Das große "Layla"-Missverständnis

Was auf Mallorca (hier eine Zusammenkunft im weltberühmten Kulturzentrum "Bierkönig") der "heiße Scheiß" ist, wird hier noch nicht überall gewürdigt. Foto: Hubi123 / CC-BY-SA-4.0

Kunstfreiheit heißt nicht, dass alle Galerien verpflichtet sind, ganz bestimmte Bilder auszustellen. Mit einer vergleichbaren Erwartungshaltung wird für den Ballermann-Hit getrommelt

Wer mit Gemälden von überdimensionalen Hundekothaufen Geld verdienen will und im Stundentakt Absagen von Galerien bekommt, die sein Werk einfach nicht ausstellen wollen, würde sich lächerlich machen, wenn er von "Verboten im Stundentakt" und einer "bedenklichen Entwicklung" spräche.

Oder? – Vielleicht doch nicht, wenn seine Bilder vorher schon auf Malle ausgestellt worden und dort für trinkfeste Deutsche der "heiße Scheiß" gewesen wären. Ob er durch mediale Berichterstattung über die vermeintliche Zensur und das Internet vielleicht sogar noch bessere Chancen hätte, seine Bilder zu verkaufen, steht auf einem anderen Blatt.

Buschmanns irreführender Tweet und die Reaktion eines Anwalts

Vielleicht hätte er nach Meinung mancher Politiker und Medienschaffenden durchaus Anspruch auf Publicity im Namen der Kunstfreiheit – und vielleicht würde sogar der Bundesjustizminister twittern, dass man übergroße Bilder von Hundekot zwar nicht mögen muss, dass aber ein "behördliches Verbot" zu weit gehe – unabhängig davon, ob es ein solches tatsächlich gegeben hat.

Ein solches Missverständnis gab es auch im Fall des Ballermann-Hits "Layla", der unter anderem auf dem Würzburger Kiliani-Volksfest auf Wunsch der Veranstalter nicht gespielt werden sollte. Die Geister scheiden sich nicht nur daran, ob das Frauenbild darin sexistische Scheiße ist – und wenn ja, ob dies vielleicht trotzdem kein behördliches Verbot rechtfertigen würde.

Manche wollen auch noch darüber reden, ob es nicht heuchlerisch ist, ein Lied über Prostitution zu verdammen, aber das "System Prostitution" zu akzeptieren – oder ob es denen, die es begrüßen, wenn das Lied nicht auf Volksfesten gespielt wird, in Wahrheit nur um "Stigmatisierung von Sexarbeit" geht.

Davon abgesehen stellt sich aber die Frage, ob es überhaupt Zensur ist, wenn die Veranstalter sich nicht verpflichtet fühlen, den Geschmack einer bestimmten Klientel zu bedienen.

"Es macht aus juristischer Sicht einen Unterschied, ob ein Verbot den gesetzesmäßigen und verfassungsmäßigen Vorbehalten unterliegt, oder dem Wunsch eines Privatveranstalters", musste der Würzburger Rechtsanwalt Chan-Jo Jun mit Blick auf den Tweet von Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) erklären.

Veranstalter müssen kein Wohlfühlklima für Malle-Sauftouristen schaffen

Die Stadt Würzburg sei in diesem Fall als Privatveranstalter des alljährlichen Volksfests anzusehen – die Festzeltbetreiber würden lediglich organisiert, um die Kapazitätsgrenzen zu erhöhen, wie es auf großen Festen gängige Praxis sei, stellte Chan-Jo Jun klar. Die Stadt als Veranstalter habe das Recht, Rahmen und Inhalt des Festes so festzulegen, wie sie es für richtig halte.

Nun kann man als Fan von kalkuliert sexistischen Ballermann-Hits die Veranstalter für prüde Spaßbremsen halten – aber der Versuch, sie durch Shitstorms und medialen Druck zu nötigen, "Layla" doch abzuspielen, hat wenig bis gar nichts mit Verteidigung der Kunstfreiheit zu tun.

Denn Kunstfreiheit umfasst eben auch die Freiheit der Galeristinnen und Galeristen, ihrem Publikum keine Hundescheiße auf Leinwand vorzusetzen – sie müssen dann eben damit leben, dass diejenigen fernbleiben, die genau das für unverzichtbar halten.

So haben auch Volksveranstalter das Recht auf eine Musikauswahl, die zumindest hoffen lässt, dass ihr Publikum nicht durch eine bestimmte Art von trinkfesten, grölenden Männern dominiert wird, weil diese Klientel Songtexte mit "Puff" und "Puffmama" scheinbar wirklich dringend braucht, um sich auf einem Volksfest wohlzufühlen. Dafür kommen vielleicht ein paar Leute mehr, die genau solche Typen nervig finden.