Das neue Great Game um Afghanistan und die Taliban
Nicht nur die USA, auch Russland und manche Warlords spielen mit
Die Friedensgespräche zwischen Washington und den afghanischen Taliban im Golfemirat Katar sorgten vor wenigen Tagen abermals für Schlagzeilen. Nach den jüngsten Gesprächen, die immerhin ganze sechs Tage andauerten, könnte ein Abzug der internationalen Truppen - die Hauptforderung der Taliban - bald zur Realität werden. US-Außenminister Mike Pompeo bezeichnete die jüngsten Entwicklungen unter anderem als "Durchbruch".
Der Mann der Stunde war allerdings nicht der afghanische Präsident Ashraf Ghani, sondern US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad, der selbst afghanische Wurzeln hat und die amerikanische Politik am Hindukusch und im Nahen Osten seit Jahrzehnten beeinflusst. Vielen Menschen ist Khalilzad aus den 1980er-Jahren in Erinnerung geblieben. Damals empfing er gemeinsam mit dem damaligen US-Präsident Reagan mehrere afghanische Mudschaheddin-Führer und fungierte als deren Dolmetscher. Nun behauptete Khalilzad gegenüber der New York Times, dass ein Rahmenvertrag mit den Taliban bereit stehen würde. Berichten zufolge steht ein Abzug der US-Truppen binnen 18 Monaten im Raum. Zwei Drittel der 22.000 ausländischen Soldaten sind US-Amerikaner.
Es sind allerdings nicht nur die Amerikaner, die sich um einen Frieden in Afghanistan "bemühen". Eine weitere Taliban-Konferenz soll in den nächsten Tagen in Moskau stattfinden. Bereits vor wenigen Wochen reiste eine Taliban-Delegation aus Katar, geführt vom Chef-Diplomaten der militanten Bewegung, Sher Mohammad Abbas Stanekzai, nach Russland, um über einen möglichen Frieden im Land zu sprechen. Eine wichtige Rolle spielte damals wie heute Zamir Kabulov, ein hochrangiger Diplomat sowie der Afghanistan-Mann des Kremls.
Kabulov pflegt seit mehreren Jahren Kontakte zum Taliban-Büro in Katar. Bei den neuen Gesprächen sollen allerdings nicht nur die Taliban präsent sein, sondern auch führende afghanische Politiker, darunter etwa der ehemalige Präsident Hamid Karzai, Hanif Atmar, der Ex-Sicherheitsberater Ghanis sowie Warlords wie Atta Mohammad Noor, der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh und allerlei andere wichtige Männer. Frauen sind abermals kaum vertreten, obwohl man zurecht meinen könnte, dass sie im Rahmen der Friedensverhandlungen mit den Taliban eine weitaus wichtigere Rolle spielen sollten.
Afghanische Regierung bleibt außen vor
Ein Mann, der ein weiteres Mal außen vor bleibt, ist Präsident Ashraf Ghani. Bei allen Gesprächen, die die USA mit den Taliban führten, spielte die Kabuler Regierung keine Rolle. Die militante Bewegung machte von Anfang an deutlich, dass man nicht mit dem "Marionettenregime" sprechen wolle - und überraschenderweise wurde von allen Seiten auf diese Forderung eingegangen. Nach den jüngsten Gesprächen in Doha traf sich Khalilzad mit Ghani in Kabul. Berichten zufolge fiel das Treffen kühl aus.
Nun wird Ghani auch in Moskau nicht präsent sein, während sich all seine politischen Kontrahenten dort versammeln werden. Das beste Beispiel hierfür ist Hanif Atmar, der im vergangenen Jahr Ghanis Kabinett verließ, in den letzten Wochen und Monaten immer lauter mit seiner Kritik in Richtung Regierung wurde und sich jüngst für die anstehenden Präsidentschaftswahlen im Juli aufstellen ließ. Einige Beobachter stellen sich nun zurecht die Frage, warum Atmar in seinen Jahren als Ghanis Sicherheitsberater keine Friedensinitiativen zeigte und nun plötzlich nach Moskau eilt, um sich mit den Taliban zu treffen.
Ähnliches betrifft auch Männer mit Noor und andere Warlords, die es sich mit Ghani verscherzt haben und sich in der Vergangenheit vor allem massiv bereicherten anstatt von Frieden zu sprechen. Kritik trifft auch Ex-Präsident Karzai, der sich seit dem Ende seiner Amtszeit als eine Art mitfühlender Vater der Nation präsentiert und nun ebenfalls mit Stanekzai und anderen Taliban-Diplomaten Tee trinken will, während er im Laufe seiner eigenen Amtszeit ähnliche Konferenzen unter Ausschluss der Kabuler Regierung - seiner damaligen Regierung - heftig kritisierte.
Auch Ghani lässt seinen Ausschluss nicht auf sich sitzen. In einer jüngsten Rede schlug er patriotische Töne und verglich sich mit afghanischen Königen wie Ahmad Shah Durrani, der als Gründer des modernen Afghanistan gilt, und dem Reformisten-Herrschen Amanullah Khan. Dass dies ausgerechnet von einem Mann kommt, der nach den Präsidentschaftswahlen 2014 vom damaligen US-Außenminister John Kerry regelrecht ins Amt geführt wurde, grenzt teils an Ironie.
Allerdings ist kaum anzuzweifeln, dass die Wut des afghanischen Präsidenten teils berechtigt ist. Einen langfristigen Frieden am Hindukusch kann es unter dem Ausschluss der aktuellen Kabuler Regierung kaum geben - vor allem dann nicht, wenn man bedenkt, dass jene innerafghanischen Akteure, die sich nun in Moskau an einem Tisch setzen, vor allem für Gier und persönlichen Machtbestreben - Stichwort Interimsregierung - bekannt sind.
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