Das Kalb Noah - das erste Klon einer gefährdeten Art

Artenrettung und möglicherweise auch Wiederauferstehung von ausgestorbenen Arten könnte Klonen gesellschaftsfähiger werden lassen

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Klonen kann vielen Zwecken dienen. Bislang ist es noch eine sehr umstrittene Methode, die aber auch bei der Züchtung von Geweben und Organen für die Transplantation verwendet wird. Dieses therapeutische Klonen dürfte irgendwann gang und gäbe sein, während das reproduktive Klonen zumindest vorerst nur bei Tieren ausprobiert wird. Jetzt hat ein Biotech-Unternehmen, das auf die Herstellung von transgenen geklonten Tieren spezialisiert ist und etwa schon fünf Kälber gezüchtet hat, die ein menschliches Gen enthalten, zumindest eine gute PR-Idee gehabt: Klonen als Rettungsmaßnahme für bedrohte - und demnächst auch für ausgestorbene Tierarten.

Jeden Tag sollen hundert Arten aussterben. Das vom Menschen bewirkte Massenaussterben hat die Ausmaße einer globalen Katastrophe, wie sie durch den Einschlag eines großen Asteroiden auf die Erde bewirkt würde und in der Vergangenheit auch schon wurde. Irgendwann, das scheint aus der Perspektive des Lebens tröstlich zu sein, erholt sich das Leben wieder und entsteht möglicherweise sogar noch eine größere Vielfalt an Lebewesen, auch wenn dabei viele Arten irreversibel aussterben. Doch die Menschen glauben nicht an den Tod, sondern setzen auf die Umkehrbarkeit von allem, also auch auf die Wiederauferstehung.

Und wofür früher die Religion zuständig, besorgt jetzt die Wissenschaft. Voller Vertrauen auf den Altruismus künftiger Generationen lassen sich manche Menschen, die es unerträglich finden, dass sie für immer aus dem Leben verschwinden sollen, einfrieren. Als Sendungen aus der Vergangenheit sollen sie dann mit der jetzt noch nicht vorhandenen Technik wieder zum Leben erweckt werden. Zumindest bleibt so die DNA erhalten, die dann zur Wiederauferstehung durch Klonen dienen könnte. Eifrig werden denn jetzt auch bereits parallel zum Massenaussterben die DNA vieler Tier- und Pflanzenarten gesammelt. Was verschwindet, soll dann zunächst einmal nur so nicht mehr vorhanden sein, wie man eine Computerdatei in den Papierkorb steckt, um sie dann bei Bedarf wiederherzustellen. Und was manchen Juristen und einigen Tatverdächtigen möglicherweise Kummer bereitet, so ist die Irreversibilität beim Computer sowieso schon durchlöchert, denn auch gelöschte Dateien lassen in aller Regel wieder herstellen.

Advanced Cell Technology (ACT) also hat es geschafft, dass wahrscheinlich Ende November eine gewöhnliche amerikanische Kuh namens Bessie einen geklonten männlichen Gaur mit dem vielversprechenden Namen Noah zur Welt bringt. Gaur ist eine Rinderart, die es vornehmlich in Indien und Burma gibt und die mit dem Auerochsen verwandt ist. Obgleich auch als Haustier gehalten, ist dieses Dschungelrind als wildlebende Art durch Jagd und Zerstörung seiner Lebensräume bedroht. 36000 Tiere soll es noch geben.

Noah, so kündigen Robert Lanza von ACT sowie Bety Dresse vom Audubon Institute Center for Research of Endangered Species (AICRES) und Philip Damiani, ebenfalls von ACT, in Cloning Noah's Ark (Scientific American. Nov. 2000) an, wird nur das erste von vielen bedrohten Arten sein, die geklont werden sollen. Pläne werden schon geschmiedet für eine Antilope, den Sumatratiger und den Riesenpanda. Und möglicherweise könne man ja auf diese Art, sofern noch geeignete DNA vorhanden ist, auch bereits ausgestorbene Tiere wieder ins Leben rufen. Die Wissenschaftler fordern dazu auf, ein weltweites Netzwerk an Banken für gefrorenes Gewebe von Organismen einzurichten, die dann dazu dienen könnten, ganze Populationen wieder zu schaffen. Auf jeden Fall wäre eine erfolgreiche Geburt von Noah schon deswegen ein Erfolg, weil nicht nur ein Klon durch Einfügung des Zellkerns in eine entkernte Eizelle einer anderen Art entstanden, sondern auch in der fremden Gebärmutter herangewachsen wäre.

Die Wissenschaftler sehen jedenfalls Klonen als eine Möglichkeit an, gefährdete Arten etwa in Zoos zu erhalten und zu vermehren, bis man ihre Lebensräume wieder hergestellt habe. Klonen nämlich führe nicht zu einer Homogenisierung des Erbguts, sondern öffne ganz im Gegenteil die Chance, neue Gene in den Genpool einer Art einzuführen. Die meisten Zoos seien nicht in der Lage, Samen oder Eizellen zu erhalten, die überdies durch Gefrieren auch beschädigt werden können. Klonen mit Zellkernen aus Körperzellen sei da wesentlich einfacher: "Auch wenn wir sagen, dass alles gemacht werden soll, um wilden Arten wegen der unglaublichen Vielfalt des Lebens, das es auf der Erde gibt, zu erhalten, ist in manchen Fällen dieser Kampf bereits verloren oder sieht sein Ausgang düster aus. Die Klontechnik ist kein Allheilmittel, aber sie eröffnet die Möglichkeit, einige Arten zu erhalten, die zu dieser Vielfalt gehören." Und weil man bei gefährdeten Arten nicht das Leben der weiblichen Tiere aufs Spiel setzen will, müsse man die Technik beherrschen, wie man aus Zellen von zwei unterschiedlichen Arten, einen Klon von einer Art herstellen kann.

Neben dem Gaur haben man bereits im AICRES erfolgreich das Embryo einer indischen Wildkatze in die Gebärmutter einer Hauskatze eingebracht, in anderen Fällen dasselbe mit verschiedenen Antilopen-, Schaf - und Reharten gemacht. Natürlich wäre es aufsehenerregend, wenn das Klonen von Riesenpandas gelingen würde. ACT diskutiere bereits mit chinesischen Wissenschaftlern, die eben dies vorhaben, dass man dies gemeinsam mache und dafür einen amerikanischen Schwarzbären verwende. ACT sei bereits dabei, von während der Jagd getöteten Schwarzbären Eizellen zu erhalten.

Wie immer beim Klonen ist die Erfolgswahrscheinlichkeit noch nicht sehr hoch. Es sei, so die Autoren, noch immer eher eine Kunst als eine Wissenschaft. Im Fall von Noah und Bessie begannen die Wissenschaftler mit 692 Hautzellen von einem kürzlich verstorbenen Gaurstier. Dann wurden die Zellkerne mit den entkernten Eizellen von Rindern verschmolzen und in eine Nährschale gegeben. 81 von diesen Eizellen teilten sich oft genug, um die Embryonen in die Gebärmütter von 32 Rindern einzusetzen. Bei acht Kühen nisteten sich die Embryos erfolgreich ein. Zwei Föten wurden zur Untersuchung später wieder entfernt, fünf der Schwangerschaften führten zu Fehlgeburten, Noah ist also der einzige Überlebende.

Demnächst wollen Lanza und seine Kollegen eine spanische Bergziege klonen. Das letzte Exemplar dieser Gattung, ein Weibchen, starb im Januar im Nationalpark Ordesa, weil ein Baum auf sie gefallen ist. Doch Gewebe von ihr wurde sorgfältig eingefroren. In Zusammenarbeit mit spanischen Wissenschaftlern will man als Klons mit Eizellen von gewöhnlichen Ziegen herstellen, wobei die Embryos dann in deren Gebärmüttern eingepflanzt werden. Das Problem freilich ist dann, dass man nur weibliche Ziegen erhält, zur Fortpflanzung wären aber auch Böcke notwendig, von denen man aber kein Gewebe hat.

Das ACT-Team will, wenn es die Genehmigung der spanischen Behörden erhält, in die vorhandenen Zellen der Bucardo-Ziege das männliche Y-Chromosom einer verwandten Art einführen, nachdem ein X-Chromosom entfernt wurde. Damit ließen sich dann, so hoffen die Wissenschaftler, Bucardo-Böcke erzeugen, die dann mit den geklonten Weibchen wieder selbst Nachwuchs bekommen und in die Berge ausgesetzt werden könnten.

Das klingt schon ganz schön gewagt - und wäre auch bereits der erste Schritt auf eine Wiederherstellung von ausgestorbenen Arten. Allerdings dämpfen die Wissenschaftler die mögliche Hoffnung, dass demnächst eine Menge von Jurassic Parks überall auf der Erde entstehen werden. Normalerweise scheitert dies bereits an der Qualität der Gewebefundstücke und der in diesen enthaltenen DNA, die meist zu schlecht ist, um daraus noch einen intakten Zellkern zum Klonen erhalten zu können. So habe beispielsweise das eigentlich gut erhaltene Mammut, das man letztes Jahr gefunden hatte, durch häufiges Einfrieren und wieder Auftauen eine derart löchrige DNA, dass diese nicht zu füllen ist.

Und wer einwendet, dass man das Geld anstatt fürs Klonen lieber für den Naturschutz einsetzen solle, dem sagen die Klonwissenschaftler, dass nicht alle Menschen, die für solche Klonexperimente als Spender auftreten werden, auch Geld für die Erhaltung von Lebensräumen geben würden.

Gleichwohl, Geschäft lässt sich für ACT wohl eher damit machen, Haustiere wie Katzen und Hunde zu klonen. Daran seien "überraschend" viele Tierbesitzer interessiert. Gut könnte das auch für Hunde mit besondern Eigenschaften, also etwa für Blinden- oder Rettungshunde, sein. Zusammen mit der Louisiana State University und dem Audubon Institute hat ACT jedenfalls für das Klonen von Hunden und Katzen die Firma Lazaron BioTechnologies gegründet.