Das Zelebrieren des Schönen
Der Playboy-Herausgeber Hugh Hefner wird 80 und ist längst eine lebende Ikone
Im Alltagsverständnis bezeichnet man populäre, in der Öffentlichkeit erzeugte menschliche Sinnbilder oft als Ikonen. Ihre Wirkungsweise ist dabei denen kultischer Objekte verschiedener Religionen nicht unähnlich. Ikonen dienen auf einzigartige Weise als Projektionsfläche eines gemeinschaftlichen Identitätsgefühls und - anders als bloße Stars und Sternchen - darüber hinaus als Verkörperung einer Idee, wenn nicht gar als Entwurf einer ganzen Zivilisation.
Wie kein anderer Mann steht Hugh Hefner für einen bestimmten Weg zu leben. Er kann es sich leisten charmant und spendabel zu sein, und sich ausschließlich den angenehmen Dingen des Lebens zu widmen. Und wie kein zweiter, auch nicht Schönheitskönige a la Brad Pitt, George Clooney oder Jude Law, repräsentiert Hefner das, was bei Männern bisher immer hoch im Kurs stand: Erfolg bei Frauen. Er braucht keine Papparazi, dramatische Drogenkrisen oder zähe Skandale um im Mittelpunkt zu stehen. Der Herausgeber des weltweit bekannten Magazins Playboy, einer Mischung aus Erotik und Lifestyle, ist selber der größte Playboy aller Zeiten. Dabei unterschied sich sein Leben zunächst überhaupt nicht von dem Million anderer US-Amerikaner.
Hugh Marston Hefner wird am 9. April 1926 in Chicago als ältester Sohn einer konservativen protestantischen Familie geboren. Später wird er sein Elternhaus als gefühlsarmes Methodistenheim bezeichnen. In der Schule ist er mittelmäßig, bald wird behauptet, er sei trotz künstlerischer Fähigkeiten ein Nerd gewesen. Von Mädchen, die Schlange stünden, andauernden Affären oder auch nur einer ausgelebten Jugendliebe ist nichts überliefert. In seiner Autobiographie macht Hefner deutlich, dass er in der Damenwelt ganz unten anfing. Der Mann, der sich bis vor kurzem ständig mit sieben Blondinen im Alter von 18 bis 28 Jahren umgab und vor einem Jahr bescheiden verkündete, er lebe jetzt nur noch mit drei Frauen zusammen, verlor seine Unschuld erst mit 22 Jahren. Wenig später heiratet der spätere Frauenheld ganz spießbürgerlich seine Kommilitonin Mildred Williams.
Wie Millionen andere seiner Generation dient Hefner in der US Army, studiert danach knapp drei Jahre Psychologie und fängt als Werbetexter an. Seine erste Ehe hält - rückblickend betrachtet - unglaubliche zehn Jahre. Bald sind zwei Kinder unterwegs. Er hat dafür sparen müssen, doch im zarten Alter von 27 Jahren gibt Hefner die erste Ausgabe des Playboys heraus. Auf dem Cover ist - auf dem Weg zum Superstar - Marilyn Monroe abgebildet. Allerdings erst nach dem Scheitern der Ehe 1959 kommt das richtig in Fahrt, was als das Playboy-Imperium in die Geschichte eingehen wird.
Die Idee bestand zunächst darin, ein Magazin für den einfachen Mann von nebenan zu machen. Für Männer, denen Frauen beim Betreten einer Bar nicht sofort zulächeln, die aber trotzdem gerne in edle Bars mit schönen Damen gehen würden. Für Männer eben, wie Hugh Hefner einer war. Offenbar ist er überzeugt: Man muss weder Rockstar noch Jeansmodel sein, um sich mit weiblichen Schönheiten zu umgeben. Es reichen auch eine zur Schau gestellte Pfeife im Mund und der Charme eines zeitlosen Sherlock-Holmes-Look. Benimm dich einfach so, als hättest Du einen eigenen Golfplatz, könnte Hefners Devise in den 1950ern sein. Die offenkundige Liebe zum Luxus reizte. Alle zunächst auf den Markt gestellten 53.000 Hefte der ersten Ausgabe 1953 verkauften sich in einer Woche. Das mittlerweile weltberühmte Logo, der Hasenkopf mit Fliege, wurde von Designer Art Paul für die zweite Ausgabe entworfen und ist seitdem auf dem Cover abgebildet. Hefner entschied sich für den Hasen wegen der "verspielten und lebensfrohen Natur" des Tieres.
Hefners glorreiche Jahre sind die früher 1960er. Er ist einer der wenigen die so offensiv und selbstverständlich mit dem Thema Sexualität umgehen. Er definiert was es heißt, ein glücklicher Single zu sein. Schon 1960 eröffnet er seine Playboy Clubs, in denen Frauen in den berühmten Bunny-Kostümen rumlaufen und eigentlich nur einem Zweck dienen, dem inzwischen wohlhabenden Junggesellen Hefner Freude zu bereiten. Dieser ist nun ein Star, der mit seiner Playboy's Penthouse Show ein Millionpublikum vor den Fernseher lockt. Seinem Hedonismus bleibt er dabei treu und trotz dem offiziellen Rassismus der US-Südstaaten: Die Show wird dort nicht ausgestrahlt, weil in ihr Afroamerikaner gleichberechtigt auf dem Sofa sitzen.
Schwierigkeiten bereiten ihm erst die später 1960er. Die sexuelle Revolution nimmt ihm zunächst den Avantgardestatus. Schlimmer aber scheint für ihn, dass sexuelle Befreiung nun auch eine Frauenangelegenheit ist. Denn man kann wohl kaum behaupten, dass Frauen in Hasenkostümen in One-size-fits-all-Einheitsgrößen wirklich frei sind. Der amerikanischen Frauenbewegung wirft er Sexfeindlichkeit vor, ergänzt aber verständnisvoll, dass das zu Erwarten war, denn die Amerikaner seien eben ein "puritanisches Volk". Wenig später drängen Konkurrenten auf den Markt und Hefner kann die Auflage nicht noch weiter steigern. Braucht er eigentlich auch nicht. Die Playboy-Edition vom November 1972 verkaufte sich fast 7.162.000 Mal. Heute verkauft das Magazin für "Alles, was Männern Spaß macht" allein in den USA mehr als 3 Millionen Exemplare. Hinzu kommen die 18 verschiedenen Länderausgaben, unter anderem die deutsche, mit insgesamt fast 4,5 Millionen Heften.
Nachdem er 1980 einen Stern auf dem Hollywood Walk of Fame erhält, und 1985 eine Schlaganfall erleidet, verlaufen die 1980er weitgehend ruhig. In den 1990ern wird es um Hefner herum wieder belebter, er gilt jetzt als Symbol einer vergangenen Ära authentischer Coolness. Die 1990er verbringt er nach eigener Auskunft übrigens - einmal mehr anders als erwartet - monogam mit seiner zweiten Ehefrau Kimberley Conrad. Sie war 1989, wie viele seiner Liebschaften zuvor, Playmate des Jahres. Auch aus dieser Ehe gehen zwei Kinder hervor, ab 1998 ist Hefner jedoch wieder promiskuitiver Single. Als der Playboy 2003 seinen 50. Geburtstag feiert, ist Herausgeber Hefner längst eine Institution, sein Produkt ist er selbst. Wer Rang und Namen in der Welt der Reichen und Schönen hat, will bei seinen Partys dabei sein.
Er hat im Laufe seines Lebens zahlreiche Auszeichnungen erhalten, doch die Unsterblichkeit mit der er sich selber im Playboy zu beschreiben gezwungen sieht, wird erst jetzt offenkundig. Hefner hat einen Platz in Hollywoods Wachsfigurenkabinett und sein Lebensstil ist Vorlage für amouröse Videospiele. In einer Umfrage nennen ihn US-Amerikaner im selben Atemzug mit Benjamin Franklin und Walt Disney. Als die Umbenennung einer Straße in Hefners Heimstadt Chicago für Beschwerden von Feministinnen sorgte, ergriff seine Tochter Christie, die Vorstandvorsitzende des Playboy Imperiums ist, vor dem Stadtrat Partei für ihren Vater. Er sei der "amerikanische Traum schlechthin", und habe wegen seines "Zelebrierens des Schönen" einen Hugh-Hefner-Way verdient. Er hat ihn bekommen. Weit weg vom regnerischen Chicago, residiert die alternde Ikone im sonnigen Holmby Hills, Los Angeles. Am kommenden Sonntag feiert Hefner seinen 80. Geburtstag in seinem dortigen Anwesen The Playboy Mansion. Er will sich treu bleiben und ganz traditionell eine Pyjama-Party geben.