Der "Ernstfall Frieden" und die Einflüsterungen der Revisionisten
Seite 3: Die Radikalisierung des "Bürgertums"
- Der "Ernstfall Frieden" und die Einflüsterungen der Revisionisten
- Die "pazifistischen Lehren aus der Geschichte"
- Die Radikalisierung des "Bürgertums"
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In den USA, so meint Jakob Augstein in einer aktuellen Kolumne, stehe die Machtübernahme von Milliardären und Militärs bevor. Es gelte, "die bürgerliche Gesellschaft vor sich selbst zu retten".
Die Radikalisierung des "Bürgertums" vollzieht sich jedoch mitnichten nur jenseits des Atlantiks im Sauseschritt. Der AfD-Politiker Alexander Gauland hat schon 2012 - damals noch als CDU-Mitglied - eine Rückkehr zur preußischen Militärdoktrin eingefordert und plädiert für eine Klärung der großen Zeitfragen "mit Eisen und Blut".
In den als maßgeblich geltenden Medienredaktionen scheint kaum jemand befähigt und willens zu sein, sachgerecht der Frage nachzugehen, wie die aktuelle deutsche Militärdoktrin denn überhaupt noch völkerrechts- und verfassungskonform aufgefasst werden kann. Auf internationaler Ebene stimmt die deutsche Regierung im Sinne der Atombombenbesitzer ab.
Mit einem nunmehr offensiven Bekenntnis zu dem, was die Herrschenden schönfärberisch "nukleare Teilhabe" nennen, soll es nicht genug sein. Der FAZ-Herausgeber Berthold Kohler hat am 27.11.2016 die deutsche Atombombe gefordert (vgl. Deutschland: "Eigene nukleare Abschreckungsfähigkeit"?) .
Mit Blick auf die weltkirchlichen Aufbrüche kann man nur staunen, wie hierzulande die Friedensfrage in den Großkirchen, der Christdemokratie oder den Überresten des "politischen Katholizismus" bestenfalls als Randthema gewürdigt wird. Die Sozialdemokratie wäre - drängender denn je - gefordert, im Gefolge Gustav Heinemanns und Willy Brandts klarzustellen: Die einzige - schier alternativlose - Perspektive der Zivilisation heißt Frieden.
Doch einstweilen vernimmt man hier nur lokale Stimmen wider die Militarisierung der Politik oder "Pensionäre" wie Erhard Eppler und Ex-MdB Michael Müller (ehem. Staatssekretär; Naturfreunde). Der grüne Nonkonformist Christian Ströbele wird 2017 das Parlament verlassen. So etwas wie eine Nachfolge für diesen bedeutenden Demokraten ist nicht in Sicht. Soll man dem Gefühl von Vergeblichkeit nachgeben und verstummen?
Die Versuchung, sich auf Pathos, Sentimentalität und Klage zu verlegen, ist groß. (Dies schreibe ich nicht mit einem Zeigefinger, der auf andere zeigt!) Das Werk "Ernstfall Frieden" von Wolfram Wette erschließt hingegen - jenseits leichtfertiger Tröstungen - eine Perspektive wider den Fatalismus.
Bankrott des neoimperialistischen Paradigmas
Die jungen Pazifistinnen und Pazifisten mögen es lesen: nicht zuletzt, um "kräftig genährt" zu werden durch das klare Denken, den Mut und die Schönheit (!) der Frauen und Männer, die vor uns die Sache des Friedens betrieben haben. Die schon nicht mehr jungen Pazifisten in deutschen Landen werden dem Autor dankbar sein für die Möglichkeit zur Selbstvergewisserung.
Denn die "alte Friedensbewegung" bleibt der Aufklärung - als einem linken Unternehmen - und damit der lichten Seite des bürgerlichen Zeitalters verpflichtet. Die Lektüre von "Ernstfall Frieden" befähigt uns, mit einem wachen Geschichtsgedächtnis den Scharlatanen des kriegsfreundlichen Revisionismus zu widerstehen.
Die "Berliner Republik" steht nicht unter dem Leitbild eines friedensbewegten Verfassungspatriotismus. Es walten Tagespragmatismus und Orientierungslosigkeit. Namentlich auch im Militärministerium fehlt jede Einsicht in den Bankrott des neoimperialistischen Paradigmas.
Eine Vision gibt es nicht, weshalb man die inhaltsleere PR-Geschwätzigkeit ohne Rücksicht auf Schmerzgrenzen überdehnt. Konservative mit christlichem Anspruch, Sozialdemokraten oder Liberale scheinen kaum noch etwas zu wissen von ihren Altvorderen, die im Kaisereich und in den 1920er Jahren als hellsichtige Friedensdenker in Erscheinung getreten sind. Umso mehr sei auch ihnen das Buch empfohlen.
Wer hat die attraktiveren Bilder?
Die Rahmenbedingungen für den pazifistischen Einspruch, so zeigt Wolfram Wette, sind heute jedoch grundlegend andere als während der Weimarer Jahre. Eine imponierende Bevölkerungsmehrheit versagt sich seit über drei Jahrzehnten den kriegerischen Heilslehren. Die Bemühungen, ab 1945 die Gesellschaft gegen den in der Adenauer-Ära noch äußerst regsamen Militarismus zu immunisieren, waren am Ende nicht vergeblich.
Nun kommt es bei ausbleibenden Massenmobilisierungen darauf an, das eigene Denken nicht auf Twitter-Formate zu reduzieren und trotzdem im Dienste des Friedens eine Oberhoheit über die "Schlagzeilen" zurückzugewinnen: Frieden, gewaltfreie Verfahren und Gerechtigkeit, eine andere Zukunft gibt es für die nahegerückte Menschenfamilie nicht!
Zu den "Lehren aus der Geschichte" gehört in diesem Zusammenhang der Sinn für eine Fragestellung, die nicht zuletzt auch ästhetischer Natur ist: Wer bringt im öffentlichen Raum die attraktiveren - wirkmächtigen - Bilder ins Spiel?
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