"Das ist ein Verstoß gegen alle Standards"
Seite 2: Vorbild Kosovo?
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Das "Wiener Dokument"
Steinmeier sprach somit, in offenkundig falscher Wortwahl, wiederum von "OSZE-Beobachtern". Und seine Formulierung vom "Verstoß gegen alle Standards" transportierte einen Doppelsinn, den er selbst sicher kaum bemerkte. Auch vermied er jede weitere Erklärung zur Mission der Truppe, die doch, laut Oberst Schneiders Interview beim Bayerischen Rundfunk, "sehr eng mit dem Auswärtigen Amt koordiniert" sei.
Das Amt ließ lediglich verlauten, dass das "OSZE-Team" sich "auf Einladung der Ukraine unter dem Dach des Wiener Dokuments, einem politisch verbindlichen Übereinkommen zwischen allen 57 OSZE-Mitgliedstaaten", im Land befinde. Ein zentraler Bestandteil des Wiener Dokuments seien "Maßnahmen zur Steigerung der Transparenz und zur Vertrauensbildung sowie Mechanismen zur friedlichen Konfliktbewältigung".
Doch was hat dieses "Wiener Dokument 2011" auf das sich nun - ohne weiteren Kommentar - auch das Verteidigungsministerium beruft, wirklich mit dem besagten Einsatz in der Ukraine zu tun? Das Dokument regelt zwar vertrauensbildende Maßnahmen, wie etwa Inspektionen in Teilnehmerstaaten. Doch liegt der Fall hier offenkundig anders.
Die Regierung der Ukraine, die unter putschähnlichen Umständen ins Amt gekommen ist, bittet ausländische Militärs (deren Regierungen diesen Machtwechsel unterstützten oder billigten), die eigenen Truppen zu einem Einsatz in einen umkämpften Landesteil zu begleiten. Dies ist sicher keine Situation, wie sie den Autoren des "Wiener Dokuments" bei dessen Formulierung vorschwebte. Eher erinnert sie - in spiegelbildlicher Umkehrung - an das, was Putin gemeinhin unterstellt wird: die Entsendung von Beratern zur direkten Unterstützung einer Konfliktpartei.
Vorbild Kosovo?
Nicht außer Acht gelassen werden sollte dabei die dokumentierte Historie von OSZE-Einsätzen im Umfeld von Kriegen, insbesondere von Kriegsvorbereitungen. Dem Kosovo-Krieg vom Frühjahr 1999 ging etwa eine OSZE-Mission voraus, die durch die Entsendung von Inspektoren schlichtend wirken sollte, dabei aber von Beginn an in die Mühlen einer verdeckten Politik geriet.
Der Schweizer OSZE-Beobachter Pascal Neuffer erklärte dazu: "Wir waren uns von Anfang an darüber im Klaren, daß die Informationen, die im Laufe unserer Mission bei den OSZE-Einsätzen gesammelt wurden, die Satellitenbilder der NATO vervollständigen sollten. Wir hatten den sehr scharfen Eindruck, für die Nato zu spionieren."1
Und die britische Sunday Times berichtete ein Jahr nach Kriegsausbruch, wie die CIA bei der OSZE-Mission vor dem Krieg selbst einige Beobachter gestellt hatte, die in dieser Funktion Verbindung zu den kosovarischen Rebellen hergestellt hatten und ihnen als Militärberater und Ausbilder dienten - damals im Kampf gegen Serbien. Als die OSZE dann kurz vor Beginn der Bombardierungen abzog, seien viele ihrer Satellitentelefone und GPS-Systeme im Geheimen den Rebellen übergeben worden, damit diese in Verbindung mit der NATO bleiben konnten.
Wenn sich solche "bewährten" Politikmuster derzeit wiederholen, wäre große Sorge angebracht.