Das Land, das nicht sein darf

An der Grenze von Moldawien zur Ukraine befindet sich ein Staat, den es eigentlich gar nicht gibt

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Transnistrien wird von keinem anderen Land der Welt anerkannt, besitzt aber eine eigene Währung, führt Wahlen durch - und gilt manchen als der letzte Überrest der Sowjetunion

Die Sowjetunion befand sich gerade in ihrem Zerfallsprozess. Moldawien hatte eben erst seine Unabhängigkeit vom großen Bruder in Moskau erklärt, als ein Teil des jungen Landes 1991 seine Unabhängigkeit erklärte und die Pridnestrowskaja Moldawskaja Respublika (PMR) ausrief. Es folgte ein bewaffneter Konflikt und schlussendlich 1992 ein Waffenstillstand, der bis heute weitgehend anhält. Auf dem Gebiet von Transnistrien, was soviel wie "Jenseits des Flusses Dniestr" heißt, existiert seitdem ein Pseudostaat, der von niemandem anerkannt wird, aber erstaunlich gut funktioniert.

Die in Transnistriens Hauptstadt Tiraspol allgegenwärtigen Symbole der UdSSR haben der Region den Ruf verschafft, der "letzte Überrest der Sowjetunion" zu sein. Das Landeswappen und die Geldstücke und Scheine tragen Hammer und Sichel, vor zahlreichen Regierungsgebäuden in der Hauptstadt Tiraspol ist Lenin in Stein gemeißelt.

Statue im Victory Park. Bild: Hanno Böck

Doch abseits der alt-sowjetischen Folklore ist Tiraspol vor allem erstaunlich wohlhabend. Der Lebensstandard hier liegt deutlich über dem des westlichen Rest-Moldawiens und auch höher als in der östlich gelegenen Ukraine. Transnistrien beherbergt den Großteil der Industrie der ehemaligen Sowjetrepublik Moldawien. Warum es Transnistrien so gut geht, darüber hört man zwei ganz unterschiedliche Geschichten. Aufgrund seiner Isolation sei Transnistrien von Ausverkauf und Privatisierung der UdSSR-Infrastruktur weitgehend verschont geblieben meinen die einen. Andere sprechen davon, dass Transnistrien im großen Stil die Produktion und den Handel mit illegalen Rüstungsgütern betreibt.

Internationale Organisationen halten die Rolle des Waffenhandels allerdings für eher gering. "Belege für die illegale Produktion und den Handel mit Waffen nach und aus Transnistrien wurden in der Vergangenheit übertrieben", heißt es in einem Bericht des South Eastern and Eastern Europe Clearinghouse for the Control of Small Arms and Light Weapons (SEESAC), welches unter dem Dach des UN-Entwicklungsprogramms UNDP den Waffenhandel untersucht hat. Es habe vor 2001 Exporte von Kleinwaffen gegeben, zuverlässige Belege dafür, dass dieser bis heute stattfindet, konnten die UN-Mitarbeiter jedoch nicht finden.

Regierungsgebäude in Tiraspol, im Vordergrund eine Lenin-Büste. Bild: Hanno Böck

Für den Rest der Welt existiert der Kleinstaat nicht. Die EU, die Vereinten Nationen und sämtliche anderen Staaten der Welt betrachten Transnistrien schlicht als einen Teil Moldawiens. Anerkannt wird Transnistrien nur von den abtrünnigen georgischen Republiken Abchasien und Südossetien, sowie von dem auf dem Gebiet von Aserbaidschan liegenden Bergkarabach. Die einzigen Regierungen, die Transinstrien anerkennen, sind alle selbst von der Weltgemeinschaft nicht anerkannt und ebenfalls aus den Zerfallsprozessen der Sowjetunion hervorgegangen.

Eine Sonderrolle spielt Russland. Offiziell erklärt auch Moskau, dass es Transnistrien nicht als eigenen Staat betrachtet. Doch ohne die Unterstützung von Moskau könnte die PMR vermutlich nicht überleben. An den Grenzen sind seit dem Waffenstillstand russische Soldaten postiert - Friedenstruppen nennt Moskau sie. Moldawien spricht von Verletzung seines Territoriums, einen ursprünglich vereinbarten Abzug der Truppen hat Russland nie umgesetzt.

Der transnistrische Rubel. Bild: Hanno Böck

Doch es würde zu kurz greifen, Transnistrien nur als inoffizielles Anhängsel Russlands zu betrachten. Lange Zeit war es erklärtes Ziel der transnistrischen Regierung, das Land langfristig an Russland anzuschließen - was im übrigen schon geografisch nicht ganz einfach wäre, denn die Länder haben keine gemeinsame Grenze, Transnistrien als Teil von Russland wäre eine Exklave.

Doch die Moskautreuen in der PMR mussten 2011 einen Rückschlag verbuchen. Der vom Kreml unterstützte Kandidat Anatoli Kaminski verlor die Präsidentschaftswahl, ebenso wie dessen Amtsvorgänger Igor Smirnov. Der Wahlsieger Jewgeni Schewtschuk vertritt einen Kurs der Unabhängigkeit - sowohl von Russland als auch von Moldawien. Eine Wahl, die natürlich genauso wie die Republik selbst außerhalb Transnistriens niemand anerkennt.

Auf Ex-Präsident Igor Smirnov, der die PMR seit ihrer Gründung führte, lastete immer der Vorwurf, vor allem sein Unternehmen Sheriff zu begünstigen. Sheriff ist in Transnistrien allgegenwärtig - Supermärkte, Tankstellen und das Tiraspoler Stadion tragen den Namen des Konzerns.

Sheriff-Supermarkt. Bild: Hanno Böck

Moldawien strebt langfristig eine Mitgliedschaft in der EU an. Hierfür gilt jedoch der Transnistrien-Konflikt als größtes Hindernis. Die Ukraine, die 2013 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) innehält, will sich um eine Lösung des Konflikts bemühen. Mehrfach tagte schon ein Fünfergremium mit Vertretern von Moldawien, Transnistrien, der Ukraine, Russlands und der OSZE, Vertreter der EU und der USA nahmen als Beobachter teil. Wie eine Lösung aussehen soll, ist allerdings bislang weitgehend unklar.

Sheriff-Tankstelle. Bild: Hanno Böck

Obwohl im Transnistrien-Konflikt nach wie vor nur ein Waffenstillstand gilt, geht kaum jemand davon aus, dass in dem Konflikt noch einmal militärische Außeinandersetzungen folgen. Trotz der nicht-Anerkennung gibt es Kontakte und Bemühungen um Entspannung. So fahren etwa seit 2010 wieder Züge zwischen Moldawien und der Ukraine über transnistrisches Gebiet. Als Gegenleistung hierfür stimmte die transnistrische Regierung zu, dass in den Zügen keine Grenzkontrollen des Pseudostaates stattfinden. Bis dato galt etwa für Reisende der Grenzübertritt als große Hürde, doch inzwischen ist die Einreise per Zug problemlos möglich.