Demagogen: "Alle sprechen vom 'Volk', das von 'der Elite' unterdrückt wird"

Seite 4: "Populismus ist nicht mit Demagogie identisch"

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Nun ist Ihr Buch ein Buch über diese Rechtspopulisten. Unterscheidet sich denn der Rechtspopulismus grundlegend von einem anderen Populismus?

Walter Ötsch: Populismus ist nicht mit Demagogie identisch. Demagogie nach unserer Definition beschreibt den demokratieschädlichen Teil des Rechtspopulismus, der hier immer vorhanden ist. Es gibt auch einen Linkspopulismus, der Eliten (in der Mehrzahl) thematisiert (im Gegensatz zu Elite in der Einzelzahl wie im Rechtspopulismus, eine solche Elite gibt es nicht). Hier sollte man die qualitative Differenz klar sehen.

Syriza, Podemos, Corbyn oder Sanders wollen andere Politikinhalte, aber kein anderes politisches System. Die Demokratie wird von ihnen nicht bedroht. Rechtspopulisten hingegen wollen ein anderes politisches System: eine autoritäre Variante der Demokratie, das dann wie in Polen und Ungarn in ein kaum noch demokratisches System kippen kann.

Gehören viele der Merkmale, die Sie Rechtspopulisten zuschreiben, nicht zum Grundbaukasten der politischen Rhetorik und der Meinungsmache, unabhängig davon, ob "Populisten" am Werk sind oder nicht? Man denke an die Aussagen von George W. Bush: "Jedes Land in jeder Region muss sich jetzt entscheiden - entweder es steht an unserer Seite oder an der Seite der Terroristen." Stichwort: "Ausschließlichkeit". Oder von Kurt Beck: "Wenn Sie sich waschen und rasieren, finden Sie auch einen Job." Stichworte: Aggressivität und schüren von Ressentiments. Oder an die von vielen Medien mitgetragene Bezeichnung "Putinversteher", eine Bezeichnung, die das Verstehen quasi zu einem Akt der Feindseligkeit erklärt.

Walter Ötsch: Bush zum Beispiel hatte seine demagogischen Qualitäten. Die Entwicklung der Republikaner von Barry Goldwater über Reagan zu George W. Bush, dann die Tea Party ab 2009 und schließlich die Implosion im Wahlkampf von Trump beschreibt die lange Geschichte einer Partei, die immer demagogischer geworden ist. Aber Demagogie ist nicht mit Zuspitzung und Polarisierung per se identisch, das macht jede Partei. Entscheidend ist der Grad der Differenzierung bzw. ob es zwischen "uns" und "den anderen" noch Gemeinsamkeiten gibt.

Wie bereits angeführt: In einer demokratischen Vorstellungswelt gibt es immer Gemeinsamkeiten mit politischen Gegnern, z.B. ein Rechtssystem, das für alle gilt, oder Menschen- und Freiheitsrechte für alle. Demagogie hingegen behauptet eine prinzipielle Differenz von "Wir" und "den Anderen". Im Kern sind "die Anderen" keine wirklichen Menschen, man spricht ihnen jede Moral ab. "Gutmenschen" zum Beispiel besitzen keine Moral, sie tun nur so. In dieser Denkweise können ihnen nach und nach immer mehr Rechte genommen werden. So kann eine Spirale einer Dehumanisierung "der anderen" entstehen, bis hin zu ihrer Vertreibung oder gar Vernichtung.

Im Überblick über die Rechtspopulisten von Trump bis Orbán kann man studieren, was Demagogen unternehmen, wenn sie über Macht verfügen und wie weit sie gehen, wenn sie nicht gehindert werden. Denn ihr Bild der Gesellschaft ist eine direkte Handlungsanleitung für die Umformung der Gesellschaft: sie soll dem fiktiven Bild eines homogenen Volkes immer ähnlicher werden. Dazu müssen alle Kräfte, die Pluralität und Buntheit garantieren, ausgeschaltet werden.

In Ungarn sind die Medien reglementiert und alle wichtigen Kontrollorgane mit Vertrauensleuten der Fidesz-Partei von Orbán besetzt: Rechnungshof, Finanzmarktaufsicht, Exekutive, weite Teile der Justiz, der Oberste Gerichtshof, die Medienbehörde, die Nationalbank …. Das Wahlrecht wurde verändert und das Bildungs- und Gesundheitssystem zentralisiert. Anstelle der versprochenen Verbesserung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung - dazu ist Demagogie kaum in der Lage - werden regelmäßig suggestiv formulierte Volksbefragungen abgehalten und mit Plakatwellen Stimmung gemacht, zuletzt gegen George Soros mit antisemitischen Anspielungen. Im demagogischen Denken sind immer Eskalationsspiralen enthalten. Ob und wie sie sich realisieren, hängt von den Umständen und den Gegenkräften ab. Das kann man auch an der kurzen Geschichte der AfD studieren: sie ist schrittweise immer radikaler geworden.

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