Demontage kritischer Intellektueller
Wie Zeitungsmonopol und ÖVP-FPÖ-Koalition in Österreich ihre Gegner kaltstellen
Niklas Luhmann hätte von "Mechanismen der Exklusion" gesprochen. Eine Polemik in Reaktion auf die Allmacht der "Kronen Zeitung", das Entfernen kritischer Wissenschaftler und die endgültige Schaffung einer medialen Einheitsmacht.
In der Alpenrepublik gibt es viele ungeschriebene Gesetze. Eines davon ist, dass jener Mann, der nach Eigenangaben mit Macht nichts anfangen kann und lieber seinen Hund zuhause streichelt, jener liebenswerte alte Herr also, der hoch oben von der Muthgasse aus auf Wien herabblickt, eigentlich Österreichs längstdienender Bundeskanzler ist. Die Rede ist von Hans Dichand, dem Chef der erfolgreichsten Boulevardzeitung der Welt. Daraus folgt: Willst Du in Österreich etwas werden, mach Dir die "Kronen Zeitung" zum Freund. Das Problem dabei: Die "Kronen Zeitung" sucht sich ihre Freunde immer selbst aus. Zahllos sind die Fälle erfolglosen Balzens um die Gunst des Kleinformats - und damit um den Einstieg ins österreichische Starsystem der Guten, Fleißigen, Anständigen. Der Autor erinnert sich an einen einstigen Salzburger Lokalpolitiker, der vor zehn Jahren eine Positiv-Story lancieren wollte, indem er sich, das "Krone"-Blatt lesend, als adrettes Fotomodell anbot. Auch er ist gescheitert, das Strahlemann-Image wurde ihm verwehrt.
Fallbeispiel Salzburg: Die Entfernung des "Medienprofessors"
Viele haben in dem Match von vornherein verloren: Etwa jene, die sich weigern, mit den Chefredakteuren besagten Blattes bei "Arbeitsessen" in Luxushotels die politische und mediale Agenda für die nächste Zeit festzulegen. Oder jene, die etwas für jene tun, für die die "Kronen Zeitung" nie etwas tun würde, weil es für die Leser-Blatt-Bindung vernichtend wäre: Kampf gegen Wohnungsnot ja, aber bitte nur für wohnungssuchende Jungfamilien. Bloß keine Punks, Asoziale oder gar Ausländer. Volks- und Kleinkunst ja, Avantgarde nein. Sepp Forcher, Salzburgs Volkskultur-Simulakrum, ist einfach der bessere Gérard Mortier. In diesem Spiel hat auch einer verloren, der perfekt ins Feindschema der "Kronen Zeitung" passt: Der aus Wien stammende Medienwissenschaftler Peter A. Bruck, Autor von "Krone"-kritischen Büchern, Experte für Medienökonomie und neue Medien.
Rund 30 Artikel hat die "Kronen Zeitung" in den vergangenen Jahren gegen ihn lanciert, der Tenor war immer derselbe: Man warf Bruck in einem Rohbericht des Rechnungshofs finanzielle Ungereimtheiten vor, die die "Kronen Zeitung" in immer neuen Varianten breitwälzte. Bruck selbst, von allen Vorwürfen längst freigesprochen, wurde klarerweise nie befragt, stattdessen wurde er im Blatt immer nur mit "Medienprofessor" tituliert. Der Hass des "kleinen Mannes" war ihm bald gewiss. Die Menschenhatz auf einen Vater von fünf Kindern und höchst verdienten, weil kritischen österreichischen Medienwissenschaftler endete, wo sie enden musste: Bruck musste am 31. Januar 2001 innerhalb eines Tages sein Büro räumen, Schlüssel und Laptop abgeben und zu jener Firma, die er selbst aufgebaut hat, abrupt Lebewohl sagen.
Die nieder(trächtig)e Kunst der Demontage
Dies ist normalerweise jene Stelle, an der es im Journalismus heißt: "Kein Einzelfall." Unzählig sind seit geraumer Zeit in Österreich die Fälle des Verschwindens kritischer Menschen von der Bildfläche. Schwarzblau hat sich dazu verschiedenste effiziente Taktiken einfallen lassen:
1. Zimmere eine Kampagne: Die "Achsen" funktionieren immer: Ein Rechnungshof-Vorabbericht, in dem ja immer irgend etwas kritisiert werden muss, damit die Existenzberechtigung der Prüf-Institution außer Frage bleibt, wird von der Politik - meistens vom rechten Rand - an das Kleinformat weitergespielt. Daraus wird eine Kampagne gebastelt, die in der Politik recht rasch zur Einsicht führt, man könne die beschossene Person einfach nicht mehr halten. Der Angegriffene müsse aus dem Schussfeld, sei Sand im Getriebe, das System leide unter ihm. - Kampagnen müssen freilich nicht auf Rechnungshofberichten aufbauen, oft stecken schlichtweg denunziatorische Absichten von Widersachern oder gar Feinden aus den eigenen Reihen dahinter. Der Boulevardjournalismus ist in der Regel immer dankbar für derlei "Inputs".
2. Ersetze bottom-up durch top-down-Strukturen: Argumentiere, dass die jeweilige Ressortzuständigkeit Chefsache ist und damit eine Aufwertung erfährt, nachdem Du die ungeliebte Person losgeworden bist (etwa durch Versetzung, Frühpensionierung o.ä.): Löse etwa - wie vor kurzem geschehen - die Abteilung für Film- und Medienkunst im Bundesministerium ganz auf, feuere einen der besten Kunstbürokraten Österreichs. Oder: Hole die Kunst ins Zentrum der Macht und besetze das neu geschaffene "Staatssekretariat für Kunst & Medien" mit einem mehr als zweifelhaften Konvertierten. Und immer gilt: Wie im großen, so im kleinen; wie national, so lokal: Auch im Bundesland Salzburg wurde eine in innovativen Jugendprojekten höchst engagierte und relativ autonome "Jugendservicestelle" mit drei Mitarbeitern aufgelöst, und eine "Jugendkoordination" (man beachte den feinen semantischen Unterschied!) werkt nun unter der Direktaufsicht des Bürgermeisters.
3. Erhöhe dadurch den politischen Druck: Was zur Chefsache geworden ist, das hat an Autonomie verloren. Fördergelder an ungeliebte Institutionen und Personen können gekürzt oder ganz gestoppt werden, programmatische Ausrichtungen verlieren ihre Ecken und Kanten und werden brav und konform. "Salzburg Research", die (ehemalige) Forschungsgesellschaft von Peter A. Bruck etwa, war noch bis vor kurzem Salzburgs Aushängeschild im Bereich Multimedia und neue Technologien. Nun heißt es, man wolle einen Bio- und Holztechnologie-Schwerpunkt aufbauen. Die Politik, der die Forschungsgesellschaft seit mehr als einem Jahr gehört, hat entschieden. Genauer: Die unheilvolle Koalition aus kleinbürgerlicher Politik und kleinformatigem Medium.
Wie (fast) alle mit "Krone" und Schwarzblau koalieren
Gegen diese Taktiken scheint kein Kraut gewachsen zu sein. Im Gegenteil: Die neuesten Coups in Österreich weisen eher darauf hin, dass (un)heimliche Umklammerungen zunehmen werden. Aus ökonomischer Synergie wird politische wie inhaltliche Gleichschaltung: "Wozu weiter bekriegen, gemeinsam sind wir stärker." - Das dachten sich vor einiger Zeit die Nachrichtenmagazine "Format" und "profil", als sie ihre montägliche Magazinschlacht beendeten, das dachten sich nun offensichtlich auch die Zeitschriftengruppe "News" und die FPÖ: Langjährige Kriegsbeile wurden begraben, geheime Absprachen ebneten den Weg zu bislang für unmöglich gehaltenen Koalitionen.
Die Meldung kam erst gestern: Der blaue Justizminister hatte auf einen Rekurs gegen das Ersturteil im betreffenden Kartellverfahren verzichtet, wodurch die Zeitschriften der "News"-Gruppe ("News", "Format" und "tv-media") und die "Mediaprint" von "Krone" und "Kurier" endgültig zur größten Medienmacht im Lande aufsteigen können - und das auch noch mit freudiger Unterstützung durch den ORF. Das Netzwerk aus schwarzblauer Politik der Narrenfreiheit und Medien, die die politische Agenda bestimmen und die Werbewirtschaft geschlossen um sich scharen werden, wurde noch dichter geknüpft. Österreich befindet sich damit endgültig auf dem Weg zur Herrschaft des ungezügelten Opportunismus, befeuert vom närrischen Treiben des Medienmonopols. Anpassung total, um nicht der nächste auf der Abschussliste zu sein, ist zum Überlebensmotto geworden.
Die sogenannte "Zivilgesellschaft", ein ähnlich idealistisches Konstrukt wie "Qualitätssicherung in den Medien", schweigt. Viel zu sehr dominieren in Österreich an jenen Stellen, die mit Autorität und Reputation verbunden wären, brave Beamte in einer Mischung aus Selbstherrlichkeit und Inkompetenz. Man beklagt das Fehlen des Bourdieu'schen "eingreifenden Intellektuellen" und merkt nicht, dass man selbst gerade das nie war und ist. Schwarzblau fällt es im Gegenzug leicht, die vielen Widerstandsinitiativen als letztes gewaltbereites Aufbäumen linkslinker Bummelstudenten darzustellen, die einfach nichts Besseres zu tun haben. Fürwahr, ein "Land ohne Opposition".
Willkommen im Neuen Österreich! Die Geschichte endet hier sicher noch nicht.
Dr. Stefan Weber ist Medienwissenschaftler aus Salzburg und Autor des "Krone"-kritischen Buches "Nachrichtenkonstruktion im Boulevardmedium".