Das Weiße Freuden-Haus
Amerikanische Botschaft in Neuseeland erregt sich über Bordell, das mit ihr allzu bekannten Symbolen Mitarbeiterinnen sucht
Im Weißen Haus gibt es Prostitution! Eine skandalöse Sensation? Spätestens seit dem Fall Clinton-Lewinsky vor ein paar Jahren kann das eigentlich nicht mehr behauptet werden. Diesmal ist der Schauplatz allerdings nicht Washington D.C. sondern Auckland - und Bushs Diplomaten betrachten Stellenanzeigen für ein Rotlicht-Etablissement, dessen Fassade und Firmenlogo dem Amtssitz und Präsidentensiegel stark ähneln, als internationalen Affront.
Oft liegen Licht und Schatten sehr eng beieinander. So sind etwa scheinbar ehrwürdige Klöster immer schon gern Schauplätze ziemlich amouröser literarischer Werke von eher minderer Qualität gewesen. Und auch das Weiße Haus in Washington, das von außen im Sonnenschein wie eine makellos-leuchtende Burg geistig-moralischer Führung wirkt, war dem Reinen leider nicht immer rein. Der charismatische Schwerenöter John F. Kennedy plantschte zu Beginn der lustigen Sechziger hinter dem Rücken von Ehefrau Jackie öfter mal nachts mit eingeschmuggelten Damen im Pool des Präsidentensitzes. Und es kam damals auch in den Zimmern des altehrwürdigen Gebäudes an der Pennsylvania Avenue zu Handlungen von Amts wegen, bei denen sich die weiß gepuderten Perücken der puritanischen Gründungsväter von "God`s own Country" rot gefärbt hätten. Was Jimmy Carter im Oval Office möglicherweise mit seinen Erdnüssen angestellt und welche roten Knöpfchen Ronnie Reagan spaßeshalber gedrückt hat, mag man sich gar nicht vorstellen.
Gut drei Jahrzehnte nach Kennedy brachte jedenfalls dessen Enkel Bill Clinton das Weiße Haus in eine fast existenzielle Krise, als trotz öffentlicher Lügerei herauskam, dass er bei einer pummeligen Praktikantin in den geheiligten Hallen monatelang selbst ein erotisches Praktikum absolviert hatte. Im Hollywood-Thriller Mord im Weißen Haus tun sich dem entsprechend Abgründe aus Sex und Crime auf. Aber nicht nur menschliche Verfehlungen bedrohen von Zeit zu Zeit den Nimbus des Säulenbaus, auch das immer noch anarchische Internet nagt beständig an den Grundfesten des Symbols amerikanischer Macht und Herrlichkeit.
Wer als unbedarfter Web-Novize die Adresse www.whitehouse.com eingibt, landet überraschend nicht bei George W. Bush, sondern mitten im Sündenpfuhl erotischer Versuchungen. Auch das Eintippen der URL whitehouse.org führt auf unamerikanische Abwege. Auf eine nur auf den ersten Blick authentische Website mit tatsächlich gnadenlos satirischen Inhalten, die von Brüdern im Geiste von Nestbeschmutzer Michael Moore gehostet wird.
Auch die satanische Rockmusik versucht sich gelegentlich der weltberühmten Marke zu bemächtigen. Die altgediente Gruppe Whitehouse spielte schon vor gut 20 Jahren extreme Industrial-Musik, die von gottesfürchtigen Texanern wohl nur verteufelt werden kann. Eher harmlos war dagegen die kurzlebige 80er-Studioband Picnic at the Whitehouse, deren einziger Hit-Titel "We need Protection" außerdem durchaus das Gefallen des derzeitigen Präsidenten finden könnte.
Und ob der Weltenrichter USA mit Al Qaida, der undankbaren Irak-Guerilla, Frankreich und Deutschland nicht schon genug Probleme hätte, gibt es jetzt auch noch im unscheinbaren Neuseeland Ärger. Weil das Land am Rande der Welt neulich in einem heftig umstrittenen Gesetzesakt die lange Zeit streng verbotene Prostitution legalisiert hat, ist der Teufel los. Neuseeländische Etablissements können seitdem mit offizieller staatlicher Lizenz betrieben werden, und die Liebesdienerinnen genießen nunmehr den Arbeitnehmer-Schutz, der sich aus einem legalen Arbeitsvertrag ergibt. Brian Legros, offensichtlich mit einer guten Portion Humor gesegneter Eigentümer des Aucklander Edel-Puffs "Monica's", hat die Gunst der Liberalisierung genutzt und bietet der globalen Supermacht frech die Stirn.
Weil er jetzt offen für Stellen in seinem Sex-Club Anzeigen schalten darf und dabei ein Logo benutzt, das dem Weißen Haus und dem US-Präsidentensiegel mit Adler und Stars-and-Stripes-Fahnen verdächtig ähnelt. Der Name des Bordells ist nicht ganz zufällig mit dem Vornamen der berühmtesten White-House-Praktikantin identisch. Und die Damen, die bei Legros Liebesdienste leisten, trugen schon vor Jahren blaue Kleider wie der samtige, von Bill Clinton in a Moment of Weakness mit DNA-Spuren verzierte Dress, den Monica Lewinsky als Beweis für dessen überbordende Zuneigung der Justiz vorlegen konnte.
Da das Bordell-Siegel von Legros aber nicht völlig mit dem von Bush identisch ist, glaubt der kühne Puffvater den diplomatischen Protest der Amerikaner abwehren zu können und empfiehlt ihnen sich um ihren eigenen Dreck zu kümmern. Und wer sich über den schändlichen Missbrauch staatlicher Institutionen / Symbole für kommerzielle Zwecke beklagt, muss sich daran messen lassen, dass er einen Präsidentenbesuch als Kampfpilot auf einem Schlachtschiff wie die Top Gun-Schmonzette bzw. Politik generell als Helden-TV-Soap inszeniert. Und der ach so fromme Präsident ist auch nur ein Sünder, wurde er doch unlängst der schamlosen Lüge (vgl. Die Demokratie ist in Gefahr) in Bezug auf angebliche Uran-Einkäufe Saddam Husseins in Afrika als Kriegsgrund überführt. "Monica's" ist daher vielleicht eine geradezu schopenhauersche Vision der heutigen Welt als Vorstellung und ein gerechter Stachel im sündigen Fleisch macht-geiler Hybris.