Der Traum vom "Machtwechsel" in Russland
- Der Traum vom "Machtwechsel" in Russland
- Würde EU-Russland-Politik auch umgekehrt funktionieren?
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Mit dem Antritt der Regierung Biden könnten die Konflikte zwischen den EU und Russland an Intensität gewinnen
Kaum zwei Wochen ist es her, dass die EU-Kommission die Wahl des neuen US-amerikanischen Präsidenten Joe Biden als Beginn einer neuen Ära in den transatlantischen Beziehungen feierte. Doch tatsächlich befindet sich die EU nach dem Regierungswechsel im Weißen Haus in einer schweren Krise. Der Moskau-Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell brachte die außenpolitische Uneinigkeit an den Tag. Sogar Rücktrittsforderungen gegen Brüssels Chefdiplomaten wurden laut.
Entsprechende Vorstöße kommen von konservativen EU-Politikern vor allem aus Osteuropa, die der EU schon immer eine zu laxe Haltung gegenüber Russland vorgeworfen haben. Wegen dem erratischen Ex-US-Präsidenten Donald Trump und seiner USA-First-Politik mussten die EU-Politiker bislang zumindest nach außen zusammenhalten, auch wenn sich einige osteuropäische Staaten wie Ungarn und Polen mit der Trump-Regierung arrangieren konnten.
Doch Trump hatte auch in der Russland-Frage keine klare Linie. Mit der Ankündigung von Biden, die USA zurück in die Weltpolitik zu führen und angesichts seiner Frontstellung gegen Russland und China bekommen die Transatlantiker in den EU-Mitgliedssstaaten Oberwasser. Das betrifft eine Gruppe Konservativer und Grüner, die immer wieder betont hatten, die russische Bedrohung der osteuropäischen Staaten müsse ernstgenommen werden. Mit dem Antritt von Biden ist auch in der EU die Zeit der Formelkompromisse vorbei, unterschiedliche geopolitische Interessen werden deutlich.
Nord Stream 2 im Streit geopolitischer Interessen
Ob und wie es angesichts dieser Situation zu einem neuen Kompromiss bei den vielen – auch in der EU –strittigen Fragen kommen kann, bleibt unklar. Das wird beim Nord-Stream-2-Projekt besonders deutlich. Führende deutsche Kapitalkreise sehen darin einen Ausdruck der Unabhängigkeit von den USA, die ihr Fracking-Gas als alternatives Geschäftsmodell favorisiert.
Osteuropäische Politiker hingegen sehen in der Pipeline ihre Interessen zu wenig berücksichtigt. Hinzu kommt der Konflikt um die Hegemonie in der EU zwischen Deutschland und Frankreich. Das wurde vor einigen Tagen deutlich, als Frankreich plötzlich auch Stimmung gegen den Weiterbau der Pipeline machte. Kurze Zeit später wurde dies als Einzelmeinung eines Politikers abgetan und versichert, Frankreich mische sich nicht in deutsche Angelegenheiten ein.
Tatsächlich ist dieses Hin und Her auch Teil des Machtkampfs in der EU. Deutschland hat bereits unter den Vorgängern von Macron manches französische Projekt massiv ausgebremst. Das ganze Gezerre zeigt nur, dass die Pipeline zum Zankapfel verschiedener geopolitischer Interessen geworden ist. Hinzu kommen noch die Proteste von Umweltverbänden, die aus ökologischen Gründen gegen die Gaspipeline und – wenn sie es ernst meinen – auch gegen Fracking-Gas sind.
Fall Nawalny, russische Innenpolitik und geopolitische Interessen
Zu einer gefährliche Zuspitzung im EU-Russland-Verhältnis ist es in den vergangenen Wochen auch durch den Fall Nawalny gekommen. Jetzt drehen sich die geopolitischen Interessen nicht mehr nur um eine Gaspipeline, jetzt geht es direkt um einen russischen Machtwechsel. Was bisher nur als Paranoia von russischen Nationalisten und ihren Epigonen in verschiedenen EU-Ländern schien, wird jetzt ganz offen von Politikern in Deutschland und anderen europäischen Ländern ausgesprochen und von führenden Medien beschrieben. Da werden Szenarien von einem "Opa Putin im Bunker" entworfen, der Angst vor einen Machtwechsel habe. Öfter wird die Verbindung zum Maidan in der Ukraine und zu Belorussland gezogen.
All das ist nur möglich, weil Nawalny als rechte Alternative zu Putin gesehen wird. In manchen politischen Foren ist schon von einem Jelzin 2.0 die Rede. Es ist schon erstaunlich, dass Nawalny und seine Berater, die aus der nationalistischen Opposition zu Putin kommen, sich so unbefangen in die geopolitischen Interessen verschiedener Machtfraktionen auch außerhalb Russlands einbinden lassen.
Es mag eine Schicht jüngerer Menschen geben, die einen "Jelzin 2.0" favorisieren, von dem in einigen Forendebatten die Rede ist. Für den Großteil der Bevölkerung aber bedeutete dessen Herrschaft in den 1990er Jahren soziale Verarmung, manchmal regelrecht Verelendung. Für die Nationalisten ist mit Jelzin die Aufgabe der sowjetischen Macht verbunden.
Wenn dann noch deutsche Politiker Erinnerungen an einen Machtwechsel in Moskau befördern, werden Ängste auch bei den Nachkommen der Opfer deutscher Eroberungspolitik geweckt. Eine weitere Grenzüberschreitung ist es, wenn EU-Gremien den Fall Nawalny zum Anlass für weitere Sanktionen nehmen.
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