Das Wow-Signal von OSETI

Weiterhin Rätselraten über die Herkunft eines unbekannten extraterrestrischen Lasersignals

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Was wäre wohl, wenn Aliens anstelle von Radiosignalen gebündeltes Licht zum Träger ihrer interplanetaren Botschaften erkoren haben und derweil auf die Wellenlängen im sichtbaren, im ultravioletten sowie infraroten Bereich schwören? Vielleicht haben schon etliche kurze Laserblitze um unsere Aufmerksamkeit gebuhlt, ohne dass wir dies bis dato gemerkt haben. Der australische OSETI-Astronom (OSETI=Optical Search for Extraterrestrial Intelligence) Ragbir Bhathal hat eines davon im Dezember 2008 aufgefangen und spekuliert offen darüber, ob es künstlichen Ursprungs oder seine Quelle ein bisher unbekanntes astrophysikalisches Phänomen ist.

Das klassische Wow-Signal

Am 15. August 1977 sah es eine Zeit lang danach aus, als wäre den Äther-Detektiven auf der Suche nach ET und Co. der große Wurf gelungen. Als der junge Astronom Jerry Ehman von der Ohio State University in Columbus (US-Bundesstaat Ohio) mit dem Big Ear Radioteleskop ein ungewöhnlich starkes Signal ortete, das sich als extremes Nahbandsignal entpuppte, welches 70 Sekunden lang gleich 30 Mal stärker als alle Hintergrundgeräusche pulsierte, war die Aufregung groß, zumal das Signal sich offensichtlich mit den Sternen bewegte. Das eigentliche Intelligenzmerkmal des Pulses bestand darin, dass er sich - ähnlich dem Läuten eines Telefons - selbst an- und ausschaltete. Für die Wahrscheinlichkeit, dass das Pulsieren künstlichen Ursprungs war, sprach vor allem die Frequenz des Signals. Es lag bei 1420 Megahertz, also just in jenem Radiobereich, auf dem "Erdlinge" aus Rücksicht auf astronomische Forschungen eigentlich nicht senden sollten. "Es war das eindrucksvollste Signal, was wir je gesehen hatten", so Ehmans Erinnerung an jenen denkwürdigen Tag. "Ohne nachzudenken schrieb ich auf dem Rand des Computerausdrucks 'Wow'!"

Computerausdruck vom 15. August 1977. Bild: Big Ear Radio Observatory

Alle Anstrengungen, das Wow-Signal ein zweites Mal aufzufangen, waren jedoch vergebens. Da nach den strengen SETI-Vorgaben ein verdächtiges Signal regelmäßig pulsieren sowie mindestens von einer zweiten unabhängigen Antenne registriert werden und auch ein erkennbares systematisches Informationsmuster aufweisen sollte, bevor es sich mit dem Attribut "extraterrestrisch" schmücken darf, musste Ehman den heißen Kandidaten zu den Akten zu legen - bis heute.

Fast unbemerkt und unkommentiert von den Medien hat sich 31 Jahre nach dem legendären Wow-Signal von Ohio ein ähnlich gearteter Fall ereignet. Nicht in den USA, sondern in Australien. Und dieses Mal steht nicht ein Radiosignal, sondern ein Laserimpuls im Zentrum des Interesses. Ein optischer, extrem kurzer Laserblitz, für den kein bislang bekanntes astrophysikalisches Phänomen in Frage kommt, bewegt die Gemüter der OSETI-Gemeinde, insbesondere das von Ragbir Bhathal.

Kleiner historischer Exkurs

Historisch gesehen reichen die Wurzeln der OSETI-Idee relativ weit zurück, zurück bis ins Jahr 1822. Damals schlug der deutsche Mathematiker Karl Friedrich Gauß (1781-1849) vor, mittels einer Armada von 100 fein geschliffenen Spiegeln, von denen jeder eine Fläche von zwei Quadratmetern haben sollte, das eingefangene und reflektierte Sonnenlicht zum Mond oder Mars weiterzuleiten. Den Seleniten (Mondbewohnern) sollte auf diese Weise verdeutlicht werden, dass auf ihrer Nachbarwelt intelligente Lebensformen existieren, die an guten, freundschaftlichen Beziehungen interessiert sind.

Auch wenn sich ähnlich geartete Vorschläge im Verlaufe des 19. Jahrhunderts zusehends häuften, verschaffte sich die moderne OSETI-Idee erst 1960 Gehör. Sie fand erstmals ein Forum in dem Wissenschaftsmagazin "Nature", in dem bereits ein Jahr zuvor Morrison und Cocconi ihr legendäres SETI-Plädoyer für eine systematische Observation von Radiowellen mit leistungsstarken Schüsseln zum Besten gegeben hatten.1

Sichtlich inspiriert von diesem Beitrag und animiert durch die erste Inbetriebnahme eines Lasers (1960) wagte der Entdecker des Laser-Prinzips höchstpersönlich, Charles H. Townes, den Sprung auf die nächste SETI-Ebene.

Townes, der 1964 für seine Entdeckung des Lasers (1959) mit dem Physik-Nobelpreis geadelt wurde, schlug vor, die Suche nicht allein auf Radiowellen zu beschränken, sondern auch auf Laserblitze und Pulse zu erweitern. Eine fortgeschrittene Zivilisation, die eine ähnliche technische Entwicklung wie unsere Kultur durchlaufen hat und Radiowellen nutzt, sollte im Umgang mit Lasertechnik eventuell auf unserem Niveau oder sogar um Tausende Jahre erfahrener sein. Sie könnte daher geneigt sein, optisches oder Infrarotlicht für den Austausch von interstellaren und interplanetaren Botschaften zu nutzen. "Es gibt eine echte Chance, dass wir solche Signale, die von einer annähernd auf unserem Niveau stehenden Gesellschaft stammen, mit unseren gegenwärtigen Teleskopen und Spektrographen entdecken", schrieb Townes 1961.2

Bild: NASA

Obwohl sich Townes zeitlebens energisch für die OSETI-Idee stark machte, provozierte sein Eintreten für die optische Suche nach außerirdischen Lichtsignalen im Gegensatz zu dem von den Medien inszenierten Morrision-Cocconi-Hype auffallend wenig Resonanz. Was folgte, war mitnichten eine lebhafte wissenschaftliche Debatte oder nennenswerte mediale Aufarbeitung seines Vorstoßes. Vielmehr verschwand Townes' Nature-Beitrag in den Regalen der westlichen Instituts- und Universitätsbibliotheken. "Die SETI-Gemeinde benötigte 30 Jahre, um darauf aufmerksam zu werden", erinnert sich Townes.

Dass die zeitweilig verschüttete OSETI-Idee wieder salonfähig wurde, bedingte die neue Generation der irdischen Hochenergie-Laser. In den letzten beiden Dekaden hat die Lasertechnik einen derart enormen Sprung nach vorn gemacht, dass Experten sie für den Kommunikations- und Informationsträger der Zukunft halten. Sie ist schon seit langem ihren Kinderschuhen entwachsen. Kein Wunder demnach, dass sich die optische SETI-Variante derweil auch weltweit als zweites Standbein der SETI-Forschung etabliert und diverse Wissenschaftler in ihren Bann gezogen hat.

Dr. Ragbir Bhathal. Bild: SETILeague

OZ-OSETI

Einer davon ist der zuvor erwähnte Ragbir Bhathal von der University of Western Sydney in Campbelltown (Australien). 60 Kilometer vom Zentrum von Sydney entfernt, leitet er seit knapp zehn Jahren das einzige offizielle OSETI-Projekt, das auf den Südhimmel ausgerichtet ist. Wie seine Kollegen von der anderen Seite der Erdkugel fahndet Bhathal mit optischen Teleskopen nach künstlich erzeugten extrem kurzen Laser-Pulsen im sichtbaren, im ultravioletten und im nahen Infrarotbereich.

Bhathal beschäftigt sich seit 1998 intensiv mit OSETI. Während der olympischen Spiele in Sydney startete er Ende 2000 feierlich sein erstes auf den Namen OZ-OSETI getauftes Suchprogramm. Es ist eines von mehreren Forschungsprojekten, die Bhathal parallel betreut, aber mit Abstand seine größte Leidenschaft.

Sekundiert von zwei computergesteuerten Teleskopen, die im Durchmesser 0,4 und 0,3 Meter groß sind und auf dem Campus nur zehn Meter voneinander entfernt stehen, visieren Bhathal und sein Team seitdem in einem Radius von 100 Lichtjahren vornehmlich Sonnen vom Typ F, G und K an. Mindestens 1000 Sterne konzentrieren sich innerhalb dieser Region.

Sterne der F-, G- und K-Kategorie könnten gute Mutterwelten von erdähnlichen Planeten sein. Den Extrapolationen der Planetenjäger zufolge, die bislang 353 extrasolare Planeten aufspürten, sollten sich einige davon auch in den habitablen Zonen ferner Sternsysteme eingenistet haben. Innerhalb eines solchen "Grüngürtels" vermögen Planeten mit Leichtigkeit Wasser im flüssigen Aggregatzustand, eine wesentliche Voraussetzung für biologisches Leben, zu konservieren. Und auf einigen dieser Welten sollten auch intelligente Lebensformen existieren, von denen wiederum einige via Laser den Kontakt zu den Sternen suchen.

Die an den Campus-Teleskopen montierten Lichtdetektoren, so genannte Photomultiplier (PMTs), sind hochgradig empfindlich. Derart sensibel, dass sie mit Leichtigkeit Laserpulse erfassen, die gerade einmal eine Millardstel Sekunde (= eine Nanosekunde) aufblitzen.

Da sich auch irdische Laser extrem schnell ein- und ausschalten lassen und infolge dessen Laserpulse von einer Länge bis zu einer Billionstel Sekunde ohne großen Energieaufwand kreiert werden können, setzt das Gros der OSETI-Forscher in der Praxis bei der Jagd nach Aliens auf Nanosekunden-Laserpulse. Bei diesem Verfahren sind die Lichtsensoren der Teleskope vollends gefordert, weil sich alles in einem Zeitfenster von nur einer Milliardstel Sekunde abspielt. Ein fürwahr recht kurzer Zeitraum, in dem das Licht gerade einmal 30 Zentimeter zurücklegt. Die Lichtdetektoren der OSETI-Jäger müssen jedenfalls schnell schalten und walten. Immerhin gilt es, alle einkommenden Lichtpartikel Photon für Photon zu registrieren. Schließlich kommt es auf Nano-Ebene auf jedes Lichtteilchen an.

Während etwa ein sonnenähnlicher Stern 1012 Photonen pro Sekunde auf einem Quadratmeter emittiert3, würden die OSETI-Spezialisten von einen sonnenähnlichen Stern in 1000 Lichtjahre Entfernung mit einem professionellen Teleskop - ausgehend von dem statistischen Durchschnittwert - bestenfalls 107 Photonen pro Sekunde einsammeln.4 Die Lichtsensoren ihrer Teleskope indes würden in der Zeitspanne von 100 Nanosekunden allenfalls eine Handvoll Photonen registrieren.5

Strahlten dagegen im Teleskopstrahl binnen einer einzigen Nanosekunde zehn oder mehr Photonen um die Wette, wäre dies ein klarer Hinweis auf eine künstliche Quelle, vor allem dann, wenn das Lasersignal periodisch erscheint. Präsentierten sich nämlich die Photonen in einem bestimmten Intervall - unabhängig davon, wie klein oder groß dieser ist -, müsste ihr Ursprung artifizieller Natur sein, weil die von Sternen ausgesandten Photonen in der Regel ungeordnet und ohne geregelten Intervall eintreffen.6 Auf Nanosekunden-Basis können sie mit keinem periodischen Muster glänzen. Ein bekanntes astrophysikalisches Phänomen oder Objekt könnte einen Partikel-Überschuss auf diesem Niveau und innerhalb dieses Zeitraums mitnichten generieren. Alles spräche für ein absichtlich gepulstes Signal einer Intelligenz.

Auf der Suche nach dem intelligenten Laserblitz folgen Bhathal und seine Kollegen von der nördlichen Hemisphäre einer technisch orientierten Philosophie: Weil sich Photonen bzw. Lichtwellen wie Radiowellen mit Lichtgeschwindigkeit ausbreiten und die Wellenlänge des Lichts rund 500.000 Mal kürzer und auffallend enger gebündelt ist, lassen sich in ihnen auch mehr Informationen stauen und schnell versenden. Intelligente Kulturen würden daher wissen, dass ein einziges Photon aus dem grünen Anteil des Lichtes 500.000 Mal mehr Energie stauen kann als ein einziges 21-Zentimeter-Radiophoton, weil seine Wellenlänge 500.000 Mal kürzer ist. Ragbir Bhathal ist sich deshalb sicher, dass Aliens Laser als Kommunikationsmittel bevorzugen:

Für eine fortgeschrittene Zivilisation wäre eine auf Radiowellen basierende Technologie ein alter Hut. Mein Gefühl sagt mir, dass - wenn es da draußen außerirdische Intelligenzen gibt - diese uns Laserpulse oder einen Laserflash zusenden.

Wenn sie kontaktwillig sind, könnten sie ohne Informationsverlust riesige Datenpakete als Lichtbotschaft über Lichtjahre hinweg problemlos durchs All transportieren. Verpackt in hochenergetischen Laserstrahlen, erreichte die Sendung mit Lichtgeschwindigkeit den unbekannten Adressaten. Einmal in irdischen Gefilden angekommen, könnten unsere Teleskope sodann jedweden erdnahen Laserpuls registrieren, ohne dass ein terrestrisches Störsignal je eine Chance hätte, dazwischen zu funken.

Sollten ET & Co dereinst mithilfe von Laserpulsen auf sich aufmerksam machen, müssten sie aber ihren Strahl so breit streuen, dass er die ganze Erdbahn umfasst. "Benutzt der Sender sichtbares Licht und ein großes Teleskop von 10 Meter Durchmesser, dann könnte man nur auf Sterne zielen mit mindestens 2000 Lichtjahren Entfernung", so der bekannteste deutsche SETI-Forscher Sebastian von Hoerner (1919-2003). Nur so wäre garantiert, dass ihre Lichtbotschaft nicht im photonenarmen Weltraum verloren geht. Schließlich würde ein von Aliens emittierter energiereicher Nanosekundenpuls per Laser den Heimatstern um viele Male überstrahlen und für uns demnach kaum zu übersehen sein.

Bhathals Wow-Signal

In den frühen Morgenstunden der ersten Dezemberwoche 2008 registrierten Bhathals Detektoren in der Tat einige Photonen zuviel. Da die Sensoren des Primärteleskops tadellos funktionierten und auch das zweite Campus-Fernrohr den Eingang des starken Signals bestätigte, musste der Verursacher dieses "Event", wie SETI-Forscher ein verdächtiges Signal nennen, ein starker Laserpuls sein. Hatte da etwa ein kosmischer Nachbar versucht, ein lichtstarkes Datenpaket zuzustellen? Das mysteriöse Signal stimmte Bhathal jedenfalls nachdenklich:

Ich fragte mich sogleich, ob dahinter ETI steckt oder ob es ein gefälschtes Signal war oder nur die Quelle eines unbekannten astrophysikalischen Phänomens.

Zumindest Bhathal schloss diese Möglichkeit nicht gänzlich aus. Sichtlich beeindruckt von dem unnatürlich starken Laserpuls notierte er auf dem Computerausdruck: "Is it ET?". Gut 32 Jahre nach Jerry Ehmans geheimnisvollem, bis auf den heutigen Tag ungeklärtem Funkfeuer, hatte Optical SETI sein erstes WOW-Signal.

Bhathals Arbeitsweise ähnelt der jener Kollegen, die sich dem natürlichen Licht ferner Welten verschrieben haben. Wann immer das Wetter mitspielt und der Sternhimmel einladend wirkt, richtet er sein Teleskop für einige Minuten auf eine ausgewählte Sternregion, sammelt das Datenmaterial und widmet sich sodann dem nächsten "Target". Die Datenauswertung folgt in der Regel einen Tag oder einige Tage später.

Einerseits soll diese Methode die Anzahl unnötiger Fehlalarme reduzieren, da zwei Teleskope nun einmal mehr sehen als eins, andererseits sollte dadurch auch gewährleistet sein, dass im Erfolgsfall die stellare Herkunft eines potenziellen Signals leichter, sprich die Spur bis zum Absender direkt zurück verfolgt werden kann. Doch noch im Mai 2009 spekulierte Bhathal über den Ursprung seines Fundes:

Im Moment sind wir nicht in der Lage, den Herkunftsort des Signals zu bestimmen. Wir arbeiten daran und werten alle Daten mehrfach aus und versuchen, alle möglichen natürlichen Quellen auszuschließen.

Auch wenn die genaue astrale Entstehungsstätte des Pulses vorerst unbekannt bleibt, kristallisierte sich nach einer intensiven mehrwöchigen Recherchephase immerhin heraus, dass die Herkunft des Signals im Sternbild Tukan (lat. Tucana7) zu suchen ist.

Was aber auch immer die Quelle des kurzen Laserblitzes gewesen war, ob es von einem optischen Pulsar stammte oder das Produkt einer gänzlich unbekannten kosmischen Erscheinung war, bleibt vielleicht für immer nebulös, da sich der Nanolaserpuls bis heute nicht wiederholte und mit großer Wahrscheinlichkeit auch nicht wiederkehren wird. Wohl deshalb lässt Bhathal der ET-These nicht den Vortritt, vielmehr übt er sich in Reserviertheit:

Wir sind noch weit davon entfernt, ein Signal von ET einzufangen. Aber wenn es uns gelingt, dann wird diese Entdeckung noch größer sein als die Entdeckung Amerikas.