Der Mars im Film
Lange standen der Menschheit nur die Fantasie von SF-Autoren und Filmemachern zur Verfügung, um einen Blick auf den roten Nachbarn zu erhaschen. Ein neutrales Bild war das nicht
In den Kommentare vieler YouTube-Videos zur aktuellen Mars-Mission freut sich kaum jemand, dass wir in ein paar Millionen Kilometern Entfernung erfolgreich ein Auto parken konnten. Wahrscheinlich, weil den meisten Popcorn-Kauern die Bilder zu langweilig erscheinen. Die Medien sind schuld: Sie haben den Mars jahrelang als Sensation ausgeschlachtet, schon 1938, als Orson Welles mit seiner Hörspielfassung von Krieg der Welten Furore machte. Allerdings ging es im Invasionsgenre à la Invasion vom Mars (1953) nie um den Mars, sondern um die Angst vor der Unterwanderung der Gesellschaft durch außerirdische Ethnien (= der aktuelle Feind). Umso dankbarer muss man für jeden Film sein, der wenigstens versucht hat, uns den Mars zu zeigen.
Der Mars, wie wir ihn durch den Film sehen
Im 1910 gedrehten, erstaunlich effektreichen Film A Trip To Marsvon Thomas Edison geht es dabei noch beschaulich zu: Ein Wissenschaftler erfindet ein Antigravitations-Pulver und wird mangels Schwerkraft zum Mars geschleudert. Dort bläst ihn ein riesiger Marsmensch mit spitzen Ohren in eine Art Schneeball hinein und schleudert diesen zurück zur Erde.
40 Jahre später wird da schon mehr geboten, und die Diskussionen von damals sind die die gleichen wie heute: Soll man überhaupt in den Weltraum fliegen - oder lieber dass Geld sparen und hier bleiben? Natürlich jettet man in Flight to Mars (1951) trotz aller Bedenken los, sonst gäbe es ja keinen Film.
Den scheinbar gastfreundlichen Nachbarn ist allerdings nicht zu trauen: Ihnen gehen die Rohstoffe zur Neige, daher wollen sie das irdische Raumschiff kapern und sich die Ressourcen der Erde unter den Nagel reißen. Erstaunlich, wie sich die Fantasien gleichen, denn umgekehrt machte die US-Regierung genau das 2004 zu ihrem erklärtem Ziel.
Vorsicht vor den Touristen der Erde!
In The Angry Red Planet von 1959 zeigt sich der menschliche Mangel an interplanetaren "social skills": Schon auf der ersten Wanderung über den sehr, sehr roten Mars ballert man einfach mal so in die Vegetation - um die Waffe zu testen. Wir kommen in Frieden? Eher nicht.
Kein Wunder, dass wenig später fleischfressende Schlingpflanzen zurückbeißen und außerdem geheimnisvolle Kräfte die Rakete festhalten. So hat das Team notgedrungen Zeit, auf der Suche nach einer Stadt einen marsianischen See per Schlauchboot zu überqueren und dabei einer gigantischen Amöbe (mit herrlich rotierendem Auge) zu begegnen. Bevor die Menschen fluchtartig den Planeten verlassen, redet ihnen eine dunkle Mars-Stimme deutlich ins Gewissen, dass Menschen hier nicht erwünscht sind.
Dem All fernbleiben? Solcher Konservatismus scheint unverständlich, denn 1959 war das Space Race bereits in vollem Gange und es gab scheinbar nichts Wichtigeres, als Männer auf dem Mond abzusetzen. Dass so ein Personentransfer auch schiefgehen kann, zeigt noch immer sehenswert Robinson Crusoe auf dem Mars von 1964, der die Handlung des Daniel-Defoe-Romans in den Weltraum verlegt und für seine Zeit mit einer erstaunlich realitätsnahen Darstellung des Mars aufwartet (anders als der im selben Jahr entstandene Santa Clause Conquers the Martians).
Der Mars ist out
1971 wurde dank der vollständigen Kartografierung des Mars durch Mariner 9 klar, dass der Mars wirklich keine grünen Männchen beheimatet und eigentlich nur Wüsten, Berge und zwei Polkappen aus Trockeneis zu bieten hat. Das belastete die Fantasie der Drehbuchautoren: Wir haben dort nicht nur nichts verloren, es gibt dort auch nichts interessantes, dachten sie wohl und mieden fortan Mars-Filme. Auch außerhalb des Kinos schwand das Interesse: Man war auf dem Mond gelandet, ja und? Was änderte das am persönlichen Leben der Menschen?
Raumfahrt ist für viele eben nur eine weitere Show, und die muss weitergehen. Das ist die Essenz des sehenswerten Unternehmen Capricorn von 1978. Während die Zuschauer innerhalb des Films die Bilder der bemannten Mars-Mission bestaunen, sehen die Zuschauer des Films die Wahrheit: Die NASA glaubt, dass die Mars-Mission scheitern würde, verfrachtet die Astronauten daher lieber in ein Studio und verdonnert sie den Rest der "Mission" dazu, ihre Mars-Visite nur zu schauspielern.
Als das unbemannte Raumschiff bei seiner Rückkehr in die Atmosphäre verglüht, werden allerdings die Astronauten überflüssig und müssen um ihr Leben fürchten. Der Verschwörungs-Thriller zeigt, dass alle Bilder vom Mars auch Fake sein könnten; bis heute glauben nicht wenige Menschen, schon die Mondlandung sei im Filmstudio entstanden.
Der Mars und seine "Marsmenschen" waren endgültig aus der Mode. "Star Wars" (1977) hatte den schöneren Sternenkrieg, "Alien" (1979) das grausigere Monster und mit Filmen wie "Blade Runner" (1982), "Videodrome" (1982) oder "Terminator" (1984) wendete sich der Science-Fiction-Film ohnehin erwachseneren Stoffen in formal gehobener Darstellung zu. Dass man zu den Sternen fliegen könnte, nur um diese zu erforschen, trat völlig in den Hintergrund. Schön zeigt sich das in Total Recall von 1990: Der besiedelte Mars ist für Paul Verhoeven kaum mehr als eine Krawall-Kulisse, in der er seine zynische Zukunftskritik aus "Robocop" fortsetzen kann, und die versunkene Kultur der alten Marsbewohner ist letztlich nur eine von Recall implantierte Hintergrundgeschichte.
Dennoch ganz interessant, wie Verhoeven den Mars zeigt: Es ist ein neuer "Wilder Westen" mit verruchten Bars, tyrannischen Sheriffs und unterdrückten Minenarbeitern, die unter den Bedingungen ihres Arbeitsplatzes leiden. Also eher totaler Kapitalismus als eine erstrebenswerte Zukunft - doch das hat bei der Eroberung der "Neuen Welt" Amerika ja auch niemanden aufgehalten.
Der Mars: ein Ort zum Träumen
Der 1997 auf dem Mars erfolgreich gelandete Rover Sojourner entfachte das Interesse am Mars neu. Mit "Red Planet" und "Mission to Mars" kamen drei Jahre später gleich zwei Mars-Movies heraus. Die Zeit der SF-Märchen ist darin vorbei: Die Technik der Mission steht im Vordergrund und wird so realistisch abgebildet, wie das in Hollywood eben möglich ist. Die Message: Wir können das! Und es bringt uns auch weiter!
In Red Planet kränkelt die irdische Atmosphäre, der Mars soll deshalb zur Ersatzerde terraformiert werden. Leicht wird das nicht. Schon auf dem Hinweg gerät das Raumschiff in eine Sonneneruption, die Landung geht schief, der mitgebrachte Roboter dreht durch, die Überlebenden müssen durch peitschende Stürme fliehen. Das Survival-Abenteuer endet mit der Rückkehr zur Erde: Im Gepäck haben die Überlebenden den Lohn der Mühen: Einfache Lebewesen vom Mars, die Sauerstoff produzieren - und damit auch die Erde retten können. Wir müssen Opfer bringen, verspricht der Film, aber das wird sich lohnen.
Die Mission to Mars von Brian De Palma beginnt als konventionelle, fast auf Kubrick-Niveau inszenierte Rettungsgeschichte, stellt aber immerzu die Frage nach dem Ursprung des Menschen - ein bisschen Info zu diesem Thema erhofft man sich ja auch von der realen Wissenschaft. Am Ende entpuppt sich das geheimnisvolle Marsgesicht als Hinterlassenschaft Außerirdischer, die nach einer Öko-Katastrophe den Mars räumen mussten und auf der Erde ihre Gene hinterließen. Wer die übertrieben detailliert, langsam und optimistisch inszenierte Darstellung sowie das zuckrige New-Age-Ende nicht fürchtet, bekommt hier immerhin den Mars so zu sehen, wie er beinahe ist: als riesige rote Schutthalde, in der wir ganz klein sind.
Finanziell floppten "Red Planet" und "Mission to Mars". Dennoch wagte sich John Carpenter mit seinem überflüssigen Genrebeitrag Ghost of Mars (2001) ein Jahr später erneut auf den roten Planeten: Wie Verhoeven zeigt er ihn als Wilden Westen, allerdings mit hungrigen Zombies, die gerne Heavy-Metal hören.
Kein Wunder, dass George W. Bush 2004 ein neues Mars-Programm ausrief und eine bemannte Landung als wichtigen Schritt zur Eroberung des Kosmos betrachtete. Möglicherweise träumte er davon, dem Pack auf dem Mars mal Beine zu machen und ihnen die Freuden der westlichen Zivilisation nahe zu bringen.
Obama machte mit diesem Vorhaben vorübergehend wieder Schluss, als er der NASA 2010 die Flügel stutzte und sie für einige Zeit auf unbemannte Flüge einschwor. Und so kehrt die letzte Mars-Filmpleite, Disneys John Carter - Zwischen zwei Welten zu den Wurzeln der Phantasmen zurück und wirft ausgerechnet einen US-Offizier auf den Planeten, auf dem sich diverse Alien-Parteien nicht grün sind. Die Message des Getöses: Es wohnen bunte, glubschäugige Wesen dort drüben, und unsere Anwesenheit ist dringend erforderlich, um ihren bürgerkriegsähnlichen Konflikt kompetent beizulegen. Vom echten Mars ist indes im ganzen Film kaum noch etwas zu sehen, das ganze könnte auch zwischen Auenland und Mordor spielen.
Weniger Action, mehr Steine: der Mars im Web, als App
Den Mars kann man aber auch gut außerhalb des Films besuchen. Neben derNASA-Seiten und ESA und JPL empfehlen sich vor allem die Karten von Google Mars und World Wide Telescope. Letzteres setzt als Microsoft-Vorzeigeprojekt zwar Silverlight voraus, bietet aber zoombare Panorama-Ansichten, teils in Anaglyphen-3D.
Apps bringen den Mars auf Tablet und Smartphone: Be A Marsian vom JPL zeigt neueste Bilder auf iOS, Android und Windows Phone, die offizielle NASA-App gibt es für iOS und Android. Auch Mars Image (iOS/Android) lädt die neuesten NASA-Fotos - live, aber in unbearbeitetem Schwarz-weiß.
Nicht ganz so aktuell, aber in jedem Fall sehenswert: Mars Globe baut auf Mars-Bildarchiven auf und macht den Planeten auf iOS als virtuellen Globus dreh- und zoombar, samt Missionen und Objektnamen darauf. Google Earth bietet am Desktop über "Ansicht, Erkunden, Mars" sogar noch deutlich mehr.
Also nichts wie hin - ab Oktober erlaubt die neu aufgelegte Doom 3 BFG Edition virtuelle Besuche auf dem roten Planeten.