Das System Krone
Seite 2: Bestimmt(e) der Krone-Chefredakteur mit über Top-Minister?
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Der Vorgang beleuchtet eine dunkle Seite Österreichs, eine vielleicht einmalige Hinterbühne: Schon zu Zeiten von Hans Dichand, also Dichand senior, soll es Usus gewesen sein, dass zumindest der Innen- und der Finanzminister von der Kronen Zeitung, und damit letztlich von ihm selbst, bestimmt wurde.
Das berichten einhellig ein derzeitiger Chefredakteur aus Wien sowie ein Ex-Journalist der Kronen Zeitung, beide Namen sind der Telepolis-Redaktion bekannt.
Dabei soll es bei der Wahl des geeigneten Innenministers vor allem um inhaltliche, bei der Wahl des geeigneten Finanzministers vor allem um finanzielle Kompatibilität mit dem Boulevardmedium gegangen sein – hier insbesondere um Aspekte der Gesetzgebung und der Steuerpolitik, die ja Auswirkungen auf das Geschäftsleben der Kronen Zeitung haben.
Von der Kronen Zeitung nominierte Politiker waren stets Freunde des Hauses. Dazu gehört auch traditionell der Bürgermeister der Stadt Wien, vor allem auch wegen des Inseratengeschäfts. Das Schema der vom Medium nominierten Politiker (ergo Freunde des Hauses) und der anderen (tendenziell Feinde) funktionierte lange Jahre über die Parteigrenzen hinweg.
"Und wenn einer nicht gezahlt hat. Bumm"
Eine diesbezügliche, von den österreichischen Leitmedien ebenfalls nicht weiter diskutierte Stelle befindet sich auch im Protokoll des Ibiza-Videos:
Mag freilich sein, dass bei diesen Aussagen, wie bei vielen anderen aus dem Video, Alkohol und Prahlerei im Spiel waren. Ein Ex-Krone-Mitarbeiter berichtet allerdings, dass die Verzahnung von – vom Medium Krone ausgesuchten – Politikern, wohlwollender Berichterstattung über diese und Inseratengeschäft immer schon sehr eng war.
Die Aussage "Und wenn einer nicht gezahlt hat. Bumm" weist darauf hin, dass das Freund-Feind-Schema der Kronen Zeitung nicht nur geeignete Kandidaten für die Spitzenpolitik betraf, sondern auch die "Inserierfreudigkeit" ihres Umfelds.
Österreich – eine Medien-Autokratie?
Diese Enthüllungen werfen ein neues Licht auf das Land: Österreich wäre über Jahrzehnte eigentlich keine Demokratie, sondern eine antidemokratische Mediokratie, eigentlich eine demokratisch nicht legitimierte Medien-Autokratie gewesen.
Erfahren wir deshalb nichts von diesen Vorgängen in den österreichischen Medien? Ist die Vorstellung, dass ein künftiger Regierungschef mit einem Chefredakteur die Besetzung von Ministerposten bespricht und der Chefredakteur das letzte Wort hat, zu absurd, um wahr zu sein?
Wozu gehen wir wählen, wenn – zwar im Rahmen des Wahlergebnisses – der Chef einer Boulevardzeitung den Ausschlag gibt für die Besetzung der Ministerriege?
Das sind alles Fragen, die wir in Österreich dringend diskutieren sollten. Das sind alles Themen für die kritischen Medien und Blogs, für die Politik- und Kommunikationswissenschaft. Interessanterweise hört man dazu nichts. Entweder wussten es bislang nur wenige Insider, oder es wussten viele, und viele haben bislang geschwiegen.