"Das Leben ist nicht 24 und Jack Bauer"
Die YouTube-Debatte der Republikaner-Kandidaten
Fünf Monate nach den Demokraten stellten sich auch die Präsidentschaftskandidaten der Republikanischen Partei einer Debatte, bei welcher der Fernsehsender CNN ihnen ausgewählte Videofragen von YouTube-Nutzern stellte. Die Überraschungssieger hießen Tom Tancredo, Mike Huckabee und Ron Paul.
Überraschend viele Fragen drehten sich um illegale Einwanderer, ein Thema das den republikanischen Wählern offenbar mehr am Herzen liegt als den Kandidaten. Hier konnte der bisher wenig beachtete Tom Tancredo punkten, der seine Kandidatur auf dieses Thema konzentriert und sich freute, dass die YouTube-Frager ihn in seiner harten Haltung häufig noch übertrafen. Klarer Verlierer bei den Einwanderungsfragen war der Mormone Mitt Romney, der enorm viel Geld in den Wahlkampf für die beiden Staaten New Hampshire und Iowa steckte, in denen Anfang des nächsten Jahres die ersten Vorwahlen stattfinden. Kann ein Kandidat in diesen Staaten eine Mehrheit gewinnen, sichert ihm dies mediale Aufmerksamkeit und eine gute Ausgangsposition für die restlichen Vorwahlen, weil viele Wähler sich besser fühlen, wenn sie auf den "Gewinner" setzen.
Romney versuchte, den ehemaligen New Yorker Bürgermeister Rudolph Giuliani in der Einwanderungsfrage als zu nachgiebig hinzustellen und handelte sich von diesem eine Retourkutsche ein, von der er sich möglicherweise nicht mehr erholen wird: Giuliani wies darauf hin, dass Romney ausländische Schwarzarbeiter beschäftigte – ein Vorwurf, den der Mormone nur sehr bedingt entkräften konnte.
Wie erwartet spielte neben Abtreibung, Homosexualität, Steuern und Waffen, auch die Religion an sich eine wichtige Rolle bei den Fragen der republikanischen Wähler. Dabei wurde klar, dass es in den USA nicht nur eine religiöse Rechte gibt, sondern auch eine Tradition, die in der Bürgerrechts- und der Friedensbewegung eine wichtige Rolle spielte, aber seit der Reagan-Koalition von den Medien kaum mehr beachtet wurde.
Ein Grund, warum diese "religiöse Linke" im kommenden Wahlkampf möglicherweise wieder zu mehr Aufmerksamkeit gelangt, könnte im Irakkrieg liegen, aber auch in der durch Gentests (die die fehlerhafte Verurteilung von Todeskandidaten nachwiesen) und durch Studien über die Grausamkeit der Giftspritze neu entfachten Debatte über die Todesstrafe: "Was würde Jesus zur Todesstrafe sagen?" war eine der Fragen mit der die Kandidaten nicht unbedingt gut zurechtkamen.
Andere religiöse Fragen wiederum bestätigten eher Klischees, die man in Europa von amerikanischen Religionisten hat: Ein junger Texaner hielt eine Bibel in die Kamera und fragte: "Glauben Sie jedes Wort in diesem Buch?" Am wenigsten Scheu vor dieser Frage zeigte Mike Huckabee, obwohl auch er auf den allegorischen Charakter mancher Formulierungen verwies.
Während es bisher hieß, die religiöse Rechte hätte bei der nächsten Wahl keinen wirklichen Herzenskandidaten, so dass sich die konservativen Christen zähneknirschend zwischen dem Ehebrecher und Abtreibungsweichling Giuliani und dem sinistren Mormonen Romney entscheiden müssten, scheint Huckabee nicht nur deren Kriterien voll zu erfüllen, sondern auch das Potential für eine mögliche Überraschung zu haben. In manchen Umfragen in Iowa führt er sogar schon die Liste der republikanischen Kandidaten an.
Der ehemalige Prediger glaubt seinen eigenen Angaben zufolge an eine wörtliche Auslegung der Bibel und beantwortete auch sonst alle Fragen wie mit einem von der Christian Coalition geschriebenen Spickzettel. Dabei arbeitete er mit dem Humor einer deutschen Volksmusiksendung und beantwortete beispielsweise eine Frage nach möglichen Expeditionen in den Weltraum damit, dass er Hillary Clinton auf den Mars schießen wolle. Amerikanische Medien spekulieren bereits seit längerem, dass Huckabee möglicherweise Giulianis Vizepräsident werden und so religiöse Rechtswähler binden könnte.
Bei den Fragen zum Irak punktete dagegen eher Ron Paul, der protolibertäre Kriegs- Überwachungs- aber auch Sozialstaatsgegner. John McCain, ein von vielen bereits abgeschriebener Kandidat, wurde dagegen für seine klare Stellungnahme für einen Siegfrieden im Irak von Publikum mit Missfallenskundgebungen bedacht, wirkte aber glaubhaft, als er eine Frage nach der Legitimität des "Waterboarding", bei dem den Befragten das Gefühl des Ertrinkens vorgetäuscht wird, mit einem Verweis auf eine Fernsehserie beantwortete: "Das Leben ist nicht 24 und Jack Bauer".
McCain war während einer fünfjährigen Kriegsgefangenschaft in Vietnam selbst gefoltert worden. Neben seiner Befürwortung des Irakkrieges steht seinem Erfolg auch sein Eintreten für eine Reform der Kampagnenfinanzierung im Wege, die große Unternehmen und Lobbyisten potentiell eines Teils ihres Einflusses auf Politiker berauben würde, weshalb McCain vergleichsweise wenige Spenden erhält.