Der Koloss schwächelt
Die neue Koreakrise demonstriert die Unfähigkeit des Neuen Rom zum Zweifrontenkrieg
Die Ausweisung zweier Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA); die Entfernung der Siegel und Überwachungskameras am Reaktorkomplex von Yongbyon; die Kündigung des Atomwaffensperrvertrages; die Bekanntgabe, mit atomaren Raketentests fortzufahren und Langstreckenwaffen zu entwickeln - diese Eskalationsspirale, die Nordkorea in Gang setzt, hat das Imperium ganz offensichtlich auf dem falschen Fuß erwischt.
Die hemdsärmelige Politik Washingtons, Nordkorea ausgerechnet zu dem Zeitpunkt als Teil der "Achse des Bösen" zu bezeichnen (Zehntausende über die Welt verstreute tickende Zeitbomben), als die "Sonnenscheinpolitik" (Aussöhnung mit dem Süden, Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und Familienzusammenführungen ...) erste Früchte zu tragen schien, erweist sich im nachhinein als schwerer politischer Fehler.
Es sei denn, man geht davon aus, dass dieser Konflikt von der Regierung Bush bewusst und gezielt provoziert worden ist, um einen Keil zwischen den Norden und den Süden zu treiben. Völlig abwegig ist das indes nicht. Zumal vor allem die Stimmung der Jüngeren im Süden sich Zug um Zug gegen die US-Schutzmacht zu wenden beginnt (Anti-U.S. Sentiment Deepens in S. Korea) und das Imperium dadurch Gefahr läuft, einen seiner wichtigsten Stützpunkte und Machtpfeiler in Asien zu verlieren. Das scheint auch ein Kolumnist der New York Times zu merken. Er stellt Seoul vor die Wahl: entweder sich den USA oder dem Norden zuzuwenden. Tertium non datur.
Double Standard
Wie auch immer man die taktischen Manöver und gegenseitigen Beschuldigungen in diesem Konflikt einschätzt, ob Nordkorea ein geheimes Atomprogramm betreibt, dies gegenüber dem US-Vermittler James Kelly auch zugegeben hat oder die USA in diesem Fall lügen: Das Land, dessen Führer Kim von der Regierung oder den US-Medien schon mal als "Zwerg" (Pygme) bezeichnet wird, fühlt sich von den Bush-Kriegern zu Recht in seinem Existenzrecht bedroht.
Die Angst, nach Bagdad zu "Gullivers nächstem Halt" zu werden, ist darum riesengroß. Schließlich werden dem Land mit dem Etikett rogue state die Rechte eines "vollwertigen und souveränen Staates" formal abgesprochen. Außerdem droht Nordkorea, Ziel eines möglichen atomaren Erstschlages durch die USA werden. Wider Erwarten und zur Überraschung der Bush-Krieger hat sich Pjöngjang davon aber nicht einschüchtern lassen. Mutig und selbstbewusst bietet es dem Imperium die Stirn und zeigt ihm, was eine Harke ist.
Mir wäre es egal, wenn die Amerikaner gehen würden. Wenn Nordkorea Atomwaffen will, soll es sie ruhig haben. Nordkorea würde uns nie angreifen. Wir sind ein und dasselbe Volk. Seine eigene Familie bombardiert man doch nicht.
Kim Young Ran, 29, Südkoreanerin
Dementsprechend nervös und unschlüssig reagiert darum auch die US-Regierung; und dementsprechend wirr und vielstimmig fallen die Ratschläge, Pläne und Strategien aus, wie mit Pjöngjang in Zukunft weiter verfahren werden soll. Im fragilen Machtdreieck zwischen State Department, Pentagon und Oval Office, das durch Colin Powell, Donald Rumsfeld und Condi Rice repräsentiert wird, scheint sich wieder mal die Sicherheitschefin durchgesetzt zu haben. Mit ihrer Empfehlung, die Problemfälle Irak und Nordkorea strikt voneinander zu trennen und in je unterschiedlicher Weise zu behandeln, hat sie offenkundig Gehör beim Präsidenten gefunden.
Um die bevorstehende Irak-Mission nicht in Gefahr zu bringen, beschreitet die Administration wohl oder übel den Weg der Diplomatie. Sie setzt auf Dialog und bietet Pjöngjang erneut Getreide- und Energielieferungen an, wenn das Land im Gegenzug auf sein Atomprogramm verzichtet. Vorbedingungen, wie etwa die Öllieferungen an ihr Wohlverhalten zu knüpfen, lehnt die Regierung in Pjöngjang aber bislang strikt ab. Stattdessen besteht sie auf einem Nichtangriffspakt mit den USA, auf Sicherheitsgarantien und der Anerkennung als legitimer Nuklearstaat durch sie. Kim Jong Il weiß, dass der Fortbestand des Regimes und die territoriale Unversehrtheit des Landes allein auf dieser Drohkulisse ruhen.
Die Falken schäumen
Kein Wunder, dass die Hardliner ob dieser Unverfrorenheit Pjöngjangs vor Wut schäumen und ihnen deswegen die Zornesröte ins Gesicht steigt. Dies kann der Beobachter jedenfalls etlichen Kolumnen entnehmen, die beispielsweise Dennis Ross in der Washington Post und Robert Kagan und Bill Kristol sowie Henry Sokolski und Victor Gilinsky im Weekly Standard, der Hauspostille der US-Falken, zum Thema letztes Wochenende verlauten haben lassen.
Wenn sie ein paar Bomben mehr haben, dann haben sie eben ein paar mehr.
Colin Powell
Richtig ist, dass der Hungerstaat weit gefährlicher für die Pax Americana sein kann, als es der Irak im nächsten Vierteljahrhundert jemals sein wird. Zwar besitzt das Land keine großartigen Bodenschätzen, deren Kontrolle man sich sichern möchte. Doch liegt das Land geostrategisch an einem für das Neue Rom (Das Neue Rom) eminent wichtigen Ort, inmitten jener aufstrebenden Region, der in diesem Jahrhundert die größten Wachstumsraten vorausgesagt werden. Und da will das Imperium auch weiter vor Ort militärisch präsent sein und mitmischen.
Anders als der Irak, in dem bislang "nur" ein paar tausend verrostete Bomben mit biologischen und/oder chemischen Inhalt vermutet werden, verfügt Pjöngjang nach Meinung der Amerikaner (nicht der Russen oder Chinesen) bereits über eine oder zwei Atombomben und entsprechende Trägersysteme. Mit dem weitverzweigten unterirdischen Tunnelsystem an der Demarkationslinie, das mit allen Bedarfsmitteln des täglichen Lebens ausgestattet und durch Artilleriestellungen und Scud-Raketen gut gesichert ist, bietet es für jeden potentiellen Angreifer ein nur schwer zu überwindendes Bollwerk. Ein Angriff auf diese Stellungen oder gar auf den Atomkomplex von Yongbyon würde nicht nur massive Gegenschläge auf den Süden der Halbinsel nach sich ziehen, mit einem Blitzangriff seiner über eine Million Soldaten zählenden Armee könnte Nordkorea "die Festung der Imperialisten," so jüngst das Parteiorgan Rodong Sinmun, "in ein Flammenmeer verwandeln."
Falsche Prioritäten
Der Versuch der Regierung, den Ball flach zu halten und auf Zeit zu spielen, ist daher verständlich. Dem Problem will man sich offenkundig erst in drei oder sechs Monaten verstärkt widmen, und zwar dann, wenn Saddam "beseitigt ist" und die UN und die Verbündeten anrücken, um die Aufräumarbeiten zu besorgen.
Wir wissen zwar nicht, was Saddam hat. Wir wissen aber, dass Nordkorea einen rücksichtslosen Diktator, atomares Potenzial und eine Ein-Millionen-Mann-Armee hat.
Madelaine Albright
Diese Haltung könnte sich aber als Bumerang und fatale Strategie erweisen. In diesem halben Jahr könnte Nordkorea, so die Befürchtungen, leicht sechs oder sieben weitere Atombomben produzieren und dazu übergehen, waffenfähiges Spaltmaterial an zahlungswillige Drittländer oder gar an Terroristen verkaufen. Sogar Madelaine Albright, die am Ende ihrer Amtszeit nach Pjöngjang gereist war, um Differenzen auszuräumen, die sich aus der Nicht-Ratifizierung der Vereinbarung von 1994 durch den Senat ergeben hatten, spricht bereits von falschen Prioritäten, die sich die Bush-Regierung da setze.
Doch offenkundig bleibt dem Präsidenten vorerst keine andere Wahl, als zu jener Politik zurückzukehren, die Jimmy Carter seinerzeit für Bill Clinton im so genannten "Agreed Framework" von 1994 mit Kim Il Sung, dem Vater von Kim Jong Il, ausgehandelt hat.
Laut diesem Abkommen sollte Pjöngjang Heizöl und Getreide sowie zwei von Japan und Südkorea teilfinanzierte Leichtwasserreaktoren erhalten, wenn es im Gegenzug sein Programm zur Herstellung waffenfähigen Plutoniums aufgebe und die Grafit gesteuerte Kernkraftanlage in Yongbyon zugleich schließe. Darüber hinaus stellte Washington Pjöngjang den Abbau von Handelshemmnissen in Aussicht, sowie die schrittweise Aufnahme diplomatischer Beziehungen. Und für die amerikanische Zusage, keine Kernwaffen gegen den kommunistischen Teil der koreanischen Halbinsel einzusetzen, versicherte Nordkorea, am Atomwaffensperrvertrag festzuhalten.
Auf Schmusekurs
Mit dieser Haltung, Taktik und Strategie erfreut und überzeugt die Bush-Administration nicht jedermann im Land. Besonders den Falken innerhalb der Regierung schmeckt das überhaupt nicht. Sie sind nicht nur "unglücklich", sondern drücken auch lautstark ihr Missfallen darüber aus.
All of them are watching how we handle this [...]. We can be sure Iran is watching.
Henry Sokolski/Victor Gilinsky
Robert Kagan und Bill Kristol, beide ehemalige Gefolgsleute der Reagan-Regierung, sehen in dieser Rückkehr zu Dialog, Verhandlungen und Zugeständnissen bereits den machtpolitischen Offenbarungseid und Sündenfall der jetzigen Regierung für gekommen. Sie wittern Appeasement und die Rückkehr zum Schmusekurs der Clinton-Administration.
Warum der Präsident mit unterschiedlichen Maßstäben misst und eine Militäroperation ausschließt, hat aber einen simplen Grund. Die Regierung ist in einer akuten "Notlage". Sie hat vor, in den nächsten Monaten den Irak zu entwaffnen. Für einen Zweifrontenkrieg, noch dazu auf diesem hohen Niveau, fehlen ihr aber die militärischen Mittel. Sollte sich die Krise weiter zuspitzen, wäre das Imperium gar nicht in der Lage, auf diese Situation flexibel und entschlossen zu reagieren.
Dies sei umso ärgerlicher, weil die Plan- und Simulationsspiele der Militärs und Geostrategen der letzten Jahre auf genau dieses Szenario ausgerichtet waren, darauf nämlich, dass in Nordostasien und am Persischen Golf zwei Konflikte gleichzeitig ausbrechen und die USA dafür militärisch gerüstet sein müssen. Jetzt, wo es zu diesem worst case scenario kommt, zeige sich das Land weder militärisch noch politisch oder gar mental darauf vorbereitet.
Schlimmer noch: die Regierung Bush flirte sogar mit der Idee, den Stalinisten und Erzfeinden einen Nichtangriffspakt anzubieten, ein in sich schrecklicher Gedanke. Jemandem, der seinem Gegenüber ein entsichertes Gewehr an die Schläfe hält, zu versprechen, nicht anzugreifen, wenn er seine Waffe abliefere, sei reinstes Appeasement. Im nuklearen Zeitalter komme das aber einer wahnwitzigen Idee gleich. Die Botschaft, die mögliche Rivalen oder Feinde dieser Haltung entnähmen, könne dann nur lauten: Wer einen Nichtangriffspakt mit dem Imperium wolle, müsse sofort Atombomben bauen.
Die Androhung "ernsthafter Konsequenzen" kategorisch auszuschließen, sei darum ein grober Fehler. Zumal genau diese Verknüpfung im Falle Iraks erfolgreich gewesen sei. Schon die Drohung, notfalls im Alleingang Saddam aus Bagdad zu verjagen, habe die internationale Gemeinschaft bewegt, dem Kurs der USA zu folgen. Auch Pjöngjang müsse diese Entschlossenheit des Imperiums zu spüren bekommen.
Neben der (glaubhaften) Ankündigung eines Militärschlages gehöre dazu ein massiver Ausbau der Seepräsenz vor den Küsten Nordkoreas ebenso wie die Erweiterung des Schutzschirmes über Südkorea. Diese Drohkulisse würde den Anrainerstaaten Beine machen. Sie setze Russland und China, die wegen ihres intensiven Handels den größten Einfluss auf die Stalinisten besäßen, gehörig unter Druck und zwänge sie, Nordkorea zum Einlenken zu bewegen. Die Aussicht, dass die USA sich nun anschickten, auch zum Schiedsrichter über Ostasien zu werden, könnte weder Moskau noch Peking gefallen. Der "Schwarze Peter" läge plötzlich nicht mehr in den Händen der USA, sondern wäre an Moskau und Peking weitergereicht.
Bedauerlicherweise wüssten aber sowohl Nordkorea als auch Russland und China, dass die USA über diese Drohkulisse gar nicht verfügten. Donald Rumsfelds vollmundiges Versprechen ist nichts anderes als ein Bluff (Für das Nordkorea-Problem soll die UN zuständig sein). Das Neue Rom habe weder die Option noch die Fähigkeit oder gar die Kapazitäten zum Zweifrontenkrieg. Das Imperium habe es im letzten Jahrzehnt schlichtweg versäumt, sich auf die neuen Bedrohungen einzustellen und sich militärisch dagegen zu wappnen.
Demokraten und Republikaner, Senat und Repräsentantenhaus hätten die notwendigen Mittel dafür nicht bewilligt. Einschnitte in den Verteidigungshaushalt seien vorgenommen oder Mittel nicht im nötigen Rahmen aufgestockt worden. Stattdessen habe man jenen Strategen vertraut, die vom Ende der Geschichte und der großen Staatenkriege faselten und ihr Hauptaugenmerk auf das Intangible (Soft Power) legten, auf die Führung und Abwehr des Cyber- und Infowars.
Geblendet und getäuscht vom Versprechen auf eine baldige "Revolution in militärischen Angelegenheiten", habe man die Ressourcen und Kräfte der tangiblen Kriegführung (Hard Power) systematisch vernachlässigt und Milliarden von Dollar in solche "Waffensysteme" gesteckt, die für solche Militäraktionen, wie sie jetzt im Irak und Nordkorea anstünden, völlig ungeeignet wären.
Bye, Bye Clausewitz
Besonders diese letzte Bemerkung finde ich höchst interessant. Reisen doch auch hierzulande Politikwissenschaftler von Dorf zu Dorf mit der Behauptung, die Clausewitzsche Welt gehöre der Vergangenheit an. Die neuen Kriege seien samt und sonders Kleinkriege, die von Terroristen, Banden und Drogenhändlern geführt würden und die internationale Staatenwelt Schritt für Schritt aushöhlten.
Time is running out.
Neil Young/George W. Bush
Auf dieser Welle, die Martin van Creveld Anfang der Neunziger ausgelöst und popularisiert hat (seitdem spricht man auch von einer "Creveldisierung" des Krieges) und von Mary Kaldor ("Neue und alte Kriege", Suhrkamp 2000) auf den Balkan übertragen worden ist, reitet gegenwärtig auch der Berliner Politologe Herfried Münkler. Wie man den Rezensionen in den großen Zeitungen entnehmen kann, tut er das mit großem Erfolg. In zwei Büchern: "Die neuen Kriege" (Rowohlt 2002) und Über den Krieg (Velbrück 2002) präsentiert er sich als Eule der Minerva, der das Ende zwischenstaatlicher Kriege verkündet.
Mit dem Ende des 20. Jahrhunderts, so der Wissenschaftler, ging "nicht die Zeit der Kriege, sondern allenfalls die der zwischenstaatlichen Kriege zu Ende. Der Krieg wechselte, einem Chamäleon gleich, nur seine Erscheinungsform, und an die Stelle der von Staaten geführten Kriege, wie sie die europäische Geschichte von der Mitte des 17. Jahrhunderts ins 20. Jahrhundert hinein bestimmt haben, traten innergesellschaftliche und transnationale Kriege, in denen reguläre Armeen, wenn denn überhaupt, nur noch ein Akteur unter anderen waren und die Bühnen des Kriegsgeschehens sich mit parastaatlichen und privaten Akteuren bevölkerten."
Das ist nicht nur übertrieben, das ist auch schlichtweg falsch. Nur weil in der Subsahara, auf dem Balkan, in Kaschmir oder Tadschikistan irgendwelche Warlords, Rebellen und Feierabend-Gangster sich mit Menschenhandel, Rauschgift- und Diamantenschmuggel ihren Lebensunterhalt verdienen oder anderen ihre Beute wieder abjagen, Wolkenkratzer von Flugzeugen attackiert oder Menschen zu Geißeln politisierter Fanatiker werden, heißt das noch lange nicht, dass der Krieg entstaatlicht oder gar privatisiert werde und wir alsbald wieder in Verhältnisse eintauchen, wie sie vor dem Westfälischen Frieden von 1648 und dem Aufkommen der Staaten in Europa geherrscht haben.
Gewiss nehmen die Kleinkriege auf dem Globus zu. Woran das liegt, ist aber strittig. Sind es die asymmetrische Lagen, die Unfähigkeit der Ordnungsmächte oder ist nur die mediale Aufmerksamkeit dafür gewachsen? Wie auch immer: Deswegen gilt aber noch lange nicht der Umkehrschluss. Asymmetrien und die Absenz staatlicher Ordnung in Afrika oder Südamerika bedeuten noch nicht per se, dass der Krieg enthegt und die Zeit der großen Staatenkriege unwiderruflich zu Ende gegangen ist, wie der Autor suggerieren will. Der Luftkrieg über Serbien, die Kampagne über Afghanistan und die Bush-Doktrin sprechen eine deutlich andere Sprache.
Im Übrigen ist der Klein- und Bandenkrieg der Condottieris, Kriegsherren und Bandenführer überhaupt nichts Neues. Überfälle auf die Zivilbevölkerung, Sachbeschädigungen, Entführungen und Erpressungen, Anschläge auf Thronfolger und Besatzungsmächte, Sabotageakte gegen Eisenbahnlinien, Kasernen und Nachschubwege usw. hat es immer schon gegeben. Ziel solcher Attacken ist weniger die mediale Aufmerksamkeit als das Schüren und die Verbreitung von Angst und Schrecken unter der Bevölkerung.
Die Bewohner Tel Avivs oder Jerusalems sollte man diesbezüglich mal fragen, um auch mit dieser Legende hier mal aufzuräumen. Darum finden auch Sicherheits- und Überwachungskonzepte wie das "Total Information Awareness" des John Ashcroft den Beifall der Mehrheit der Bevölkerung (Aufklärung über die Aufklärer). Auch das wird in den Debatten häufig unterschlagen.
Gewandelt hat sich gewiss die Massivität der Anschläge. Sie nehmen in dem Maße zu, wie die Staaten militärtechnologisch aufrüsten und Waffen ungleich verteilt sind. Gegen Panzer, Hubschrauber und Lenkwaffen sind Steine untaugliche Mittel, Selbstmordbomber, die sich unter die Bevölkerung mischen, hingegen nicht.
Wieder mal scheint Carl Schmitt am Ende recht zu behalten. Gerade in der Orientierung am "ewigen Frieden", den sowohl das neue Rom wie die internationale Gemeinschaft anstrebt, entdeckt er eher die Entfesselung des Krieges als dessen Einhegung und Eingrenzung. Auch das sei allen Gutmenschen und Überzeugungstätern nochmals ins Stammbuch geschrieben.
Der Kaiser ist nackt
Dass auch die Bush-Administration noch an diesem Virus krankt, steht für Kagan und Kristol außer Frage. Statt Geld in Krisenreaktionskräfte zu pumpen, die Hardware für solche Schlachten zu modernisieren und das Verteidigungsbudget angesichts der neuen Herausforderungen massiv aufzustocken, mache sie den Leuten Steuergeschenke, indem sie erneut die Steuern senke. Die Lehre vom elften September sei offenkundig, so die bittere Erkenntnis der beiden Bush-Krieger, immer noch nicht richtig im Bewusstsein angekommen.
Rom ist gefallen; Babylon auch; Scarsdales Zeit wird kommen.
George Bernhard Shaw
Anfang der dreißiger Jahre sei das Land auf so eine Situation, wie sie jetzt heraufbeschworen wurde, vorbereitet gewesen. Auf die Aggressionen der alten "Achsenmächte", den "Schurkenstaaten" Deutschland, Italien und Japan, habe Amerika flexibel, angemessen und entschlossen reagieren können.
Derzeit müsse man sich aber ernsthafte Sorgen machen, ob das Neue Rom auf solche Krisenlagen und Krisenmomente militärisch und psychologisch wirklich vorbereitet sei. Kagan und Kristol verneinen dies. Der "Kaiser" sei im Grunde nackt.