Das Klischee vom bösen Mausklick
ARD-Magazin schießt gegen Tauschbörsen - Werbekunden ziehen sich von Tauschbörse zurück
Werbung und illegale Inhalte - das verträgt sich nicht. Ein Fernsehbericht macht deutlich: Werbekunden können sich nur noch in eng abgegrenzte Bereiche trauen, damit sie nicht mit illegalen und ekelhaften Inhalten in Verbindung gebracht werden.
Mit einem verstörenden Bericht wollte das ARD-Magazin Panorama die Zuschauer über die bösen Seiten des Internets aufklären: Denn online kursieren Snuff Movies, Videos, die reale Morde und Folterungen zeigen. Die Redaktion ließ es aber nicht bei der Aufklärung der Öffentlichkeit: Gezielt sprach sie Werbekunden von Kazaa an, die sich daraufhin von der Tauschbörse distanzierten und ihre Banner zurückzogen.
Es ist schockierend einfach: Ein Mausklick, das passende Suchwort und ein paar Sekunden später sind die Filme aus dem Internet geladen - auf den heimischen Computer.
Das Klischee von dem bösen Mausklick beherrscht die Medien schon länger - bemerkenswert ist die Leichtigkeit, mit die Panorama-Redaktion an das belastende Material kommt. Ein paar Mausklicks mehr und gezielte Suche sind schon notwendig, um sich die menschenverachtenden Bilder anzusehen. Auch wer zufällig auf die Videodateien stößt braucht selbst mit DSL einige Minuten, um sie auf Festplatte zu laden. Aber das kurzlebige Medium Fernsehen hält sich nicht mit solchen Details auf. Und es ist ja auch nicht zu leugnen: im Internet kursieren die Bilder, die wir dort besser nicht hätten.
Aber sie existieren, daran lässt Panorama keinen Zweifel. Zur besten Sendezeit sehen wir einen russischen Soldaten, dessen Kopf mit einem Stiefel am Boden gehalten wird. Verschwommen, vom Bildschirm abgefilmt - echt, wie man uns versichert. "Wir zeigen hier nur einen Ausschnitt - im Original läuft diese Szene weiter". Panorama versorgt die Zuschauer mit weiteren echten Filmen: einem russischen Soldaten werden alle Finger abgeschossen, eine afrikanische Frau verbrennt bei lebendigem Leibe, einem Mann wird der Kopf abgeschlagen. Das Bild friert vor dem entscheidenden Schlag ein. Schließlich ist es noch nicht einmal 22 Uhr - selbst Zwölfjährige sind noch vor dem Fernseher zu finden.
Woher stammen die Bilder? Panorama hat sie von der Tauschbörse Kazaa. Ein Kamerateam sucht den Kazaa-Chef Niklas Zennström in seinem Frankreich-Urlaub auf, um ihn über die Inhalte aufzuklären, die auf seiner Tauschbörse gehandelt werden. Der sagte, was man ohnehin schon wusste. Dass Kazaa nicht für alles verantwortlich sein und dass es überall Missbrauch gibt. Doch er gibt sich offenbar nicht reumütig genug. Also schreitet Panorama zur Stufe Zwei.
"Nach den Panorama-Recherchen sehen sich Werbe-Kunden in ein unschönes und nicht gewolltes Licht gerückt." Kein Wunder. Panorama hat Bildschirmfotos gemacht, auf denen die Firmenlogos direkt neben Folterszenen zu sehen sind. Vor allem die Internet-Werbeagentur Valueclick. fällt aus allen Wolken. Nach einer Pressemitteilung hat die deutsche Niederlassung der Agentur niemals Banner auf Kazaa geschaltet, die Bannercodes sollen gleichsam entführt worden sein. Jede einzelne Seite, auf der die Agentur Werbung schalte, werde ausführlich und laufend auf illegale oder ungewollte Inhalte überprüft. Nur 20 Prozent der Seiten, die sich um Valueclick-Banner bewerben, besteht die Unbedenklichkeitsprüfung. Eine Suchmaschine oder gar eine Tauschbörse komme gar nicht in Frage, erklärt Geschäftsführer Eduard Meisel. Viel zu leicht wird man öffentlich in die Schmuddelecke geschoben. Valueclick will deshalb für ein einwandfreies Werbeumfeld garantieren. Das Beispiel Panorama zeigt, wie nötig das ist.
In welch anrüchige Gesellschaft man über Suchmaschinen kommen kann, hat auch schon das Bundesfamilienministerium erfahren müssen. Die Bild-Zeitung hatte Ministerin Bergmann beschuldigt, Callboys zu vermitteln. Der Grund: auf der Homepage des Ministeriums befand sich ein Link zur Frauen-Suchmaschine PowerCat (Vgl. "Bild" und CDU attackieren Familienministerium). Trotz der Unhaltbarkeit der Vorwürfe knickte das Ministerium schnell ein und entfernte den Link.
Der Panorama-Bericht kann viele Fortsetzungen haben. Praktisch auf jeder Tauschbörse wird man belastendes, illegales und ekelhaftes Material finden: Morpheus, Gnutella, Freenet. Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Sobald diese Tatsache ans Licht der Öffentlichkeit gelangt, distanzieren sich Werbekunden und Geschäftspartner. Filtersysteme können niemals Sicherheit geben, wie man bei Napster sehen konnte. In letzter Konsequenz können auch Suchmaschinen wie Altavista und Google unter Beschuss geraten. Denn es gibt ein grundlegendes Missverständnis: das Internet eignet sich nur zum Verbreiten von Informationen - nicht zum Verhindern.