Demokratiemüdigkeit in den USA

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Die wahren Chancen auf politische Veränderungen in den USA liegen außerhalb des Parteien-Systems

Die zweijährige Ruhephase, die beide Seiten des US-amerikanischen Politik-Establishments nach den letzten Wahlen verspürt haben dürften, neigt sich dem Ende zu. Denn auch wenn die nächsten Präsidentschaftswahlen noch in einiger Ferne liegen, werden die Zwischenwahlen im Herbst zeigen, ob die Demokratische Partei unter Präsident Joe Biden zumindest theoretisch regierungsfähig bleibt.

Die Chancen der Demokraten auf einen Machterhalt sind gering, - besonders im Abgeordnetenhaus. Das liegt zum einen an der derzeitigen politischen Lage. Tatsächlich ist es seit dem 2. Weltkrieg kaum einer Regierung gelungen, ihre Mehrheit in den Zwischenwahlen auszubauen.

Auch die Wahlbeteiligung ist gewöhnlich ungleich niedriger als bei der Präsidentschaftswahl. Kurzum, das Interesse an politischer Teilhabe vieler US-Bürger:innen scheint nicht über das Weiße Haus hinauszugehen, was auch auf einen Mangel an Vertrauen in andere demokratische Institutionen hinweisen könnte, etwa in Senat und Abgeordnetenhaus, die oft direkt für den innenpolitischen Stillstand verantwortlich sind.

Politikverdrossene Bevölkerung: Parteien profitieren

Ironischerweise jedoch profitieren sowohl Republikaner als auch Demokraten von einer politikverdrossenen Bevölkerung, die mittlerweile nicht mehr als reine Symbol-Politik vom Präsidentschaftswahlkampf erwartet. Zudem muss sich in diesem Zweiparteiensystem keine der beiden Parteien ernsthaft um ihr Fortbestehen sorgen.

Wer diese Aufteilung der Macht gefährdet, oder zu sehr akzentuiert, wird von Demokraten schnell als Populist oder Radikaler verschrien.

Die Republikaner hingegen haben gelernt, sich eine Mischung aus Trumps Populismus und Misstrauen gegen den Staat zunutze zu machen. Mit diesen Taktiken waren die Eliten beider Parteien bisher meist erfolgreich. Doch nicht die gesamte Bevölkerung ist durch dieses System gelähmt, einige suchen nach Möglichkeiten politischer Teilhabe jenseits der verkrusteten Machtstrukturen.

Die letzte Chance, die Demokratische Partei von innen zu reformieren, wurde durch das Ergebnis der Präsidentschaftsvorwahlen 2020 vertan. Aber es gab den kurzen Moment, in dem es so aussah, als würde nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten nun auch aufseiten der Demokraten ein Außenseiter das Rennen machen: Bernie Sanders.

Mit System Bernie Sanders verhindern

Viele in der Demokratische-Partei sahen ihre politische Position durch Sanders ambitionierte Reformvorschläge bedroht. Von solch "verrückten" Ideen wie "Universal HealthCare" war in der Demokratischen Partei schon lange keine Rede mehr gewesen und so wurde sein Wahlprogramm prompt Teil der öffentlichen Diskussion.

Die musste das Demokratische Parteiestablishment verhindern, denn eine Verschiebung weitreichend beliebter Sozialreformen in den Bereich des politisch Möglichen gefährdete das Credo einer angeblich "vernünftiger Politik" moderater Demokraten.

Den selbstkreierten Mythos also, dass allzu weitreichende Sozialreformen auf Dauer nicht durchzusetzen seien, da die Republikaner sie so bald wie möglich rückgängig machen würden. Weiten Teilen der Wählerschaft aber gefielen Sanders Vorschläge und er selbst hatte durch sein Auftreten in den Primarys 2016 gegen Hillary Clinton schon einige Anhänger gewonnen.

Also versuchten die liberalen Medien das auf materielle und soziale Bedürfnisse zugeschnittene Wahlprogramm auszuklammern und die Öffentlichkeit auf das altbewährte Feld des Kulturkampfes zu lenken.

Sanders wurde auf das Bild des alten weißen Mannes reduziert und seine Anhänger als "Berni-Bros" abgetan. Ein solches Vorgehen gegen progressive Kräfte in der eignen Partei hatte in einer ähnlichen Situation, in Großbritannien, gegen Labor Kandidat Corbyn, gerade erst Früchte getragen.

Doch Bernie Sanders schien sich über die sorgfältig gezogen Grenzen auf dem Schlachtfeld des US-amerikanischen Kulturkampfes hinwegzusetzen. Die positiven Reaktionen auf seinen erfolgreichen Auftritt in einem von Fox News organisierten "TownhouseMeeting" und in Joe Rogans Podcast Show The Joe Rogan Experience jagten einigen Liberalen und vor allem Konservativen Angst ein. Denn wer über solche Kanäle Trump Wählern die Hand reicht, gefährdet die Spaltung.

Und so, setzten liberale Medien wie der New Yorker die beiden Politiker als Populisten auf die gleiche Stufe. Was in diesem Fall eine Politik beschreibt, die sich über die von den Eliten in Medien und Politik erdachten Regeln des politischen Spiels hinwegsetzt.

Tricks

Trump fegte ganz einfach jegliche Kritik als "Fake News" beiseite. Und Sanders brach mit Programmpunkten wie "Cancel all Student Debt" und "Universal Healthcare" den Konsens, alle Angebote an die Bevölkerung zuerst mit Republikanern und Vertretern der Wirtschaft abzusprechen. Aus Sicht einiger Parteigenossen verhalten sich beide Kandidaten schlicht unfair.

Allerdings stand die Kandidatur des Senators aus Vermont trotz hoher Umfragewerte von Anfang an unter keinem guten Stern. Während des "Iowa Caucus", dessen Wahlergebnis angeblich den Ausgang der Vorwahlen vorwegnimmt, kam es zu einigen Irregularitäten.

Wie Intercept berichtete, hatte das "Democratic National Committee" die App nicht nur mitentwickelt, sondern auch direkten Zugriff auf das Programm. Der Absturz der App mit dem vertrauenerweckenden Namen "Shadow" verzögerte die Wahlergebnisse und erlaubte dem Kandidaten Pete Buttigieg, vorzeitig seinen Sieg zu erklären, – die DNC (National Democratic Comitee) hinderte ihn trotz besseren Wissens nicht daran.

Als die Medien endlich berichteten, dass eigentlich Sanders in Iowa gewonnen hatte, war Buttigieg schon politisch gestärkt, in die nächste Wahlrunde in New Hampshire gegangen. Man kann Berni-Anhängern wohl kaum übelnehmen, wenn sie der Ablauf irritierte. Später kam heraus, dass die App von Veteranen der Hillary Clinton Präsidentschaftskampagne entwickelt wurde und Buttigiegs Wahlkampfteam der Firma Shadow Inc. zuvor 42.500 Dollar für eine Textnachrichten-Software bezahlt hatte.

Ob die DNC ihre Finger im Spiel hatten oder nicht, solche Ereignisse, und der Unwillen der DNC zu einem späteren Zeitpunkt im Zuge einer Untersuchung mit Ermittlern zu kooperieren, unterstreichen, wie wenig das Parteiestablishment der Demokraten 2020 Wert darauf legte, unparteiisch zu wirken, und jeden Verdacht, dass Wahlsystem in den USA könnte manipuliert werden, beiseite räumte. Später dann, als Trump das Ergebnis der Hauptwahl anzweifelte, zeigte man sich bestürzt und wieder mit dem Finger auf einen anderen Populisten.

Die Republikaner hingegen fühlen sich wohler mit ihren volksnahen Kandidaten. Denn Trumps fast ausschließlich auf Kulturkampf basierte Plattform ermöglichte den Republikanern in Senat und Repräsentantenhaus, ihre politischen Interessen durchzusetzen.

Wie u.a. die historische Senkung der Eigentumssteuer während einer Rezension. Dieser Klassenkampf von oben ist allerdings nur möglich, solange die konservative Wertegemeinschaft über alle sozialen Schichten hinweg bedingungslos zusammenhält. Und selbst dann braucht es einiges an antidemokratischen Wahlgesetzesregelungen, um ohne landesweite Mehrheiten noch hin und wieder regieren zu können.