Demagogen: "Alle sprechen vom 'Volk', das von 'der Elite' unterdrückt wird"
Seite 2: "Die da oben", "Die da draußen" und "Die da unten" werden zu einer Gruppe verschmolzen
- Demagogen: "Alle sprechen vom 'Volk', das von 'der Elite' unterdrückt wird"
- "Die da oben", "Die da draußen" und "Die da unten" werden zu einer Gruppe verschmolzen
- "Entscheidend ist es, das Bild der gespaltenen Gesellschaft zu verstehen"
- "Populismus ist nicht mit Demagogie identisch"
- "Der Rechtspopulismus gedeiht in einem Klima von Angst"
- Auf einer Seite lesen
In Ihrem Buch bezeichnen Sie das Bild einer in zwei Gruppen gespaltenen Gesellschaft als demagogisch.
Walter Ötsch: Genau. Wir sprechen nicht von Populismus oder Rechtspopulismus, sondern von Demagogie, für uns ist das ein präziserer Begriff. Für die im Buch zitierten Politiker und Politikerinnen (von Trump, Le Pen, Wilders, Strache und Hofer, Lucke, Petry, Höcke, Gauland … bis hin zu Orbán oder Kaczynski) kann dieses Bild nachgewiesen werden, wir geben viele Beispiele. Alle sprechen vom "Volk", das von "der Elite" unterdrückt wird.
US-Präsident Donald Trump zum Beispiel hat in seiner Antrittsrede gesagt: "Wir nehmen die Macht von Washington D.C. und geben sie an euch, das Volk, zurück." Der Milliardär Trump glaubt also, Sprecher "des Volkes" (für ihn "der vergessene Mann" und "die vergessene Frau") zu sein und wer sich seiner Politik widersetzt, agiert in seiner Vorstellung direkt gegen "das Volk". Die kritischen Medien sind für Trump folgerichtig "Volksfeinde".
Können Sie das Bild der "demagogischen Gesellschaft", das da gezeichnet wird, näher beschreiben?
Walter Ötsch: In diesem Bild gelten "die Anderen" immer als Feinde, die bekämpft und letztlich zum Schweigen gebracht werden müssen. Genau genommen werden hier drei Gruppen zu einer einzigen zusammengedacht.
Welche denn?
Walter Ötsch: "Die da oben" (die "Elite", die "Altparteien", "das System", "die EU"), "Die da draußen" (die Asylsuchenden, fremde Länder, "der Islam") und drittens "Die da unten": das sind verachtenswerte Leute, die sich Rechte und Privilegien herausnehmen, die ihnen nicht zustehen, wie die "Sozialschmarotzer" - ein Begriff übrigens aus der Sprache der Nationalsozialisten.
Die Kunst von Demagogen besteht darin, diese drei Gruppen zu einer einzigen zu bündeln, so entsteht das Bild der homogenen "Anderen", die mit den homogenen "Wir" in einem Kampf liegen. Ideal kann man diese Verbindungen anhand "der Ausländer" machen. Sie kommen ja von außen, wurden - so die Behauptung - bewusst von "denen da oben" ins Land gelassen (denn "die wollen uns umvolken") und sind, wenn sie im Land sind, "Sozialschmarotzer", weil sie als Arbeitslose oder Sozialempfänger die Staatskasse belasten.
Der ungarische Ministerpräsident Orbán sah zum Beispiel im Flüchtlingszustrom 2015 eine "orchestrierte Kampagne" mit dem Ziel, in Europa die "religiöse und kulturelle Landkarte zu verändern, seine ethnischen Grundlagen umzubauen und dadurch die Nationalstaaten zu vernichten, die das letzte Hindernis für die internationale Bewegung sind". Da sind, so sagte er, "verborgene, gesichtslose Mächte" am Werk - seine Version einer angeblichen Verschwörung auf EU- oder einer noch größeren Ebene.
Das heißt "die Anderen" fungieren als Sündenböcke, die für soziale Probleme verantwortlich gemacht werden?
Walter Ötsch:: Genau. Denn in der "Wir gegen die Anderen-Welt" sind drei Diskurse verschachtelt: ein Moraldiskurs (Wir sind die Guten, die Anderen die Bösen), ein Wahrheitsdiskurs (Bei uns liegt die Wahrheit, die Anderen produzieren dauernd Fake News) und ein Opferdiskurs (Die Anderen sind die Täter, Wir ihre Opfer).
Im Grunde genommen werden alle Probleme, die thematisiert werden, in dieses Schema gepresst. Immer gibt es persönliche Schuldige. Jedes Sachproblem wird in den Kampf "der Wir" gegen "die Anderen" übersetzt und soziale Fragen als "völkische" umgedeutet. Diese Umdeutung ist gravierend. Wenn bestehende soziale Probleme von anderen Parteien nicht gebührend zur Kenntnis genommen und thematisiert werden, können Demagogen punkten und Gehör finden.
Dabei werden aber nicht alle dringenden Themen angesprochen. Ökologische Fragestellungen zum Beispiel passen offensichtlich nicht in ein Wir-gegen-die-Anderen-Schema: Wer sollte hier das Opfer und wer die Täter sein? Sie werden folglich aus dem politischen Prozess entfernt und als nicht existent erklärt: Klimaerwärmung ist nur ein Fake, erfunden von volksfernen Experten aus volksfremden Gründen - wiederum eine Verschwörung, diesmal von "Experten", die im Auftrag "anderer" handeln oder deshalb, weil sie ihre privilegierte Position schützen wollen.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.