Der Singapur-Gipfel zwischen Donald Trump und Kim Jong-Un

Bild: Weißes Haus

Hintergründe und Perspektiven

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Man muss zunächst sehen, dass das Gipfeltreffen eine klassische Gewinnsituation für beide Protagonisten sowohl innen- wie außenpolitisch ist. Es ein Signalereignis für die Rückkehr der starken Männer, die erfolgreich sind und scheinbar "alles" können, wenn sie es wollen. Die gesamten letzten Monate bilateraler Beziehungen waren ein Lehrstück des Populismus auf beiden Seiten, und mit faktischer gegenseitiger Hilfe zwischen Kim und Trump. Die "drei großen P" des Populismus sind: Provokation, Popularitätsausrichtung, Personalisierung. Das Singapur-Gipfeltreffen ist der bisherige logische Mündungs- und Höhepunkt dieser wechselseitigen Politik und entspricht dem genau für beide.

Singapur ist eher ein mediales und symbolisches als ein konkretes politisches oder diplomatisches Ereignis. Weniger die Inhalte, als das Treffen an sich ist wichtig für beide: für Kim als globale Anerkennung auf Augenhöhe, für Trump als Durchbruch in einer schwierigen Frage, bei der es sein Vorgänger Obama nie so weit brachte. Das eigentliche Gespräch zwischen beiden hat ja nur 38 Minuten gedauert, in denen man keine genaueren Inhalte aus- oder gar abarbeiten kann.

Für Kim Jong-Un ist das Treffen ein großer Sieg nach innen. Er wird vom Diktator eines Paria- und Verbrecherstaats plötzlich zum Weltstaatsmann aufgewertet. Unabhängig von den Inhalten ist die schiere Tatsache des Gipfels an sich für ihn bereits ein beispielloser Sieg, da die meisten das als Eingeständnis der erreichten Atommacht und damit als formale Aufwertung zum gleichwertigen Spieler betrachten. Und es ist indirekt auch eine Art Freispruch von seinen Verbrechen.

Der isolierte, blutrünstige Diktator wird plötzlich zum friedlich winkenden, sympathischen kleinen Staatsmann auf Staatsbesuch in anderen Ländern. Der Gipfel mit Trump ist die Chance für Kim, "alles" abzuräumen: der endgültige Bringer der Atommacht und Erheber Nordkoreas zum Weltspieler, der seine Väter übertrifft, und zugleich auch der beispiellose Friedensbringer.

Der Hintergrund ist etwas realistischer. Kim weiß genau, dass er die Weiterführung der Konfrontation nicht durchgehalten hätte, weil die Sanktionen sein Land ruinieren, und dass er auch China, das immer nervöser wurde, nicht weiter verärgern kann.

Trump hingegen will zeigen, dass Ent-Internationalisierung und neuer Bilateralismus funktionieren. Er will beweisen, dass er der große Unterbrecher und Veränderer internationaler Politik ist - und dass nationale Macht und klare Sprache, vor allem aber starke persönliche Führung besser als zivile Abkommen Probleme lösen. Trumps Kombination von traditioneller Militärsprache und Wirtschaftssanktionen, seine Rückkehr zu einer Nationen-basierten Politik des Westfälischen Friedens mit den klassischen Mitteln von Kriegsdrohung und Einzelabmachung soll erfolgreicher erscheinen als Obamas internationalistische Vereinbarungs- und Befriedungspolitik auf der Grundlage juridischer Abkommen der internationalen Gemeinschaft.

Und Trump will schließlich das Problem Asien lösen, weil er im Gefolge seines ehemaligen Chefberaters und nach wie vor einflussreichen Ideologen Steven Bannon ein Anhänger der 4-Zyklen-Theorie der US-Geschichte im Gefolge der Historiker William Strauss und Neil Howe ist. Laut dieser Theorie münden in der US-Geschichte Friedens- und Veränderungsphasen im 100-Jahr-Zyklus stets in eine große Konfrontation, ja einen "reinigenden Krieg", vor der wir laut dieser Theorie in den kommenden eineinhalb Jahrzehnten wieder stehen. Der eigentliche Gegner des Westens ist in dieser Theorie der politische Islam, nicht Asien. Trump will sich dem langfristig eigentlichen Gegner zuwenden, der in seiner Interpretation unter anderem Iran heißt.

Offene Fragen

Der konkrete, bleibende politische Wert des Abkommens bleibt fraglich. Viele Aspekte bleiben offen:

  • Die USA wollen Denuklearisierung, bieten im Gegenzug sogenannte "Sicherheitsgarantien". Kim kann das, unabhängig von allen unterzeichneten Dokumenten, in der Praxis nicht machen, da er doch unter schwersten Opfern seines Volkes alles für das Erreichen der Atommacht getan hat und sie auch weiterhin als Lebensversicherung gegen eine kriegerische Aggression der USA ansieht, außerdem als Garantie der nun erreichten Stellung seines Landes in der Welt. Eher wahrscheinlich ist, dass er nukleare Abrüstung ankündigt, es aber hinter den Kulissen einen Handel zum Stopp der Proliferation, also der Weiterverbreitung von Atomwaffen gibt. Auch könnte er weitere Friedenssignale nach Südkorea senden und gewisse Konzessionen in der Abrüstung traditioneller Militärmacht gewähren. Kim braucht Kredite zur autoritären, diktatorischen Entwicklung seines Landes. Die wird er ohne solche Signale kaum im benötigten Ausmaß erhalten, was er auch weiß.
  • Trump dagegen ist an einer nach außen möglichst erfolgreichen, raschen Beendigung des Nordkorea-Problems interessiert. Das Treffen war dazu aus seiner Sicht bereits ausreichend. Ich erwarte trotz unterzeichneter Dokumente nicht, dass er in den kommenden Monaten, auch bei anderslautender Rhetorik, ohne größere Provokationen Nordkoreas die Umsetzung des Abkommens genau überprüft oder durchsetzt. Trump hat trotz anderslautender Rhetorik stillschweigend akzeptiert, dass eine neue Nuklearmacht erschienen ist. Das würde zu seinem Rückzug aus internationalen Abkommen und seinem Ernstnehmen der Multipolaren Weltordnung passen, in der die USA zwar die stärkste Macht sind, aber andere Mächte ebenfalls agieren lassen. Die äußere Tatsache des Abkommens ist für Trump wichtig. Hinter den Kulissen ist er Realist - und hat Nordkoreas atomaren Status zur Kenntnis genommen.
  • Sollte das von den USA inzwischen aufgekündigte Atomabkommen mit dem Iran in den kommenden Monaten und Jahren ernsthaft für Probleme sorgen, könnte sich Trump allerdings veranlasst sehen, seine zum Programm erhobene Unberechenbarkeit weiter auszupacken - und den Deal mit Nordkorea zum Beweis dafür machen wollen, dass er es besser als die internationale Gemeinschaft kann: dass also das Iran-Abkommen "schlecht", das Nordkorea-Abkommen "gut" funktioniert. Dann müsste er sich im Detail der Umsetzung durch Kim widmen. Und das würde dann zum neuen Problem werden.

Die Rolle Chinas bleibt unklar

Insgesamt könnte es sein, dass es aufgrund anderer Prioritäten Trumps dazu kommt, dass Nordkorea dauerhaft aufgewertet zurückbleibt, und zwar traditionell militärisch, aber nicht wirklich nuklear abrüstet. Das hieße, dass Trumps Politik letztlich Kim Jong-Un zum Erfolg verholfen hat.

Doch ein weiterer Faktor wird entscheidend sein, der noch unterbewertet wird. Völlig unklar bleibt bislang die Rolle Chinas. Es sieht die Entwicklung einerseits positiv, weil es keine Störfaktoren für seinen ohne Krieg unaufhaltsamen Aufstieg will - oder wie es in einem chinesischen Sprichwort heißt: "Der Berg bewegt sich nicht und braucht nur zu warten." Störungen durch den unbequemen Nachbarn sind da unerwünscht. Andererseits sieht China die mögliche Entspannung USA-Nordkorea mit Argwohn, weil es Nordkorea als seine Einflusszone ansieht, wie jede Großmacht ihre unmittelbare geographische Umgebung, und keine allzu große Annäherung an Südkorea, die internationale Gemeinschaft oder die USA wünscht.

Chinas demonstratives Schweigen ist laut. In den kommenden Monaten wird wahrscheinlich mehr vom Verhalten Chinas in die eine oder andere Richtung abhängen als von den beiden Hauptdarstellern Trump und Kim an sich. China wird auch wesentlich für das Abrüstungsverhalten Nordkoreas sein.

Der Singapur-Gipfel zwischen Trump und Kim ist aus historischer Sicht letztlich eine Niederlage für die internationalen Organisationen wie UNO und die globale Zivilmacht. Es ist der Versuch eines Beweises, dass deren Zeit vorbei ist, weil sie überholt sind, und dass die Nationen-orientierte Politik im Zeichen multipolarer Weltordnung besser funktioniert - dass also die zivile Globalisierung bis zu einem gewissen Grad an ihre Grenze kommt. Das Singapur-Abkommen ist bis zu einem gewissen Grad auch ein Grundsatz-Signal für die Abkehr von der maßgeblich von Europa mit geschaffenen globalen Zivilordnung und den dieser zugrundeliegenden Werten offener Gesellschaften.

Roland Benedikter, Dr. Dr. Dr., geboren 1965, ist Co-Leiter des Centers for Advanced Studies von Eurac Research Bozen-Bolzano, Forschungsprofessor für multidisziplinäre Politikanalyse in residence am Willy Brandt Zentrum der Universität Breslau, und Affiliate Scholar am Institute for Ethics and Emerging Technologies IEET Hartford, Connecticut. Kontakt: roland.benedikter@eurac.edu.

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