Der Schläfer im Datenheuhaufen
Verbraucherdaten sollen sich zum Profil von Terroristen veredeln
Wann haben Sie das letzte Mal eine Kalaschnikow über das Internet bestellt? Vielleicht gar die Anleitung zum Bau einer Atombombe auf die Festplatte herunter geladen? Oder verdächtig viele Herrenhemden in Tarnfarben mit Kreditkarte gekauft? Der Fluch der bösen Tat könnte sich in einer Zeit rächen, in der die eingeschüchterte Welt von der US-Regierung weiterhin Erfolgsbotschaften über weltweit eingesammelte Terroristen verlangt. Diverse US-Unternehmen überlegen nun in vorauseilendem Gehorsam, ihre wertvollen Kundeninformationen dem Staat zur Verfügung zu stellen. So soll ausgewertet werden, ob einer ein Haus oder Auto sein eigen nennt oder er etwa bestimmte Hochglanzmagazine abonniert hat. Inquisitorischer wird die Hatz nach den Bösen also. Aber was sagen solche Daten über die wahre Terroreignung von Mitbürgern aus? Je weniger Lärm Usama bin Ladin nach Präsident Bushs neuesten Erkenntnissen macht, desto verdächtiger werden nun die in westlichen Metropolen vor sich hinschnarchenden Schläfer.
Martin E. Abrams vom "Center for Information Policy Leadership" der "Jurafabrik" Hunton & Williams in Atlanta überlegt sich gegenwärtig, wie denn die Informationen aussehen müssen, um das Profil eines veritablen Bösewichts hinter Kreditkartengeschäften, öffentlichen wie privaten Marketingdaten zu wittern. Das selbst ernannte Privatschnüffel-Center will zunächst mit 17 Unternehmen erste Beratungsgespräche führen. Vertreter von Kreditkartengesellschaften wie American Express, Visa und Investitionsfirmen sollen sich an diesem nach allen Seiten hin ausgerasterten Fahndungsprojekt beteiligen. IBM und der Internet Service Provider Earthlink überlegen indes aus nachvollziehbaren Gründen noch, ob sie sich mit dieser illustren Gruppe von Datentrüffelsuchern überhaupt treffen wollen.
Ganz neu ist die Terroristensuche im Heuhaufen der Geschäftswelt nicht. Schon kurz nach dem 11. September wurde die Vermutung laut, Terroristen hätten Spekulationsgewinne in der Hoffnung auf den zu erwartenden Börsencrash gemacht. Sehr viele Erkenntnisse scheint es den staatlichen Verfolgern nicht vermittelt zu haben.
Abrams Organisation wurde ursprünglich gegründet, um den so genannten Identitätsdiebstahl zu bekämpfen. Aber in Zeiten nationaler und globaler Höchstbedrohung lässt man sich wohl jetzt mehr von diesem Tatbestand inspirieren, als ihn zu bekämpfen. Manch einer, der seine Daten freiwillig zur Verfügung gestellt hat, mag diese Großzügigkeit nun bereuen. Informationelle Selbstbestimmung ist aber nicht nur wegen der allfälligen Terrorbekämpfung im Zeitalter von SPAM und RAM ohnehin längst zum gesellschaftlich ramponierten Rechtsgut geworden. Die fleißigen Konsumdatenherrscher warten nicht auf die Normierung ihres Vorhabens, sondern wollen ihren Plan von der Kooperationsbereitschaft der Unternehmen abhängig machen.
Beruhigend verkünden die Schöpfer dieser hypertrophen Sammelleidenschaft gar, man strebe nur effektive Informationen an, ohne den Datenschutz im Übrigen zu gefährden. Man hofft also wieder auf die datenschutzrechtliche Quadratur des Kreises bürgerlicher Freiheitsrechte. Sollten sich aus diesen Daten, die wohl regelmäßig vom dualen Datenmüll nicht allzu systematisch zu trennen sind, tatsächlich die Profile verdächtiger Zeitgenossen abzeichnen, sollen sie dann der Regierung hintertragen werden. Während Gesetze wie der Fair Credit Reporting Act regeln, in welchem Umfang Kundendaten benutzt werden dürfen, wird nun mit der Antiterrorgesetzgebung die Diskussion in die Gegenrichtung gelenkt, wie solche Daten effektiv instrumentalisiert werden können, um potentielle Anschläge zu vereiteln. Honi soit qui mal y pense.
Für James X. Dempsey vom Center for Democracy and Technology ist die Zuverlässigkeit solcher Daten und der daraus konstruierten Profile angesichts einer kleinen Zahl von Terroristen mehr als zweifelhaft. Terroristen sollten aber davor gewarnt sein, in Zukunft ihre Lieblingsfarben, kulinarischen Präferenzen und ihren übrigen Kaufgelüste in überwachten Datenspeichern zu verewigen.
Andererseits: Wer zukünftig mit Cash zahlt und keine lebenslängliche Kreditkartengeschichte zur Verteidigung seiner bürgerlichen Existenz nachweisen kann, könnte gerade dadurch zum Kreis der üblichen Verdächtigen gehören. Wie man die Dollars auch immer dreht und wendet: Verdächtigkeit kennt keine Grenzen.