Der "Faschist" und sein Putsch

Putsch in Honduras 2009. Bild: Yamil Gonzales/CC BY-SA 2.0

Weshalb die Vorgeschichte des geschassten AfD-Sprechers Christian Lüth aufschlussreich ist

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Nachdem die Alternative für Deutschland (AfD) am Freitag ihren langjährigen Partei- und Fraktionssprecher mit sofortiger Wirkung freigestellt hat, ist die Personalie Christian Lüth wieder in den Schlagzeilen. Der 43-Jährige wurde nach Berichten der Wochenzeitung Die Zeit und Nachrichtenagenturen wie dpa und AFP vom Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland persönlich seiner Aufgaben entbunden.

Zuvor soll Lüth sich wiederholt selbst als "Faschist" bezeichnet und in Bezug auf seinen Großvater seine "arische" Abstammung hervorgehoben haben. Wolfgang Lüth war im Zweiten Weltkrieg ein hochdekorierter NS-Marinekommandant.

Wechsel von FDP zur AfD

Lüth hatte in den vergangenen Jahren immer wieder für Schlagzeilen gesorgt. Nachdem er zunächst für die FDP im Bundestag tätig war, wechselte er zur parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die ihn nach Honduras entsandte. Dort unterstützte er 2009 einen Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung von Präsident Manuel Zelaya. Von dem Umsturz hat sich das mittelamerikanische Land bis heute nicht erholt, Honduras gehört mit einer der höchsten Mord- und Fluchtzahlen zu den Krisenherden Lateinamerikas.

Nachdem die FDP 2013 nicht wieder in den Bundestag gewählt wurde, wechselte Lüth zur AfD. Die Zeit verweist in ihrem Autorenbeitrag auf zahlreiche Skandale während seiner Tätigkeit für die Alternative für Deutschland.

So soll er seinen Lebenslauf geschönt haben und gegen Journalisten wiederholt aggressiv aufgetreten sein. Das scheint nun vorbei zu sein. Auf Twitter stammt sein letzter Eintrag vom 17. April, als Lüth einen Text der Zeitschrift Focus retweetete. Beim Kurznachrichtendienst bezeichnet sich Lüth weiterhin als "Pressesprecher der AfD-Bundestagsfraktion".

Das grundlegende Selbstbild Lüths als Faschist und seine positiven Bezüge zum NS-System mag einer Radikalisierung geschuldet sein. Es weist aber auch Kontinuitäten seit seiner Zeit bei der FDP-nahen Naumann-Stiftung auf, die in den Berichten über seine nun erfolgte Freistellung ausgeblendet wurden.

Tatsächlich war der Putsch in Honduras 2009 das Vorspiel eines Rechtsrucks, der in Lateinamerika erstmals seit Ende der Militärdiktaturen der siebziger und achtziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts faschistische Kräfte zurück an die Schalthebel der Macht gebracht hat.

"Fachlich disqualifiziert"

Daher hatte seine Positionierung zum Umsturz in dem mittelamerikanischen Land auch im Bundestag für heftige Kritik gesorgt, zumal Lüth 2011 vom einstigen FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel rekrutiert werden sollte. Auf Anfrage des damaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten Thilo Hoppe hieß es aus dem Ministerium seinerzeit, Lüth werde "als Referent im Bereich der Steuerung der Durchführungsorganisationen eingesetzt".

In seiner Anfrage hatte Hoppe darauf hingewiesen, dass Lüth als Stiftungsvertreter "den Putsch in Honduras im Juni 2009 rechtfertigte". "Lüth sollte klarstellen, ob er immer noch der Meinung sei, die Putschisten hätten damals gute Argumente für den Staatsstreich gehabt", forderte der Bundestagsabgeordnete.

Auf Kritik stieß die letztlich zurückgenommene Berufung auch bei der Linkspartei und SPD. Die Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel wies darauf hin, dass die Position der Naumann-Stiftung zum Putsch in Honduras im Widerspruch zum Urteil der UNO, der OAS, der EU und der damaligen deutschen Regierung stand. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Sascha Raabe sagte, Lüth habe sich durch seine Aussagen während des Putsches in Honduras "fachlich disqualifiziert".

Dieses Urteil trifft ohne Zweifel auch auf den jüngsten Skandal zu. Zugleich zeigt Lüths politisches Wirken, welche Konsequenzen ein Erstarken der neuen Rechten außenpolitisch hätte. Honduras war 2009 unter Zelaya auf einem Weg der Stabilisierung und genoss über neue Regionalbündnisse Unterstützung andere Staaten der Region. Heute ist Honduras ein gescheiterter Staat. Die Polizei hat im vergangenen Jahr knapp 4.000 Morde und 70 Massaker dokumentiert.