale Rolle in der Geowirtschaft und Geopolitik spielt.
Die Dominanz des US-Dollars ermöglichte es den USA zudem, wirtschaftliche Sanktionen zu verhängen und politischen Druck auszuüben, um ihre globale Hegemonie aufrechtzuerhalten.
Entdollarisierung und Ringen um eine neue Weltordnung
Die Entdollarisierung ist ein Versuch, diese Dominanz zu brechen. Länder wie China und Russland fördern die Verwendung ihrer eigenen Währungen im internationalen Handel, um ihre Autonomie zu stärken und ihre Anfälligkeit für US-Sanktionen zu verringern.
Das Entstehen von Wirtschaftsblöcken und -bündnissen wie den BRICS ist Ausdruck des Strebens nach einer neuen Weltordnung, in der Multipolarität und Währungsdiversifizierung zu einem gerechteren Finanzsystem führen könnten.
Auswirkungen der Entdollarisierung in Lateinamerika
Die Länder Lateinamerikas und der Karibik sind in ihren internationalen Transaktionen und Reserven seit jeher vom US-Dollar abhängig. Diese Abhängigkeit war eine Quelle wirtschaftlicher Verwundbarkeit, insbesondere gegenüber Dollarschwankungen und der US-Geldpolitik.
Lesen Sie auch
In den vergangenen Jahren wurden Anstrengungen unternommen, um eine in höherem Maße eigenständige regionale Finanzarchitektur zu schaffen. Beispiele hierfür sind die Bank des Südens und das Einheitliche Regionale Zahlungsausgleichssystem (Sucre), die darauf abzielen, die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern und die regionale wirtschaftliche Zusammenarbeit zu stärken.
Ökonomische und politische Dominanz der USA
Die Hegemonie des Dollars hat es den USA ermöglicht, eine wirtschaftliche und politische Dominanz über die Länder Lateinamerikas auszuüben. Diese Dominanz drückt sich in einer Reihe von Strategien aus:
1. Militärische und politische Intervention: Im Laufe des 20. Jahrhunderts haben die USA in mehreren lateinamerikanischen Ländern militärisch interveniert, um ihre wirtschaftlichen und politischen Interessen zu schützen. Beispiele sind die Interventionen in Guatemala 1954 und in Chile 1973, wo demokratisch gewählte Regierungen mit Unterstützung der USA gestürzt wurden.
2. Wirtschaftliche Sanktionen: Die USA verhängen Wirtschaftssanktionen gegen Länder, die ihre Hegemonie infrage stellen, wie Kuba und Venezuela. Ziel dieser Sanktionen ist es, diese Länder wirtschaftlich zu isolieren und innenpolitische Veränderungen zu erzwingen.
3. Dollar-Diplomatie: Die als Dollar-Diplomatie bekannte Politik wurde eingesetzt, um wirtschaftliche und politische Positionen in Lateinamerika zu erlangen. Dazu gehören die Kontrolle über natürliche Ressourcen und der Aufbau strategischer Industrien, etwa wie der Panamakanal.
4. Finanzielle Manipulation: Die USA haben ihren Einfluss in internationalen Finanzinstitutionen wie dem IWF und der Weltbank genutzt, um eine neoliberale Wirtschaftspolitik in der Region durchzusetzen. Diese Politik führte häufig zu Sparmaßnahmen und Privatisierungen, von denen US-Konzerne auf Kosten der lokalen Wirtschaft profitierten.
Widerstand und soziale Bewegungen
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier ein externer Podcast (Podigee GmbH) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Podigee GmbH) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Der Widerstand gegen die Dollar-Hegemonie und die wirtschaftliche Dominanz der USA ist eine Konstante in der Geschichte Lateinamerikas. Soziale Bewegungen und progressive Regierungen haben dabei eine entscheidende Rolle gespielt:
1. Die Bolivarische Bewegung: Inspiriert von den Ideen Simon Bolivars war die Bolivarische Bewegung, angeführt von Hugo Chávez in Venezuela, eine Bastion des Widerstands gegen die US-Hegemonie. Chávez setzte sich für regionale Integration und die Schaffung von Institutionen wie Alba (Bolivarianische Allianz für die Völker unseres Amerikas) ein, um dem Einfluss der USA entgegenzuwirken.
2. Die Zapatisten in Mexiko: Die Zapatistische Armee der Nationalen Befreiung (EZLN) in Mexiko ist ein Symbol des Widerstands gegen Neoliberalismus und wirtschaftliche Vorherrschaft. Seit ihrem Aufstand 1994 kämpfen die Zapatisten für indigene Autonomie und gegen die Politik des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (Nafta).
3. Indigene Bewegungen in Bolivien: In Bolivien stehen die indigenen Bewegungen im Zentrum des Widerstands gegen wirtschaftliche und politische Dominanz. Die Wahl von Evo Morales, dem ersten indigenen Präsidenten des Landes, war ein Meilenstein im Kampf um wirtschaftliche Souveränität und Entdollarisierung.
4. Der historische Kampf des kubanischen Volkes: In diesem Zusammenhang kann man nicht umhin, den historischen Kampf des kubanischen Volkes und seinen ständigen Kampf zur Überwindung der ungerechten, unmenschlichen und grausamen Blockade des US-Imperialismus zu erwähnen.
Gewinner und Verlierer der De-Dollarisierung.
Die Gewinner:
1. Entwicklungsländer: Die Entdollarisierung kann die lokalen Währungen stärken und die währungspolitische Unabhängigkeit erhöhen, was die Anfälligkeit für Dollarschwankungen und US-Wirtschaftssanktionen verringert.
2. Schwellenländer: Länder wie China und Russland, die ihre Abhängigkeit vom US-Dollar verringern wollen, können von einer stärkeren Verwendung ihrer eigenen Währungen im internationalen Handel profitieren.
3. Soziale Bewegungen und progressive Regierungen: Die Entdollarisierung kann soziale Bewegungen und progressive Regierungen stärken, die mehr wirtschaftliche Autonomie und soziale Gerechtigkeit anstreben.
Verlierer:
1. Die Vereinigten Staaten: Der Verlust der Hegemonie des US-Dollars könnte die US-Wirtschaft schwächen, ihre Fähigkeit, Sanktionen zu verhängen, verringern und ihren geopolitischen Einfluss schmälern.
2. Multinationale Unternehmen: Unternehmen, die bei internationalen Transaktionen auf den US-Dollar angewiesen sind, könnten in einer Welt mit mehreren Reservewährungen mit höheren Kosten und größerer Volatilität konfrontiert sein.
3. Globale Finanzmärkte: Der Übergang zu einem multipolaren Finanzsystem könnte kurzfristig zu Instabilität und Volatilität auf den globalen Finanzmärkten führen.
Eine neue, ausgeglichenere Weltordnung
Die Entdollarisierung könnte zu einer ausgewogeneren und multipolaren Weltordnung führen, in der mehrere Währungen um den Status einer internationalen Reservewährung konkurrieren. Diese neue Ordnung könnte folgende Merkmale aufweisen
1. Diversifizierung der Reservewährungen: Ein internationales Finanzsystem, in dem mehrere Währungen, wie der Euro, der Yuan und der Rubel, mit dem US-Dollar als Reservewährung konkurrieren.
2. Größere wirtschaftliche Autonomie: Die Länder hätten mehr Kontrolle über ihre Geld- und Wirtschaftspolitik und würden den Einfluss der USA und der vom Westen dominierten internationalen Finanzinstitutionen zurückdrängen.
3. Regionale Kooperation: Die regionale wirtschaftliche Integration und Kooperation zwischen den Schwellenländern könnte gestärkt werden, was eine gerechtere und nachhaltigere Entwicklung fördern würde.
4. Geringere globale Volatilität: Langfristig könnte ein multipolares Finanzsystem die globale Volatilität verringern, indem es finanzielle Risiken auf mehrere Währungen und Volkswirtschaften verteilt, anstatt sie auf eine dominierende Währung zu konzentrieren.
Dies könnte weltweit zu mehr wirtschaftlicher und finanzieller Stabilität führen und die Wahrscheinlichkeit schwerer globaler Finanzkrisen, wie wir sie unter der Vorherrschaft des US-Dollars erlebt haben, verringern.
Chinas Rolle im globalen Prozess der Dollarentwöhnung
China spielt eine entscheidende Rolle im Prozess der globalen Entdollarisierung, indem es verschiedene Initiativen vorantreibt, um seine Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern und die Verwendung seiner eigenen Währung, des Renminbis (RMB), im internationalen Handel zu fördern. Im Folgenden werden einige wichtige Punkte zu Chinas Rolle bei der Entdollarisierung aufgeführt:
1. Verstärkte Verwendung des Renminbis: China hat die Verwendung des RMB in seinen internationalen Transaktionen deutlich erhöht. Im Jahr 2023 überholte der RMB zum ersten Mal den US-Dollar in Chinas grenzüberschreitenden Transaktionen. Im März 2024 wurden mehr als 52,9 Prozent der chinesischen Zahlungen in RMB getätigt, während 42,8 Prozent in US-Dollar abgewickelt wurden.
Lesen Sie auch
Dedollarisierung: Der langsame Abschied vom Greenback
Front gegen den US-Dollar: Wie der Osten den Westen entmachtet
De-Dollarisierung als Zukunftsvision: Brics-Staaten auf der Suche nach alternativem Finanzsystem
Angst vor Entdollarisierung: US-Finanzministerin Yellen schlägt Alarm
US-Dollar und Überschuldung: Jetzt suchen selbst die USA nach Alternativen zum US-Dollar
2. Währungsabkommen: China hat zahlreiche Währungs-Swap-Abkommen mit anderen Ländern abgeschlossen, die es diesen Ländern ermöglichen, Geschäfte in RMB statt in Dollar abzuwickeln. Diese Abkommen tragen dazu bei, die Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern und die Verwendung des RMB im internationalen Handel zu fördern.
3. Globale Clearingstellen: China hat globale Clearingstellen für RMB-Transaktionen eingerichtet. Diese Zentren erleichtern die Verwendung des RMB im internationalen Handel und erhöhen seine weltweite Akzeptanz.
4. Multilaterale Initiativen: China ist ein wichtiger Akteur in Gruppen wie den BRICS-Staaten und der Shanghai Cooperation Organisation, die sich für eine Entdollarisierung und die Schaffung eines multipolaren Finanzsystems einsetzen. Diese Initiativen zielen darauf ab, die Vorherrschaft des US-Dollars zu verringern und eine ausgewogenere Verwendung mehrerer Währungen im internationalen Handel zu fördern.
5. Belt and Road Initiative (BRI): Durch die Belt and Road Initiative fördert China die Verwendung des RMB in Infrastruktur- und Handelsprojekten in den teilnehmenden Ländern. Dies stärkt nicht nur die Position des RMB, sondern verringert auch die Bedeutung des US-Dollars in diesen Regionen.
6. Widerstand gegen US-Sanktionen: Die Entdollarisierung wird auch als Strategie gesehen, um die Verwundbarkeit gegenüber US-Wirtschaftssanktionen zu verringern. Durch die Förderung der Verwendung des RMB können China und seine Handelspartner die Auswirkungen dollarbasierter Sanktionen abmildern.
Lesen Sie morgen in Teil 2: China treibt die Entdollarisierung voran, um ein ausgewogeneres globales Finanzsystem zu schaffen, während mehrere Länder, darunter Russland, Brasilien, Indien und die Türkei, Maßnahmen ergreifen, um ihre Abhängigkeit vom US-Dollar zu verringern und den internationalen Handel mit lokalen Währungen zu fördern. Der Russland-Ukraine-Krieg hat diesen Prozess beschleunigt, da Wirtschaftssanktionen und die Neuausrichtung von Allianzen zu einer stärkeren Nutzung alternativer Währungen führen, was die Entstehung eines multipolaren Finanzsystems begünstigt.
Leonel Búcaro, ist Mitglied der FMLN, ehemaliger Präsident der Europäisch-Lateinamerikanischen Versammlung (Eurolat) und ehemaliger Präsident des Zentralamerikanischen Parlaments. Dieser Text erschien zuerst auf Spanisch bei rebelion.org