Der Countdown läuft
Zwei Wochen vor dem 11. September tobt in Funk und Fernsehen eine Schlacht pro und contra Verschwörungstheorien
Neulich Panorama - und jetzt Monitor. Plötzlich beschäftigt sich das erste deutsche Fernsehen mit Verschwörungstheorien. (Sowohl Panorama als auch Monitor werden auf ARD ausgestrahlt, wobei Panorama beim NDR, Monitor dagegen im Hause WDR produziert wird.) Heute Abend um 20.15 Uhr, zur besten Sendezeit also, bringt das ARD-Magazin Monitor einen Beitrag mit dem Titel Das Lügengebäude der US-Regierung.
Was genau im Monitor-Beitrag gezeigt wird, ist noch nicht bekannt. Der Titel lässt jedoch vermuten, dass es - anders als bei Panorama - nicht vornehmlich um das Bashing von so genannten Verschwörungstheoretikern geht. Kleiner Hinweis vorneweg: Wer die Sendung verpassen sollte, kann sich auch auf der Website kundig machen, denn dort gibt es ab Freitag den Beitrag als RealVideo nebst Manuskript.
Spätestens seit die ZEIT herausgefunden hat, dass ein nicht unerheblicher Teil der deutschen Bevölkerung zu Verschwörungstheorien neigt und es für durchaus möglich hält, dass die US-amerikanische Regierung höchstselbst hinter den Anschlägen auf das World Trade Center steckt, ist das Thema Verschwörungstheorien salonfähig geworden. Und sei es nur, um sich dagegen abzugrenzen.
Wie neulich in Panorama, wo in einem Beitrag mit dem Titel Juden, BKA und CIA - Absurde Verschwörungstheorien zum 11. September per Rundumschlag versucht wurde, die prominentesten deutschsprachigen Skeptiker alle miteinander zu diskreditieren: Gerhard Wisnewski, Mathias Bröckers (vgl. Telepolis Special, the wtc conspiracy), Andreas von Bülow - und Horst Mahler. Der durfte natürlich nicht fehlen. Weil er auch eine Theorie hat zum 11.9. Nun wäre das an sich kein Grund, ihn ins Fernsehen zu bringen. Auch den Machern des Beitrags war es ziemlich egal, ob was dran sein könnte an seiner Theorie, dass da gar kein Flugzeug, sondern vielmehr ein Marschflugkörper ins WTC gelenkt wurde. Weil es den Autoren des Beitrags um etwas ganz anderes ging. Schließlich taugt so ein bekennender Antizionist prima zum Feindbild. Und weil eine auch nur angenommene Übereinstimmung mit Horst Mahler jeden aufrechten Deutschen ins Zwielicht bringt, muss man nur den Mahler dazwischenschneiden, und fertig ist die Schmähkritik an Wisnewski, Bröckers und von Bülow. Danach werden alle in einen Topf geworfen und tragen uniform die Bauchbinde "Verschwörungstheoretiker".
Und als ob alle der anzitierten Herren in allen Punkten übereinstimmten und allesamt denselben Standpunkt verträten, wurde wild hin- und hergesprungen zwischen einzelnen Aspekten, die - jeder für sich - vielleicht dazu dienen könnten, die offizielle Version zum 11.9. auf ihre Schlüssigkeit zu überprüfen. Statt jedoch den Gesetzen der Logik zu folgen und sich an einzelnen Fragestellungen konsequent abzuarbeiten, wurden seitens Panorama - man kann es nicht anders nennen - ständig Äpfel mit Birnen verglichen.
Statt zum Beispiel Gerhard Wisnewski zu seinem Buch und den darin vertretenen Thesen zu befragen, oder ihn vielleicht sogar mit einem sachdienlichen Gegenargument zu konfrontieren, sollte er nur als Stichwortgeber für ganz andere Schauplätze dienen. Damit kommt man auf der sachlichen Ebene natürlich nicht weiter. Man stiftet damit höchstens Verwirrung. Wem das nützt? Nun ja, der Quote kommt so ein "Aufreger" auf alle Fälle zugute. Außerdem schreit so ein Beitrag nach Fortsetzung, was dann wieder Quote bringt. Und nicht zuletzt bescherte die Sendung dem Forum von Panorama jede Menge Besucher.
Die Sache ging jedoch gründlich daneben. Das Gros der Zuschauer war not amused und bekehren ließ es sich erst recht nicht. So stimmten bei der Frage "Denken Sie, die US-Regierung könnte den Terror selbst in Auftrag gegeben haben?" 64,93 Prozent mit "Ja" und nur 35,07 Prozent mit "Nein". Und das, obwohl der Besucher links neben dem Kästchen mit der Abstimmung deutlich gewarnt wurde:
Man muss nur ein Datum nennen und jeder weiß Bescheid: 11. September. Genau der Tag, an dem - Achtung: Jetzt kommt's! - die Amerikaner das World Trade Center mit einer Atombombe gesprengt, in das Pentagon eine Rakete gejagt und 19 unschuldige Araber dafür verantwortlich gemacht haben. So jedenfalls deuten Verschwörungstheoretiker die Fakten um und ergießen ihre Theorien in Bücher, die zu Bestsellern werden. Offenbar glauben viele Deutsche daran, dass nicht Bin Laden, sondern der amerikanische Geheimdienst CIA hinter den Anschlägen steckt. Denken Sie, die US-Regierung könnte den Terror selbst in Auftrag gegeben haben?
Für diejenigen, die jetzt "Ja" gesagt haben: Unser Beitrag zu dem Thema zeigt Ihnen, wie absurd die Behauptungen der Verschwörungstheoretiker sind.
Quelle
Eine kritisch kommentierte Analyse des Panorama-Beitrages findet man übrigens hier
Auch im Radio tobt die Schlammschlacht um den 11.9. - gestern zum Beispiel durfte man beim Sender Radio Eins im RBB in der Sendung "Der schöne Morgen" erleben, wie Hans Leyendecker - hauptberuflich Politik-Redakteur bei der Süddeutschen Zeitung und vielen bekannt durch seine Recherchen in Sachen CDU-Spendenskandal - heftigst gegen Verschwörungstheorien aller Art wetterte. Gleich im ersten Satz bezeichnete Leyendecker die so genannten Verschwörungstheoretiker pauschal als "Verschwörungsidioten".
Insbesondere den ehemaligen Minister und Staatssekretär Andreas von Bülow geißelte Leyendecker als "Psychopathen". Gerhard Wisnewski wurde namentlich nicht erwähnt, allerdings wurden Mathias Bröckers, Andreas von Bülow und Horst Mahler nach Panorama-Manier in einen Topf geworfen. Des weiteren regte Leyendecker sich darüber auf, dass die Bevölkerung diesen "Quatsch" offenbar brauche und gab sich sehr besorgt über die geistige Verfassung der Nation. Zwischendurch brachte er noch die Opfer ins Spiel, die angeblich verhöhnt würden.
Leider ist Leyendecker nicht der Einzige, der kritische Fragen und die Suche nach einer plausiblen Erklärung für die Vorgänge vor, am und nach dem 11.9. mit "Verhöhnung der Opfer" verwechselt. Auch Panorama schlug in diese Kerbe. Scheinbar hält man diese Unterstellung - denn um nichts anderes handelt es sich hier - für ein Totschlagargument. Tatsache ist: Weder Wisnewski, noch Bröckers, noch von Bülow stellen in Frage, dass Tausende von Menschen ums Leben gekommen sind am 11.9. Sie stellen lediglich in Frage, dass das, was als "offizielle Version der Ereignisse" von der US-amerikanischen Regierung propagiert und von weiten Teilen der deutschen Medien nachgebetet wird, der Wahrheit entspricht.
Angesichts dieses Medienklimas vermuten die Zuschauer schnell mal Zensur, wenn eine Doku über den 11.9. nicht wie angekündigt ausgestrahlt wird. Neulich zum Beispiel gab es wilde Spekulationen über die Hintergründe der Nicht-Ausstrahlung von Aktenzeichen 11.9. ungelöst von Gerhard Wisnewski und Willy Brunner. Eigentlich sollte die Sendung, die am 20.06.03 erstmals im WDR ausgestrahlt worden war, am 21.07.03 um 21.00 Uhr bzw. am 22.07.03 um 6.15 Uhr sowie um 10.00 Uhr auf Phoenix wiederholt werden. Zur fraglichen Zeit bekamen die geneigten Zuschauer jedoch nicht "Aktenzeichen 11.9. ungelöst", sondern die Doku "Undercover bei Al-Quaida" beziehungsweise einen Bericht über einen Weinberg in Brandenburg serviert. Die Programmänderung war aber keine Folge von Zensur, wie im Telepolis-Forum stellenweise vermutet wurde.
Im Gegenteil, der enorme Erfolg der Doku war schuld daran. Angesichts der hervorragenden Quote wollte man beim WDR die Wiederholung lieber selbst zeigen als die entsprechenden Rechte Phoenix zu überlassen. Mit anderen Worten: weil beide Sender die Doku unbedingt zeigen wollten, wurde sie nirgends ausgestrahlt. Paradox aber wahr.
Der Hinweis auf die Wisnewski/Brunner-Doku stammt übrigens aus dem Bericht über die Tagung "Der inszenierte Terrorismus - Die Anschläge am 11. September 2001" (vgl. Der inszenierte Terrorismus). Dieses Symposium wird wie angekündigt am 7. September fortgesetzt. Diesmal sind auch einige Autoren aus dem Ausland vertreten. Vor der großen Diskussionsrunde am Abend finden mehrere Parallelveranstaltungen statt. Darin geht es um Entwicklungen im Bereich von Völkerrecht und Menschenrechten nach dem 11.9., den staatlich gelenkten Terrorismus in Italien, neue Recherche-Erkenntnisse zum 11.9., um Al-Qaida, das strategische Konzept hinter den US-Kriegsplänen und nicht zuletzt um die Rolle der Medien. Angesichts der aktuellen Sendungen gibt es auch dazu sicher einiges zu berichten.
Von den in Panorama attackierten Autoren wird einzig Mathias Bröckers da sein, allerdings kann man Gerhard Wisnewski zu folgenden Terminen im Radio hören:
Mo, 1.9. 20.30-21.00 (Lifestream von NDR info) So., 7.9.,11.00-12.00 auf SR 2 (Saarländischer Rundfunk 2)