Der Autor, der die Fakten liebt

Interview mit Michael Crichton

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In seinen Romanen beschäftigt sich Michael Crichton, der eigentlich Mediziner und Anthropologe ist, mit Astronomie, Biologie und Computern, er kritisiert gelegentlich die Massenmedien und erweckt hin und wieder Dinosaurier zum Leben. Als Autor von Bestsellern wie "Dinopark" oder "Vergessene Welt" brach der "Meister des Techno-Thrillers" alle Kassenrekorde. Nebenbei hat der 57-jährige Amerikaner sieben Filme gedreht.

In seinem neuen Roman "Timeline" geht es Michael Crichton um eine Zeitreise von einigen Wissenschaftlern ins Frankreich des 14. Jahrhunderts - und ganz nebenbei um die neuesten Erkenntnisse der Quantentheorie. Ein Gespräch mit dem amerikanischen Multimillionär und Multitalent.

Warum geht es in Ihren Romanen immer, zumindest im Hintergrund, um Wissenschaft?

Michael Crichton: Das liegt wohl daran, dass die technologische Welt zu der Zeit, als ich zu schreiben anfing, ein Bereich war, der von Literaten vollkommen ausgeklammert wurde. Im Gegensatz dazu haben mich die Möglichkeiten von Technik und Wissenschaft immer schon fasziniert.

Sind Sie ein Sciencefiction-Autor?

Michael Crichton: Tja, gute Frage. Die meisten Sciencefiction-Autoren geben mir deutlich zu verstehen, dass ich nicht zu ihnen gehöre, weil ich keine klassische Sciencefiction schreibe. Deshalb habe ich mir angewöhnt, auf diese Frage mit Nein zu antworten.

Aber die Möglichkeiten der Wissenschaft lassen Sie nicht in Ruhe?

Michael Crichton: Nein, denn ich finde es ungemein wichtig, dass sich eine Gesellschaft Gedanken über die Zukunft macht, damit sie weiß, in welche Richtung sie steuert.

Und deshalb wollen Sie nicht nur unterhalten, sondern auch aufklären?

Michael Crichton: Genau, ich versuche es zumindest.

Haben Sie sich für "Timeline" wieder mit zusammen mit Wissenschaftlern vorbereitet?

Michael Crichton: Nein, diesmal habe ich fast ausschließlich als Autodidakt gearbeitet. Die Recherchen für den Roman haben drei Jahre gedauert, länger, als ich üblicherweise brauche. Aber das hat auch daran gelegen, dass ich in Timeline über die Möglichkeiten der Quantentechnologie schreibe, die noch relativ neu und unerforscht sind. Das Thema einer Zeitreise - das ist so ähnlich wie mit dem Boom des Internets: Es gibt zwar vielfach noch keine praktische Anwendung, heizt aber schon jetzt kräftig die Fantasie an.

: In Ihren Büchern verlieren Wissenschaftler regelmäßig die Kontrolle über ihre Erfindungen. Soll das eine Warnung sein?

Michael Crichton: Oh ja. Als ich meine ersten Bücher veröffentlicht habe, war es doch so: Das, was technisch möglich war, wurde auch gemacht. Ohne dass die Erfinder dafür Verantwortung übernahmen. Heute dagegen ist zu beobachten, dass Wissenschaftler die Notwendigkeit erkannt haben, über die Konsequenzen ihrer Forschung nachzudenken. Deshalb verweigern sich einzelne Wissenschaftler bei heiklen Themen. Darum geht es mir auch in meinen Romanen.

Bis jetzt ist jeder Ihrer Romane verfilmt worden. Haben Sie beim Schreiben schon den späteren Film im Kopf?

Michael Crichton: Nein, aber seitdem ich schreibe, ist mir immer wieder gesagt worden, dass sich meine Bücher wie geschriebene Filme lesen, was daran liegen mag, dass ich immer bestimmte Bilder im Kopf habe, die ich dann im Prinzip nur noch abschreibe.

Und haben Sie das Drehbuch für "Timeline" schon beendet?

Michael Crichton: Oh nein, das habe ich noch gar nicht geschrieben und werde ich auch nicht schreiben. Die Zeitreise ist für mich durch. Jetzt noch das Drehbuch zu schreiben, wäre, wie dasselbe Kind zwei Mal zu bekommen.

Michael Crichton: "Timeline". Roman. Karl Blessing Verlag, München 2000, 572 S., 44,90 DM