"Der Beweis für die absolute Effizienz der Videoüberwachung"
Französisches Big-Brother-TV "Loft Story" gefällt den Neofaschisten
Während im deutschsprachigen Raum das Endemol-Container-Format "Big Brother" nicht mehr über den Bildschirm flimmert, ist in Frankreich mit "Loft Story" eine TV-Show mit dem gleichen Grundmuster weiterhin auf Sendung. Das Konzept der permanenten Videoüberwachung beflügelt die Phantasien der neofaschistischen Partei Mouvement National Républicain MNR.
Es mag der sommerlichen Saure-Gurken-Zeit oder dem Geltungsdrang einer von gesellschaftlicher Ächtung bedrohten Partei geschuldet sein. Tatsache ist, dass sich Franck Timmermans, Generalsekretär der neofaschistischen Partei MNR - eine Abspaltung des historischen Front National - am 22. Juni mit einer Presseerklärung einzig und alleine zum Thema "Loft Story" an die Öffentlichkeit wandte. Nicht irgendwelche zwischenmenschlichen Schweinereien haben die Moralapostel der äußersten Rechten auf den Plan gerufen - im Gegenteil. "Nach mehreren Wochen Ausstrahlung von 'Loft Story', sei die Zeit gekommen für eine Bilanz", steht einleitend auf dem offiziös anmutenden Papier Timmermans. Der MRN-Generalsekretär zeigt sich "voll und ganz zufrieden von diesem Konzept". Der Grund dafür: Die Sendung sei der Beweis für die Effizienz der permanenten Videoüberwachung angesichts der Verlockung von delinquentem Verhalten. Doch damit nicht genug. Lobenswert sei zudem, dass jedermann mittels Telefon- und Online-Stimmabgabe direkt ins Geschehen eingreifen könne; ein Mittel das die politische Klasse der Bevölkerung vorenthalte.
Die Lobhudelei Timmermans ist doch einigermassen überraschend angesichts einer vernichtenden Stellungnahme zu "Loft Story" des MRN-Vorsitzenden Bruno Mégret Mitte Mai. In einer Rede zu Ehren der französischen Nationalheldin Jeanne d'Arc geisselte Mégret "Loft Story" als Ausdruck des Wertezerfalls. Obwohl dieses Reaktionsmuster eher ins Bild der äußersten Rechten passt, liegt die Beurteilung von "Loft Story" als perfektes Kontrollszenario näher bei der französischen Realität. In Lyon etwa werden seit diesem Jahr ein sogenannt "sensibles" Quartier und Teile der Innenstadt mit Videokameras überwacht. Die Bilder sind gleichzeitig der kommunalen und der nationalen Polizei zugänglich. In der entsprechenden Gesetzesvorlage wurde fest gehalten, dass die Aufnahmen zehn Tage nach Sichtung gelöscht werden müssen.
Stark gemacht für das Überwachungsprojekt hatten sich im vergangenen April insbesondere die Rechtsparteien, aber auch Teile der regierenden Sozialisten. Gegenstimme gab es nur eine einzige von einer kommunistische Abgeordneten. Auch eine Nachbargemeinde von Lyon hat schon seit 1997 an neuralgischen Punkten Videokameras aufgestellt. Doch im Land der Bürger- und Menschenrechte regt sich Widerstand gegen die Überwachungspläne. Die Initiative "Non a Big Brother" ist regelmäßig mit Aktionen in der Lyoner Innenstadt präsent und verdeckt etwa die Kameras mit Transparenten. So erst jüngst Mitte Juni während einer landesweiten Aktionswoche gegen die Videoüberwachung.