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Der Staat übernimmt: Bund will Kontrolle über Gazprom-Tochter Sefe

Nach Uniper soll der nächste Energiekonzern verstaatlicht werden. Bei angeschlagenem Unternehmen VNG hält sich der Bund dagegen zurück. Dafür sollen ostdeutsche Kommunen zahlen.

Die Absicherung der Gasversorgung in Deutschland wird zunehmend teuer für Staat und Steuerzahler. Die Rettung und Verstaatlichung von Uniper [1] hat schon mit ungefähr 27 Milliarden Euro zu Buche geschlagen. Nun soll der nächste Gasimporteur verstaatlicht werden, wie Spiegel und Handelsblatt [2] berichteten.

Dabei handelt es sich um das Unternehmen Sefe ("Securing Energy for Europe"), das bis vor einigen Monaten noch Gazprom Germania hieß und bereits von der Bundesnetzagentur treuhänderisch verwaltet wird. Die Treuhänderschaft läuft allerdings Ende September aus und eine Anschlussregelung wird notwendig.

Dem Vernehmen nach ist das letzte Wort über eine Verstaatlichung noch nicht gesprochen. Innerhalb der Bundesregierung liefen die Gespräche über die Zukunft des Unternehmens noch, hieß es am Donnerstag bei der Nachrichtenagentur AFP.

Auch das Handelsblatt wies darauf hin, dass keine Eile geboten ist. Denn die Treuhänderschaft beruhe auf dem Energiesicherheitsgesetz (EnSiG) und damit kann sie immer wieder um sechs Monate verlängert werden – wenn nötig bis in alle Ewigkeit.

Dass die Bundesregierung anderes im Sinn hat, hatte sie schon im Juni angedeutet. Damals hatte sie dem Versorger mit einem Milliardenbetrag unter die Arme gegriffen, um ihn vor der Pleite zu bewahren. Damals hieß es, man wolle als nächsten Schritt prüfen, das Darlehen in Eigenkapital umzuwandeln, um so auch langfristig die Versorgungssicherheit zu gewährleisten.

Enteignung ohne Entschädigung

Eine Verstaatlichung sieht man als nicht einfach an und das Bundesfinanzministerium hat auch Bedenken angemeldet: Dort rechnet man damit, dass die russische Seite im Gegenzug deutsche Unternehmen enteignen könnte.

Diese Gefahr sollte ernst genommen werden. Zum einen, weil Russland in der Vergangenheit auf westliche Sanktionen mit Spiegelsanktionen reagiert hat – was eine Enteignung deutscher Unternehmen wahrscheinlich erscheinen lässt. Zum anderen plant die Bundesregierung nach Informationen des Spiegels (39/2022) auch, die russische Seite im Falle einer Enteignung nicht zu entschädigen.

Dieser Schritt soll den Weg freimachen für weitere Milliardenhilfen, die wahrscheinlich direkt aus dem Staatshaushalt getätigt werden sollen. Davon erhofft man sich, auch der VNG helfen zu können, deren Übernahme der Bund ablehnt.

Die Leipziger Verbundnetzgas AG (VNG) bezog einen Teil seines Gases [3] von der ehemaligen Gazprom-Tochter. Weil sie aber von Russland sanktioniert wurde, konnte sie kein Gas liefern und VNG musste sich zu höheren Preisen am Spotmarkt eindecken.

Sefe zahlte dafür einen Ausgleichsbetrag – aber nicht konsequent. Zwischendurch hatte das Unternehmen die Zahlungen eingestellt, sodass die VNG auf einem Teil der Mehrkosten sitzen blieb und letztlich Staatshilfe beantragen musste.

Baden-Württemberg und ostdeutsche Kommunen zahlen für VNG

Nach Spiegel-Informationen soll sich aber Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) persönlich immer wieder gegen Staatsgeld für die VNG ausgesprochen haben. Nun müssen sowohl das Land Baden-Württemberg als auch ostdeutsche Kommunen als Miteigner einspringen.

Letztere "sollen die Kosten der Ersatzbeschaffung für einen weiteren ausgefallenen Gasliefervertrag mit Russland übernehmen: rund eine Milliarde Euro", heißt es im Spiegel.

Zu den betroffenen Kommunen gehört Leipzig. Die Stadt hält über sieben Prozent [4] an der VNG. Auch ohne die Probleme der VNG hat Leipzig den Folgen der Gaskrise zu kämpfen: Ihren Stadtwerken musste sie einen Notkredit in dreistelliger Millionenhöhe zur Verfügung stellen.

Die anderen ostdeutschen Kommunen dürften ebenfalls nicht sonderlich erfreut sein, war es doch die Bundesregierung, die einen entscheidenden Beitrag dazu geleistet hat, die VNG in Schieflage zu bringen.

Ein Grund für die steigenden Gaspreise war das Unternehmen Trading Hub Europe (THE), ein Zusammenschluss von Fernleitungsnetzbetreibern. Im Auftrag der Bundesregierung kaufte THE Erdgas, wo es aufgetrieben werden konnte, um die Speicher zu füllen.

Für die VNG bedeutete das, dass sie an der Gasbörse enorme Geldsummen hinterlegen musste. Denn: Wer Gas als Termingeschäft anbietet, muss eine Art Kaution hinterlegen, was Käufern die Sicherheit geben soll, dass das versprochene Gas auch ankommt. Mit steigenden Gaspreisen steigt auch die Kaution, was die Liquidität von Unternehmen aufzehren kann.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-7274536

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Gasumlage-soll-kommen-Bedenken-zur-Verfassungskonformitaet-bleiben-7272014.html
[2] https://www.handelsblatt.com/politik/international/nach-uniper-verstaatlichung-bundesregierung-erwaegt-verstaatlichung-von-deutscher-gazprom-tochter-sefe/28699368.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Robert-Habeck-Der-Fall-einer-gruenen-Ikone-7260408.html?seite=2
[4] https://de.wikipedia.org/wiki/VNG_AG#Aktion%C3%A4re