Der Osten hat gewählt

Es gibt im Hinblick auf die AfD jedoch nicht nur eine Ost-West-Teilung, sondern auch eine zwischen Nord und Süd

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30 Jahre nach der Wiedervereinigung (die man im Westen konsequent als "Mauerfall" und im Osten ebenso konsequent als "Wende" bezeichnet), spricht man in Deutschland also endlich über diese ominöse "Lebensleistung". Und über die "Treuhand". Und über "westdeutsche Ehefrauen mit Doppelnamen". Mancherorts sogar über "Glücksritter", "Buschzulage" und das "Tal der Ahnungslosen". Fehlen eigentlich nur noch "MuFuTi" und "Polytechnische Oberschule" und das DDR-Quartett wäre komplett.

Es gab wohl keine einzige Nachrichtenredaktion, die in den vergangenen Monaten nicht über den "den Osten", dessen Ureinwohner und deren Unzulänglichkeiten berichtet hätte. Mal standen ökonomische, mal politische, mal gesellschaftliche Erklärungen im Vordergrund, die das Wahlverhalten der Ostdeutschen in's rechte Licht rückten. Und ja, der Kalauer war beabsichtigt.

Zwischenzeitlich eröffnete die taz allen Ernstes eine "Sachsen-WG" (Titel: "Noch ist der Osten nicht verloren!") und Der Spiegel schaffte es, ein Drittel aller deutschen Bundesländer mit dem Symbolbild des Hutbürgers zu beleidigen (Titel: "So isser, der Ossi!"). Die Reaktion des Spiegels auf die Kritik am Titelbild könnte westdeutscher nicht sein: "Es war nur ein Spaß! Ihr habt's halt nicht verstanden! Stellt Euch nicht so an!"

Nun hat er gewählt, der Osten. Zwar nicht der gesamte Osten, sondern nur Brandenburg und Sachsen, aber für den gemeinen Besser-Wessi reicht Sachsen als Inbegriff der "neuen Bundesländer" vollkommen aus. Und natürlich: Die Nazis von der AfD sind auch dabei.

Der Landesvorsitzende AfD Brandenburg, Andreas Kalbitz, war in Nazi-Vereinen aktiv und der Landesvorsitzende der AfD Thüringen, Björn Höcke, verbringt seine Zeit schon mal mit Freunden, die mutmaßlich auch mit dem Mörder von Walter Lübcke in Verbindung stehen. Wenn er denn nicht gerade auf Neonazi-Demos mitmarschiert oder als Landolf Ladig für NPD-Zeitschriften publiziert.

Und trotz alledem hat es diese AfD also in Brandenburg auf 23,5% und in Sachsen auf 27,5% geschafft. "Typisch Osten!" wird man sich im Westen wohl gedacht haben. "Typisch Westen!" wird man sich im Osten wohl daraufhin gedacht haben. Und so weiter.

Allerdings, und das lässt sich kaum abstreiten, ist die AfD im Osten bemerkenswert stärker als im restlichen Bundesgebiet:

- Sachsen: 27,5%
- Sachsen-Anhalt: 24,3%
- Brandenburg: 23,5%
- Thüringen (Umfrage): 21%
- Mecklenburg-Vorpommern: 20,8%

Das niedrigste Wahlergebnis der AfD im Osten liegt bei 20,8%, das niedrigste Wahlergebnis der AfD im Westen liegt bei 5,9% (Schleswig-Holstein). Der Unterschied lässt sich nun wirklich nicht wegdiskutieren.

Bild: Stephan Anpalagan

Spannend ist aber, dass in Bezug auf das Wahlergebnis der AfD nicht nur eine Ost-West-Teilung, sondern auch eine Nord-Süd-Teilung existiert. So sind die Wahlergebnisse der AfD im Süden der Republik fundamental höher als im Norden. Das höchste Wahlergebnis der AfD im Norden liegt bei 6,2% in Niedersachsen, das niedrigste Wahlergebnis der AfD im Süden liegt bei 10,2% in Bayern. Auch das ist ein Unterschied, der auffällt. Hinsichtlich der Wahlergebnisse der AfD ist die Republik also in alle Himmelsrichtungen gespalten (Nur das Saarland und Berlin scheren aus dieser Logik heraus).

Wie konsistent die Erfolge und Niederlagen der AfD mit der geographischen Lage der Bundesländer zusammenhängen, lässt sich anhand einer eingefärbten Deutschlandkarte besonders eindrücklich darstellen.

Es lässt sich nicht leugnen. Eine besonders radikale AfD ist besonders im Osten erfolgreich. Allerdings schrappt die AfD in Küstennähe an der 5%-Hürde, während sie in Alpennähe lockere zweistellige Ergebnisse heranfährt. Das ist eine durchaus skurrile Realität.

Bild: Stephan Anpalagan

Was das nun alles heißt?

Jedenfalls nicht, dass Nord- und Ostsee ähnliche Probleme mit der AfD hätten. Zwischen Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern liegen 14,6% Unterschied.

Oder dass der industrielle Strukturwandel die AfD begünstigen würde. Zwischen dem Ruhrgebiet in Nordrhein-Westfalen und der Industrieregion Leipzig-Halle (mehrheitlich) in Sachsen liegen sogar 20,1% Unterschied.

Die altbekannten Besser-Wessis werden dennoch bald schon die ersten Theorien "über die Probleme da drüben" aufstellen und zähneknirschende Jammer-Ossis werden sich über diese Erklärungen ärgern.

So wird es denn wohl auch die nächsten 30 Jahre bleiben. Nur dass dieses Mal auch Rheinländer, Schwaben, Hanseaten und Oberbayern in den Ring steigen können, um sich gegenseitig die Schuld für diese parteigewordene Beulenpest in die Schuhe zu schieben.

Das sind ja mal super Aussichten ...

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