Das Experiment: Griechenland probt den Tourismus

Wie schön ist Rhodos, wenn man das Hotelgelände nicht verlassen darf? Foto: Bultro / CC BY-SA 3.0

Trotz überlasteter Krankenhäuser und inländischer Reiseverbote für Einheimische will das Land wegen der Pandemie nicht auf die Einnahmequelle verzichten

Seit Montag können Touristen aus der Europäischen Union, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Serbien und Israel ohne jegliche Quarantäneverpflichtung nach Griechenland einreisen. Einzige Voraussetzung ist ein negativer Corona-Test vor der Abreise aus dem Heimatland, zusätzlich zu einem negativen Schnelltest bei der Ankunft oder alternativ einem Beleg für die Impfung gegen Covid-19. Zwei Grenzübergänge nach Bulgarien - Promachonas und Nymfaia - wurden für die Einreise von Touristen per Auto ebenfalls geöffnet.

Damit startet der Tourismus im Land vor der offiziellen Eröffnung der Saison am 14. Mai. Vorangegangen war ein Experiment mit 188 niederländischen Touristen. Diese wurden nach entsprechenden Tests nach Rhodos eingeflogen und durften in einer Art Bubble, mit Kontakt untereinander aber ohne Zugang zum übrigen Land, in ihrem Hotel eine Art Urlaub erleben. Nach Abreise der Testpersonen stand fest, dass das Experiment hinsichtlich der Infektionslage durchaus kontrollierbar war. Eine Person musste in Quarantäne, weil ihr Lebenspartner in den Niederlanden einen positiven Befund erhalten hatte.

Vier weitere Personen wurden kurzfristig positiv getestet, konnten aber, ebenso wie die vier betroffenen direkten Kontakte, nach einem negativen Überprüfungstest aus der Quarantäne entlassen werden. Der Urlaub im Hotel auf Rhodos fand außerhalb der Zimmer der Touristen unter ständiger Beobachtung des Personals statt. Selbst der Gang zum Buffet war nur mit Aufsicht möglich. Inwieweit dies als erholsamer Aufenthalt empfunden werden kann, muss jeder für sich selbst entscheiden. Ob die zunächst positiven Testergebnisse, die sich bei erneuten Tests als falsch erwiesen, nicht doch noch zu späteren positiven Ergebnissen führen, blieb abzuwarten. Dass die zwischenzeitlich isolierten acht Urlaubswilligen wegen der Tests stressige Stunden erleben mussten, steht dagegen fest.

Zum Tourismuskonzept der Griechen zählt auch die Durchimpfung der kompletten Bevölkerung von kleineren Inseln. Auf Inseln mit weniger als 10.000 Einwohnern gibt es keine Altersklassen für die Impfreihenfolge. Hier sollen alle möglichst schnell geimpft werden, damit die jeweilige Insel als "Covid-free Island" touristisch vermarktet werden kann.

Frustration in der Bevölkerung

Parallel zur Nachricht über die Öffnung der Grenzen für Urlauber erfuhren die Einheimischen, dass sie selbst auch über die griechisch-orthodoxen Ostertage Anfang Mai nicht reisen dürfen. Weiterhin können sie sich nicht frei im Land bewegen. Begründet wird dies mit den Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Pandemie. Verärgert ist darüber auch die Kirche, denn die Gotteshäuser sollen ebenfalls weitgehend geschlossen bleiben.

Die "dritte Welle" ist auch in Griechenland in vollem Gang. Die Krankenhäuser sind überlastet. Es gibt zahlreiche Covid-19-Patienten, die außerhalb von Intensivstationen intubiert werden. Dazu kommen Patienten, die nicht wegen Covid-19 im Krankenhaus liegen, aber durchaus wegen der Pandemie sterben müssen. Die griechische Presse berichtet von einem 70-jährigen Mann, der mit eines Herzinfarkts ins Krankenhaus musste. Dort fand sich aber kein Intensivbett für ihn.

Der Mann kam auf eine Warteliste. Seinem Sohn wurde zunächst mitgeteilt, dass er am zweiten Tag nach der Diagnose auf Position 40 wäre. Zwei Tage später kam die Benachrichtigung, dass nun 50 Patienten vor dem Unglücklichen an der Reihe wären. Den Angehörigen wurde geraten, doch einen Minister der Regierung anzurufen, um einen Behandlungsplatz für den Herzpatienten zu finden. Er verstarb letzendlich, bevor er auf eine Intensivstation verlegt werden konnte. Die Ärzte zogen es vor, jüngere Patienten mit besseren Überlebenschancen zu behandeln. Allgemein wird diese Vorgehensweise Triage genannt.

"Drama in Drama" titelt die Zeitung Efymerida ton Syntakton. Im nordgriechischen Drama müssen die Krankenhausärzte improvisieren. Offiziell haben sie weder die Ausrüstung, noch das Personal, um Covid-19-Patienten zu behandeln. Allerdings lehnen die für diese Versorgung eigentlich zuständigen Nachbarkrankenhäuser aus den anderen Bezirken die Aufnahme von Patienten wegen Überlastung ab.

Der geballte Widerspruch, der sich in so einer Nachrichtenlage bündelt, bleibt nicht ohne Reaktion. In den größeren Städten des Landes versammeln sich jede Nacht überwiegend jüngere Menschen auf öffentlichen Plätzen. Sie trotzen den Ausgangssperren und feiern, Abstandsregeln missachtend mit Alkohol und Musik. Die Aufrufe zu solchen "Corona-Parties" erfolgen über Gruppen in "sozialen Netzwerken". Zwar vermutet die Regierung hinter den Versammlungen eine Organisation, kann diese aber noch nicht namentlich benennen.

Noch scheint es sich bei den "Corona-Parties" um spontane Versammlungen frustrierter Jugendlicher ohne politischen Hintergrund zu handeln. Jedoch finden im Netz Diskussionen statt, ob nicht die eine oder andere Oppositionspartei die chaotischen Zustände ausnutzen könnte. Noch gibt sich die Polizei, die in den Monaten zuvor durch überzogen brutales Vorgehen gegen tatsächliche oder nur mutmaßliche Verstöße gegen die Pandemieregeln vorging, machtlos.

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