Das Super-Pubertier

Bild: © Sony Pictures Releasing

"Spiderman Homecoming" zwischen Mädchen ansprechen, Schulproblemen und Vatersuche

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Er ist das Pubertier unter den Superhelden. Spider-Man, der "Spinnenmann", ist eigentlich ein Spinnenjunge. Gerade 14 Jahre alt ist Peter Parker, als er plötzlich merkt, dass sich alles an seinem Körper verändert, dass er Dinge kann, an die vorher nicht mal entfernt zu denken war. Und aus dem pickeligen Jüngelchen wird ein Superheld.

Doch zugleich bleibt Peter einstweilen immer noch ein schüchterner Nerd, der Probleme in der Schule hat und erstmal auch mit Mädchen. Er ist eher ein Superhelden-Fanboy, der alles "toll" ("awesome!") findet. So geht es in diesem Film vor allem um Selbstfindung, eher nebenbei werden Menschen gerettet und Schurken besiegt.

Nach dem Tod seiner Eltern lebt der Hochbegabte bei seiner liebevollen Tante "Aunt Mary", gespielt von Marisa Tomei. Von der Akademie des Milliardärs Tony Stark erhält er ein Stipendium. Comic-Fans wissen, dass Tony Stark im Superheldenleben eigentlich "Iron-Man" heißt und passenderweise auch im Universum des Comic-Konzerns Marvel zuhause ist.

Dieser "Iron-Man" wird für Peter zum dringend benötigten Vaterersatz: "Listen: I know school sucks. I know you wanna save the world. Stay close to the ground. Stay out of trouble. Just don't do anything I would do. And definitely don't do anything, I wouldn't do. There is a little grey area there, and that's where you operate. All right?" Ein toller, sehr witziger und selbstironischer Robert Downey Jr. hat als Iron-Man die schönste Nebenrolle in diesem Film.

Das Super-Pubertier (26 Bilder)

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Überhaupt mag Spiderman Homecoming nicht wahnsinnig aufregend und spannend sein, aber er ist sehr unterhaltsam. Und die Figur ist glaubwürdig. Im Vergleich zu anderen Superhelden- und Fantasy-Filmen gibt es hier wenig Bedeutungsgehubere, wenig Klugscheißerei, wenig Pathos. Nur in den regelmäßig auftauchenden "Captain America"-Videos, die die Lehrer an Peter Parkers High School im Unterricht einsetzen, bietet der Film ironisch gebrochenen Patriotismus und pädagogisch wertvolle salbadernde Lebensweisheiten.

Das "Homecoming" im Titel hat zwei Bedeutungen: Spider-Man kommt wieder zurück nach Amerika, nach Queens, nach der großen Berliner Schlacht im letzten "Marvel Cinematic Universe"-Film "Captain America: Civil War". Vor allem aber kommt er wieder auf den Boden des Normalo-Lebens.

Das Ganze ist allerdings derart Normalo, dass es einen gähnend langweilt: Zwischen Peter Parker und der schönen, unerreichbaren Liz (Laura Harrier) aus dem Schülerwettbewerbsteam, passiert so gar nichts: Noch nicht mal, als er es schafft, sie zur Homecoming-Party zu überreden. Es gibt keinen Kuss, keine Erotik, sondern Disney-Puritanismus-Sauberkeit und ganz offensichtlich ist der Maus-Konzern darauf aus, uns alle, auch die Erwachsenen, mit einem hexenhaften Zauber in kleine, infantile, unerotische sieben Zwerge zu verwandeln. Irgendwann kommt dann heraus, dass der Oberschurke der Vater von Liz ist, aber auch das hat keine Folgen.

Und auch Tony Stark alias Iron Man, der Peter Parker alias Spider-Man als Praktikant beschäftigt, ist von nerdy Spidey gelangweilt. Er findet immer neue Gründe ihn sich räumlich vom Leib zu halten.

Der Film-Bösewicht: Für sozialen Ausgleich

"Spiderman Homecoming" profitiert dafür immerhin ungemein davon einen glaubwürdigen Schurken zu präsentieren. Dieser Gegenspieler "Vulture", also Geier, trägt ein sehr metallenes, sehr fordistisch-analoges Vogelkostüm. Er ist größere Aufmerksamkeit wert als die meisten austauschbaren Film-Bösewichter die immer dasselbe wollen: Die Welt beherrschen. Oder die Welt vernichten. Wie langweilig und infantil.

Dieser hier will etwas anderes, Komplizierteres, Erwachsenes: Er will Gerechtigkeit. Sozialen Ausgleich. Irgendwann ein bisserl Rache. Eigentlich nicht anders, als einst Rio Reiser sang, macht er nur kaputt, was ihn kaputt macht. Und dann wird er von Michael Keaton gespielt. Außerordentlich selbstironisch, wenn man sich erinnert, dass Keaton einst als Batman selbst ein Superheldenkostüm trug, das er dann im Oscargewinnerfilm "Birdman" bereits sehr witzig auf die Schippe nahm.

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Spiderman ist einerseits der romantischste unter den Superhelden der amerikanischen Comic-Universen. Andererseits hat es ganz unromantische Gründe, dass jetzt bereits zum dritten Mal ein Kinofilm erzählt, wie Peter Parker zu seiner Superheldenidentität findet: Denn der Marvel-Comic-Konzern will einfach auf sein populärstes Pferd im Superheldenstall nicht verzichten.

So gibt auch keinen zweiten Superhelden, dessen Geschichte uns derart viel über Hollywood verrät. Nicht weil Parker so aufregend wäre, denn es ist ja auch gerade die Normalität dieses Jungen aus Queens, die seinen Charme ausmacht. Sondern weil er jetzt schon zum zweiten Mal in einem Jahrzehnt "rebootet" wird, wie man es nennt. Also neu erfunden.

Zeitgeist pur

Der erste "Spider-Man"-Kinoversuch stammte von Sam Raimi. Tobey McGuire schwang sich da an Spinnenweben ausgelassen zwischen den Türmen des World Trade Center, dann kamen die Attentate vom 11.September 2001 und ein Großteil des Films wurde neu gedreht.

Das Ergebnis war ein Junge, der sein Taschengeld als Pizzabote aufbessert und sehr zuvorkommend zu seinen Freundinnen ist - alles in allem in Ordnung, aber irgendwie "kickte" nichts, erschien halbgar und lau, erst recht in den zwei Sequels.

Dann kam "Amazing Spiderman" mit neuem Hauptdarsteller - künstlerisch wie kommerziell ein Reinfall. Aber der Spinnenmensch ist die beliebteste Ware im Schaufenster von Marvel, also bekommt das Publikum jetzt den dritten Aufguss und jede Jugend-Generation ihren neuen, gleichaltrigen "Spidey" mit Zeitgeist-gerechten Abenteuern. In etwa fünf Jahren also wird es wieder so weit sein. Tom Holland, ein 21-jähriger Brite, der als 14-jähriger durchgeht, spielt diesmal die Hauptrolle.

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Das Ergebnis ist Zeitgeist pur: In der Infantilisierung, der Betonung des Kindlichen, Unerwachsenen, der Schulprobleme.

Auch in dem betonten Angleichen an die Rassen-Diversität der Gesellschaft: Kein weißes blondes Mädchen kommt mehr in die Reichweite des Spinnenmanns, nicht mal als Konkurrenz und Ablenkung. Kirsten Dunst hätte keine Chance. Stattdessen ist die Erträumte farbig und dunkelhaarig. Zwölf Autoren-Credits - das ist kein Writers-Room mehr, sondern ein schlechtes Zeichen.

Das Ergebnis ist trotzdem keineswegs schlecht, wird sogar immer besser je länger der Film dauert. Es gibt zwei, drei Wahnsinns-Action-Sequenzen, die mit nationaler amerikanischer Symbolik spielen: Am "Washington-Monument" und auf der "Staten Island Ferry" entlang der Freiheits-Statue - auch Symbole für ein Amerika, das Flüchtlingen eine neue Heimat bietet, das für Freiheit und Einwanderung und Gerechtigkeit steht, also nicht mehr viel mit seinem heutigen Erscheinungsbild zu tun hat.

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Aber alles in allem ist dies ein Film für ältere Kinder, jüngere Jugendliche und für infantile Erwachsene: Fast immer ein bisschen zu pubertär viel zu laut, eine allzu routinierte, allzu uninspirierte altmodische Kino-Achterbahnfahrt wie der heruntergekommene New Yorker Vergnügungspark "Coney Island", der hier zweimal eine gewisse Rolle spielt.

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