Das Pestizid-Nord-Süd-Dilemma

Seite 4: Pestizide und Menschenrecht

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Das Recht auf ausreichende Ernährung beinhaltet, dass seine Umsetzung nicht mit der Wahrnehmung anderer Menschenrechte kollidieren darf. Doch das Argument, dass Pestizide erforderlich zur Durchsetzung des Rechts auf Nahrung und der Ernährungssicherheit sind, steht im Widerspruch zum Recht auf Gesundheitsschutz - angesichts der zahlreichen negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, die mit bestimmten Pestiziden verbunden sind, und insbesondere dann, wenn sie in den Herstellerländern deswegen bereits nicht mehr zur Verwendung zugelassen sind.

Unternehmen, deren Entscheidungen "die Würde und die Rechte von Einzelpersonen und Gemeinschaften zutiefst beeinflussen können", haben eine Verantwortung für die Wahrung von Menschenrechten.

Der UN-Bericht konstatiert, dass die auf Staaten ausgerichteten Menschenrechtsinstrumente immer wieder versagen, wenn die Rolle der Wirtschaft bei der Verletzung von Menschenrechten addressiert werden soll. Die Unfähigkeit, nichtstaatliche Akteure anzusprechen, sei besonders problematisch, da die Pestizidindustrie von einigen transnationalen Konzernen dominiert wird, die mit ihrer außergewöhnlichen Macht auch die Gesetzgebungen zur Pestizidregulierung beeinflussen.

Wendepunkt in der Landwirtschaft?

Bemühungen, die Verwendung von Pestiziden zu verbieten und angemessen zu regulieren, werden vom UN-Bericht als notwendiger Schritt in die richtige Richtung angesehen. Die auf lange Sicht effektivste Methode zur Minderung der Exposition gegenüber diesen toxischen Chemikalien sei der Abschied von der industriellen Landwirtschaft.

Der UN-Bericht favorisiert neue Konzepte der Agrarökologie, die eine nachhaltige Landwirtschaft versprechen und Chemikalien durch Biologie ersetzen sollen. Dieser Ansatz betrachtet die Ökologie des gesamten Nahrungsmittelsystems, das ökologische, ökonomische und soziale Dimensionen umfasst. So sollen landwirtschaftliche Praktiken gefördert werden, die an lokale Umgebungen angepasst sind und die biologischen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Pflanzen und anderen Arten fördern, um so eine langfristige Fruchtbarkeit und Boden-Gesundheit sicherzustellen.

Der UN-Bericht zitiert den Generaldirektor der FAO, der einen Wendepunkt in der Landwirtschaft sieht: Das heute bestimmende Agrarmodell ist demnach nicht nur wegen der durch Pestizide verursachten Schäden, sondern auch durch deren Auswirkungen auf den Klimawandel, den Verlust der Biodiversität und die Unfähigkeit, die Ernährungssouveränität zu gewährleisten, sehr problematisch. Diese Fragen sind eng miteinander verknüpft und müssen gemeinsam angegangen werden, um sicherzustellen, dass das Recht auf Nahrung für alle durchgesetzt werden kann.