Das sind die Kritikpunkte am Gasterminal vor Rügen

Protestplakat. Bild: Rügen gegen LNG

Jetzt soll alles ganz schnell gehen, mit dem LNG-Beschleunigungsgesetz. Doch die Proteste lassen nicht nach. Über fehlenden Nutzen und Risiken.

Um das geplante LNG-Terminal vor Rügen gibt es weiter großen Ärger. Trotz erheblicher Proteste aus der örtlichen Bevölkerung und von Umweltverbänden hält die Bundesregierung an ihren Plänen fest, im Hafen Mukran bei Sassnitz Flüssiggas anzulanden und mit einer am Rande des Greifswalder Boddens südlich von Rügen verlaufenden Pipeline nach Lubmin ans Festland zu pumpen.

Dort gibt es eine Anbindung ans Gasnetz, da hier auch die inzwischen außer Betrieb genommenen und zum Teil zerstörten Nord-Stream-Pipelines enden.

Nun hat am gestrigen Freitag der Bundestag ein „Gesetz zur Änderung des LNG-Beschleunigungsgesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes“ angenommen, in dem ausdrücklich eine Anlage in Mukran aufgenommen wurde, „zur Sicherung der Energieversorgung“, wie es heißt.

In namentlicher Abstimmung votierte die FDP geschlossen dafür. Auch bei SPD und Grünen gab es nur vereinzelte Gegenstimmen, zum Beispiel von der Berliner Abgeordneten Canan Bayran (Grüne) und von Katrin Henneberger (Grüne), die sich seit Jahren gegen den Braunkohleabbau im Rheinland engagiert. Die Oppositionsparteien stimmten geschlossen gegen den Gesetzentwurf.

Die Deutsche Umwelthilfe DUH hatte zuletzt am Tag vor der Abstimmung Einwendungen gegen die Planung beim zuständigen Bergamt in Stralsund eingelegt. Mindestens vier umliegende Meeresschutzgebiete seien gegebenenfalls unmittelbar von Bau und Betrieb der Pipeline sowie des Terminals betroffen.

Dazu DUH-Bundesgeschäftsführer Sascha Müller-Kraenner:

Der Vorhabenträger Gascade hat die geplante 50 Kilometer lange Pipeline in mehreren einzelnen Teilabschnitten beantragt, um die verursachten Umweltauswirkungen vermeintlich gering erscheinen zu lassen. In der gebotenen Gesamtbetrachtung wird jedoch klar: Das LNG-Terminal vor Rügen mitsamt der Pipeline wäre eine Katastrophe für besonders schützenswerte Meeresgebiete, den Erhalt der Artenvielfalt und unser Klima.

Der Vorhabenträger Gascade hat die geplante 50 Kilometer lange Pipeline in mehreren einzelnen Teilabschnitten beantragt, um die verursachten Umweltauswirkungen vermeintlich gering erscheinen zu lassen.

In der gebotenen Gesamtbetrachtung wird jedoch klar: Das LNG-Terminal vor Rügen mitsamt der Pipeline wäre eine Katastrophe für besonders schützenswerte Meeresgebiete, den Erhalt der Artenvielfalt und unser Klima.

Unter anderem ist das Flachwasser des angrenzenden Greifswalder Bodden zwischen Rügen und Festland die mit Abstand wichtigste Kinderstube des Ostseeherings in der Region. Dieser Brotfisch der deutschen Ostseefischerei ist ohnehin bereits durch den Klimawandel und die damit einhergehende Erwärmung des Brackwassermeeres arg gebeutelt.

Wie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Thünen-Instituts für Ostseefischerei herausgefunden haben, geht die Zahl der im Frühjahr im Bodden heranwachsenden Heringslarven seit 2006 drastisch zurück. Parallel dazu sind die Fangerträge eingebrochen.

Nach langem Zögern sind vor einigen Jahren die Fangquoten auf ein Minimum reduziert worden. Viele Fischer haben dadurch ihren traditionellen Erwerb verloren, aber anders wird sich der Bestand kaum erholen können.

Grund für den Rückgang ist, so das Ergebnis der Forschung am Thünen-Institut, dass aufgrund der höheren Wassertemperaturen der Hering inzwischen rund einen Monat früher als noch in den 1990er-Jahren ablaicht.

Das Problem dabei: Die Larven schlüpfen entsprechend früher und verhungern oft, weil sie nicht genug Nahrung finden. Das Wachstum des winzigen Zooplanktons, von dem sie sich ernähren, wird nämlich nicht von den Wassertemperaturen, sondern von der Tageslänge gesteuert.

Doch der Bestand könnte sich wieder erholen, wenn auch nicht mehr ganz die alte Produktivität erreichen. Die Rostocker Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich die Bestände auch unter den erschwerten Bedingungen so weit regenerieren könnten, dass etwa die Hälfte der früheren Erträge nachhaltig erzielbar ist. Voraussetzung natürlich: Die Laichgebiete werden nicht noch anderweitig gestört.

Die Anwaltskanzlei Geulen&Klinger aus Berlin kündigt derweil im Auftrag des Ostseebads Binz an, beim Bundesverwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung mit dem Ziel eines vorläufigen Baustopps für Terminal und Pipeline zu beantragen.

Außerdem geht es der nur wenige Kilometer von Mukran entfernten und in der gleichen Bucht gelegenen Gemeinde darum, mit einer einstweiligen Anordnung der Gerichte die Vertiefung der Fahrrinne vor Mukran zu verhindern.

Rechtsanwalt Reiner Geulen weist zudem darauf hin, dass frühestens Anfang 2025 eine Einspeisung von Gas in das Festlandnetz denkbar ist. Damit ist die Begründung, es ginge um Sicherstellung der Energieversorgung, mehr als wackelig.

Geulen kritisiert zudem den Druck, den die Bundesregierung auf das Land und die örtlichen Genehmigungsbehörden ausübe. Diese seien jedoch keine Befehlsempfänger Berlins. Geulen weiter:

Für die Pläne, die Ostsee zwischen Rügen und dem Greifswalder Bodden zu einer großflächigen Industrieregion auszubauen, fehlen jegliche Voraussetzungen. Es handelt sich um Störfallanlagen, die nach der Seveso-III-Richtlinie der Europäischen Union einer umfangreichen Risikoüberprüfung bedarf, nachdem in den letzten Jahren in mehreren ähnlichen Anlagen in Norwegen und in den USA schwere Unfälle aufgetreten sind. Darüber hinaus sind die Gas-Tankschiffe nicht gegen Drohnenangriffe oder gezielte terroristische Anschläge ausgelegt; eine Explosion und ein anschließender Flächenbrand würden für die Ostküste Rügens katastrophale Auswirkungen haben.