"Das wird man ja wohl aushalten können"

Mehr Lockdown in Mitteleuropa und Mitteldeutschland

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Der slowakische Ministerpräsident Igor Matovič hat gestern einen Plan für einen stufenweisen Lockdown für sein Land vorgestellt. Er beginnt am Freitag damit, dass Gaststätten Speisen und Getränke nur noch zum Mitnehmen anbieten dürfen. Die zweite Stufe folgt am Montag: Ab dann müssen Hotels und Skilifte von ihren Gästen und Benutzern aktuelle Tests auf das Sars-Cov-2-Virus verlangen. Ab dem 21. Dezember müssen alle Geschäfte schließen, die keine Lebensmittel und andere Sachen verkaufen, welche man unbedingt zum täglichen Leben benötigt. Und ab dem 27. Dezember müssen alle Betriebe mit mehr als 500 Mitarbeitern negative Sars-Cov-2-Tests einfordern.

Infektionsketten trotz Massentests nicht nachvollziehbar

Eigentlich wollte die slowakische Staatsführung einen Lockdown vermeiden, indem sie fast die gesamte Bevölkerung auf Sars-Cov-2 testet. Die Vorstellung, dass man damit in ausreichendem Umfang Infektionsketten nachvollziehen und die Ausbreitung des Virus eindämmen könnte, erwies sich jedoch als Illusion.

Im Nachbarland Tschechien hat das Parlament den dort ausgerufenen Notstand bis einschließlich 23. Dezember verlängert. Der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš hatte eigentlich eine Verlängerung bis zum 11. Januar angestrebt, scheiterte damit jedoch. Hier kritisieren nicht nur Abgeordnete der Opposition, sondern auch viele Gastwirte Teile der Anti-Corona-Maßnahmen als unverhältnismäßig und nicht ausreichend empirisch begründet. Inzwischen hat sich eine Bewegung von Wirten gebildet, die ankündigen, sich deshalb nicht mehr um die neue 20-Uhr-Sperrstunde zu scheren.

Der ungarischen Regierung gelang am Montag das, was die tschechische nicht schaffte: Sie verlängerte ihre Maßnahmen gleich bis zum 11. Januar. Dort herrscht bis dahin ab 20 Uhr nicht nur eine Sperrstunde, sondern ein Ausgehverbot, das bis fünf Uhr morgens dauert. Darüber, ob man davon an Weihnachten Ausnahmen macht, wird am 21. Dezember abgestimmt. Dass Silvesterfeiern verboten sind, steht dagegen jetzt schon fest.

"Häusliche Lernzeit" in Sachsen

Aber nicht nur in den ehemals von den Habsburgern regierten Teilen Mitteleuropas, sondern auch in Mitteldeutschland werden die Lockdown-Maßnahmen verschärft: Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer will morgen eine von seiner sozialdemokratischen Sozialministerin Petra Köpping ausgearbeitete Beschlussvorlage im Kabinett absegnen lassen. Ab Montag müssen dann fast alle Geschäfte schließen. Ausnahmen sind Lebensmittelgeschäfte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Poststellen, Friseure und Christbaumhändler.

Auch die Kindergärten und Schulen haben dann zu, was sich möglicherweise nicht nur bei Eltern, sondern auch bei Nachbarn bedingt gut mit der Aufforderung verträgt, im Home Office zu arbeiten. Schüler sollen den Lernstoff statt im Präsenzunterricht in einer "häuslichen Lernzeit" beigebracht bekommen. Bei einigen könnte das besser klappen als in der Schule - bei anderen wieder weniger gut (vgl. Schule als Strafe).

Kretschmer meinte zu diesen vorerst bis zum 10. Januar geplanten Maßnahmen gegenüber dem deutschen Wochenblatt Die Zeit: "Das wird man ja wohl aushalten können." Notwendig sind die Maßnahmen seinen Angaben nach, weil es mit insgesamt etwa 5.500 stationär und etwa 500 auf Intensivstationen behandelten Covid-19-Kranken "in manchen Regionen […] keine Intensivbetten mehr" gebe und Patienten "aus der Oberlausitz […] nach Dresden oder Leipzig verlegt werden" müssten.

Im sprachlich teilweise verwandten Thüringen hat sich das dortige rot-rot-grüne Minderheitskabinett währenddessen darauf geeinigt, trotz der in der Ministerpräsidentenkonferenz vereinbarten Ausnahmen keine Besucher an den Weihnachtsfeiertagen und an Silvester zuzulassen. Nun entwirft die thüringische Gesundheitsministerin Heike Werner eine Verordnung, zu der der Landtag und die Kommunen Stellungnahmen abgeben sollen.

Spahn mit indirektem Umgehungstipp

Der deutsche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat aber schon einen indirekten Tipp gegeben, wie sich das Besuchsverbot in Thüringen umgehen lässt: "Den Ort der Familienfeier in das Bundesland mit den großzügigsten Regeln zu legen", so der CDU-Politiker zu Neuen Osnabrücker Zeitung, "fände ich nicht richtig." Der Bild-Zeitung sagte er: "Wenn wir die Zahlen jetzt nicht langsam runterbekommen, wenn sich die Zahlen vor allem auf den Intensivstationen nicht bessern, dann braucht es zusätzliche Maßnahmen."

Für die werben bislang vor allem die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr möglicher Nachfolger Markus Söder, der gerade verlautbarte, er habe seinen kleinen Koalitionspartner Hubert Aiwanger bereits auf einen harten Lockdown nach Weihnachten vorbereitet. Merkel erregte währenddessen mit einem Hörfunkinterview viel Medienaufmerksamkeit, weil sie der vor einem Jahr klimawandelverzichtsfordernden und nun nach Stoßlüften frierenden deutschen Jugend empfahl, Kniebeugen zu machen oder in die Hände zu klatschen, wenn die Temperatur die Konzentration stört.

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