Das Gestalten von Formen mit Hilfe von Schallwellen
Eine neue Methode könnte ideal für Materialbearbeitung im Weltall geeignet sein
In der neuen Ausgabe des New Scientist wird über "Acoustic Shaping" berichtet, das Gestalten von Formen mit Hilfe von Schallwellen.
Ursprünglich suchten die Studenten vom Georgia Institute of Technologie nur nach einem geeigneten Experiment, das sie an Bord der KC-135 bringen würde. Die Nasa stellt einmal im Jahr Flüge für Experimente bereit, die während des Fluges nahezu in Schwerelosigkeit durchgeführt werden können.
Die Studenten hatten sich schon lange erträumt, an einem der Dreistundenflüge teilzunehmen, in denen die Maschine 40 bis 60 der parabelförmigen Bögen fliegt, an deren Kulminationspunkt in fast 10 000 Meter Höhe und dem anschließenden Sturzflug nach unten jeweils etwa 25 Sekunden Schwerelosigkeit erzeugt werden. Was hinlänglich erklären dürfte, warum das Flugzeug den Spitznamen "Vomit Comet" (Kotz-Komet) trägt.
Die Studenten stießen bei ihrer Suche nach einem geeigneten Versuch auf ein Projekt, das vorsah, mit Hilfe von Klangwellen eine kleine Menge Partikel innerhalb eines Raumes anzuheben. Dieses "akustische Schweben" ("acoustic levitation") ist möglich durch die Art, wie sich Schallwellen in einem geschlossenen Raum verhalten: Die Wellen bewegen sich in Richtung einer Wand, prallen von dort ab und kommen wieder zurück. Diese zurückkommenden Wellen überlappen sich mit den ihnen nachfolgenden, und wenn der Raum passend "getuned" ist - das heißt, seine Länge zur Wellenlänge der Frequenz passt - synchronisieren sich die ankommenden und auslaufenden zu einer "stehenden Welle". So entstehen Bereiche, in denen es besonders laut ist, aber vor allem auch solche, Knoten genannte Bereiche, in denen Stille herrscht. Alles, was in einen solchen Knoten gerät, kann sich nicht ohne weiteres wegbewegen, da der Luftdruck an allen ihn umgebenden Punkten höher ist. In der Schwerelosigkeit führt das dazu, dass ein einzelner Partikel an einem bestimmten Platz verharrt.
Zusammen mit Narayanan Komerath, dem Fakultätsratgeber und Professor für technische Raumfahrt an der Georgia Tech, dachte das Team darüber nach, dieses theoretische Experiment auszubauen: Was wäre, wenn man nicht mehr nur einzelne Punkte isolieren würde? Die Gruppe arbeitete eine Methode aus, mit der man bei einer bestimmten Frequenz eine ganze Fläche dieser Knoten erzeugen kann.
Laut Komerath ist es sogar überraschend leicht; um die richtige Frequenz für einen bestimmten Raum auszuwählen, braucht es nur die simple Mathematik der Helmholtz-Gleichung. Komerath realisierte, dass diese Methode dazu geeignet sein könnte, feste Objekte zu erstellen, und die Idee des "Akustischen Formens" war geboren.
Fortschritte dieser Art könnten in der Raumfahrtindustrie zu rentablen Methoden führen, Teile und ganze Ausrüstungen vollständig im All herzustellen.
Narayanan Komerath
Dabei hatte im Labor das Experiment zunächst nicht viel versprechend angefangen. Komeraths Studenten nahmen einen Plastikbehälter, befestigten den Lautsprecher einer Stereoanlage an einer Seite, legten den Boden mit Styroporbällen aus und drehten die Lautstärke ganz auf. Die Bälle rührten sich nicht.
Sie versuchten es weiter, wobei mehrere Lautsprecher kaputtgingen, ohne Erfolg. Als die Studenten sich 1997 zu ihrem ersten Flug im Vomit Comet fertigmachten, hatten sie ihren Behälter inzwischen schalldicht gemacht, aber es noch immer nicht geschafft, aus den Bällen eine Form zu gestalten, und alle erklärten ihnen, dass das wohl nie funktionieren würde. An Bord dann, ein paar Sekunden im freien Fall, erhoben sich die Styroporkügelchen und bauten sich über eine Hälfte des Raums entlang auf. "Als sie das gesehen haben, waren sie so aufgeregt, dass sie beinahe vergessen hätten, wie elend sie sich eigentlich fühlen", erinnert sich Komerath.
Dieser Erfolg hat zu inzwischen sieben weiteren der Achterbahn-Flüge geführt, und die Experimente werden weiter ausgebaut. Verschiedenste Materialien wurden ausprobiert und unerwartete Erkenntnisse gewonnen: So eignen sich beispielsweise Rice Krispies besser für die Versuche als Styroporkugeln, weil sie statistische Messungen zulassen. Unterschiedliches Material wie winzige Plastikperlen oder Fertigteigmischung neigt eher dazu, sich gleichmäßig zu verteilen, anstatt beieinander zu bleiben. Was sich zunächst nach keiner großen Erkenntnis anhört, aber später von wesentlicher Bedeutung werden könnte, wenn es darum geht, zusammengesetztes Material zu bearbeiten.
Die Weltraumindustrie, so Komerath, habe aufgehört, Bauprojekte im Weltraum in größerem Umfang weiterzuverfolgen, weil die Kosten für den Transport von Baustoffen und -Teilen in den Orbit unerschwinglich seien. Aber anstatt zu versuchen, diese Art von erdgebundener Arbeitsweise im All fortzuführen, könnte man dort mit "Acoustic Shaping" viel eher bauen, was man braucht:
Indem man die Kosten der Herstellung auf einen Bruchteil der auf der Erde gebauten und maschinell hergestellten Teile reduziert, könnte die Technik des akustischen Formens ein Hilfsmittel für die Entwicklung einer weltraum-basierten Wirtschaft darstellen.
Komerath
Als nächsten Schritt planen die Studenten ein Experiment im All - die Nasa hat ihnen eine kleine Ecke in ihrer Space Shuttle reserviert, die im März 2002 starten wird. Dieses automatisierte Experiment soll dann endlich beweisen, dass mit Sound nicht nur dreidimensionale Formen erschaffen, sondern diese auch robust und haltbar gemacht werden können.