Déjà vu
Seite 2: Ein Kern für Vertrautheit
- Déjà vu
- Ein Kern für Vertrautheit
- Auf einer Seite lesen
Dieses Gefühl hat, wie jedes Gefühl, eine neuronale Grundlage. Wie bereits angerissen, befinden sich Teile davon im Schläfenlappen. Dort, wo neue Eindrücke schnell mit der Erinnerung abgeglichen werden können, findet die Klassifizierung in neu oder bekannt statt. Das Gefühl, das damit einhergeht, entsteht aber woanders, wie eine Forschergruppe der University of Massachusetts kürzlich gezeigt hat.
Die Neurowissenschaftler untersuchten ein kleines Gebiet im Hirnstamm, das mittig im Mittelhirn gleich unterhalb der ventralen tegmentalen Area liegt. Diese ist das Gebiet, aus dem Verbindungen, die den Botenstoff Dopamin ausschütten, in Bereiche des Großhirns ziehen, um Verhalten zu motivieren (Warum nicht einfach aufgeben?), Sucht zu erzeugen (Das war schön! Nochmal!) und eben Neugier anzuregen. Direkt benachbart dazu liegt also der interpedunkuläre Nukleus, ein kleiner, ovaler Kern, der v.a. den hemmenden Botenstoff GABA benutzt.
Die Hirnforscher gewöhnten Mäuse über zwei bis drei Tage hinweg an einen Artgenossen oder ein Objekt. Am dritten Tag fanden einige Mäuse den vertrauten Reiz schon wieder vor, andere eine unbekannte Maus oder ein neues Objekt; diese widmeten dem neuen Gegenüber dann auch merklich mehr Zeit. Das Interesse derjenigen Mäuse, die jeden Tag dasselbe vorfanden, erlahmte hingegen messbar. Im Gegenzug stieg aber die Aktivität der Neuronen im interpedunkulären Nukleus.
Um zu zeigen, dass dieser Korrelation eine Kausalität unterliegt, griffen die Forscher anschließend zum mittlerweile bewährten Werkzeugkasten der Optogenetik, der es erlaubt, in definierte Gruppen von Nervenzellen lichtempfindliche Kanäle einzubringen, so dass diese Neuronen über implantierte Lichtleiter entweder angeregt oder gehemmt werden können - je nach gewähltem Kanal.
Tatsächlich: Wurden die Nervenzellen des interpedunkulären Nukleus gehemmt, dann fanden die Mäuse auch einen längst vertrauten Artgenossen wieder interessant. Wurden die Neuronen hingegen angeregt, dann verloren die Mäuse das Interesse an einem Unbekannten.
In weiteren Versuchen klärte die Arbeitsgruppe noch sehr präzise, woher der interpedunkuläre Nukleus seine Information darüber bekommt, was neu und was vertraut ist. Interessanter finde ich hier aber, was aus dieser Information wird: Wenn der Kern aktiv wird, dann verkündet er sozusagen laut und deutlich: "Laaaangweilig!" Vermutlich - aber das wurde leider nicht untersucht - hemmt er dabei die ventrale tegmentale Area, die ja das Gegenteil sagen würde. Das Umgekehrte jedenfalls zeigten die Forscher: Die ventrale tegmentale Area sagt dem Vorderhirn: "Das ist spannend! Weitermachen!" - und hemmt zugleich den interpedunkulären Nukleus.
Die beiden benachbarten Kerne wirken für unsere emotionale Bewertung von Reizen also als Antagonisten, wie ein Wippschalter, der entweder zur Langeweile oder zur Neugier kippt. Im déjà vu, so kann man vermuten, bekommt er - normalerweise nur für ein paar Sekunden - falsche Angaben und wird dadurch auf "vertraut" geschaltet, obwohl die Analyse in der Hirnrinde findet: "Das kenne ich nicht."
Woraus folgen würde, dass die künstliche Intelligenz, welche die Matrix betreibt, nur ein wenig zu viel des Guten tut, wenn sie nach Änderungen unseren interpedunkulären Nukleus aktiviert, damit wir alles vertraut und unverändert finden.
Von Konrad Lehmann ist gerade das Buch "Das schöpferische Gehirn. Auf der Suche nach der Kreativität - eine Fahndung in sieben Tagen" im Springer Verlag erschienen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.