Der "deutsche Disney"

Das Münchner Comicfestival befasst sich mit dem Lebenswerk Rolf Kaukas

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Im Jahre 2007 nach Christus ist die gesamte Comic-Welt mit Hergés 100. Geburtstag beschäftigt. Die gesamte Comic-Welt? Nein. Ein kleines unbeugsames Festival legt seinen Schwerpunkt auf den Schöpfer von Fix und Foxi.

Fix und Foxi Heft 14/1974.© Rolf Kauka/Kauka Promedia 107

Der ehemalige Berufsoffizier und Weltkriegsteilnehmer, dessen Editorial-Bild mit Rollkragenpullover und Sportjackett mindestens eine Lesergeneration auch noch nach der Kindheit ästhetisch prägte, erhält posthum den Comicpreis "PENG!" für sein Lebenswerk. Kauka produzierte neben den bekannten Fix-und-Foxi- und Bussi-Bär-Heften auch zahlreiche heute fast vergessene Serien wie Pepito und Primo. Im Vergleich zu anderen Comic-Phänomenen ist er bisher allerdings bemerkenswert wenig erforscht – was zum Teil auch daran liegt, dass er es bis in die 1970er Jahre hinein unterließ, Pflichtexemplare seiner Publikationen in den Bibliotheken abzuliefern. Entsprechend selten war bisher die wissenschaftliche Beschäftigung mit seinem Werk.

Besser als ihr Ruf

Das trug möglicherweise auch zum heute vorherrschenden negativen Kauka-Bild in der Öffentlichkeit bei. Dabei ist das von Diedrich Diederichsen kanonisierte Schema, nach dem Micky Maus gut und Fix und Foxi schlecht war, eindeutig zu einfach und muss zumindest teilweise revidiert werden: Micky Maus war nicht nur Carl Barks und Erika Fuchs, sondern auch langweilige Lückenbüßer, wie sie heute als Zeichentrickserien auf Super RTL laufen – und Fix und Foxi war nicht nur die gequälte Jugendsprache der Geschichten mit Lupo und den beiden Füchsen, sondern vor allem auch Les Schtroumpfs ("Die Schlümpfe"), Les Petits Hommes ("Die Minis"), Les Krostons ("Die Gifticks"), Le vieux Nick et Barbe-Noire ("Schwarzbart"), Hergés Tintin ("Tim & Struppi"), La Ribambelle ("Die Sechs"), Les Mousquetaires ("Kaline und Kalebasse), André Franquins Spirou ("Pit und Pikkolo"), Gaston Lagaffe ("Jo-Jo"), Peyos Johan et Pirlouit ("Prinz Edelhart") und Morris' Lucky Luke. Auch Gil Jourdain von Maurice Tillieux erschien 1971 bis 77 in den Kauka-Heften, wo die Geschichten aus unerfindlichen Gründen unter "Harro und Platte" liefen (nicht zu verwechseln mit "Harry-und-Platte", dem Carlsen-Namen für Tif et Tondu, die bei Kauka wiederum "Gin und Fizz" hießen).

Vor Mitte der 1970er konnte man so etwas in Deutschland kaum anderswo finden – ebenso wenig wie die als Gimmick beigelegte Plastikfledermaus aus dem Osterheft 1975, mit der Kauka die Konkurrenzfähigkeit des bald darauf erscheinenden Yps testen wollte. Viele der Fortsetzungsgeschichten waren nicht nur erzählerische und zeichnerische Meisterwerke, sondern behandelten auch Konzepte aus Technik und Wissenschaft auf teilweise interessantere Weise als die Konkurrenz - etwa "Die Doppelgänger" (Materie/Antimaterie), "Der hundertste Schlumpf" (Spiegelverkehrtheit) oder "Korkenschlumpf oder Schlumpfzieher?" (Kulturrelativismus). Auch im Fix-und-Foxi-Magazinteil wurde bis in die 1970er Jahre hinein ein wohltuend wissensorientierter Tonfall gepflegt – teilweise fast wie in einem Kinderlexikon. Darüber hinaus zeigt dieser Magazinteil bemerkenswert klar die Teilentstehung der Ökologiebewegung aus dem konservativen Erbe der Bundesrepublik: ab 1976 verschwindet "Wissen" als beherrschendes Thema zugunsten von "Umwelt".

Auch mit den Übersetzungen und den Übersetzern der lizenzierten Serien setzt sich das Festival auseinander – ein Thema, in dem das öffentliche Urteil ebenfalls einer Revision bedarf. Die Eindeutschungen hatten – obwohl sie sich teilweise erheblich von den Originalen entfernten – ihre eigenen Qualitäten. Oft waren sie, wie bei den Schlümpfen "Siebenwurz" für Sarsaparille und "Gurgelhals" für Gargamel, sogar besser als die später für die Carlsen-Ausgaben verwendeten. Besonders interessant wurden die Übertragungen dann, wenn in den Comics Deutsche vorkamen – vor allem im militärischen Zusammenhängen, wie in der Spirou-Geschichte QRN sur Bretzelburg.

Amerikanische Römer und Kopftuchmütter

In Kaukas Magazin Lupo erschienen 1965 deutsche Bearbeitungen von Asterix und Obelix, in denen die beiden Comicfiguren "Siggi" und "Babarras" hießen. Weil er die Gallier zu Germanen und die römischen Besatzer zu Amerikanern machte, entzogen Uderzo und Goscinny Kauka bald darauf die Lizenz. Doch anders, als es ihm damals vorgeworfen wurde, betrieb dieser weniger plumpen Antiamerikanismus, als vielmehr die Wiedergabe einer spezifisch bundesdeutschen Befindlichkeit der 1960er Jahre. Das zeigt sich besonders gut auch an Eigenproduktionen des Kauka-Studios, wie etwa Walter Neugebauers Serie Tom und Biberherz und deren "gebrochener" Verehrung des Englischen und Amerikanischen, die derjenigen in den Winnetou- und Edgar-Wallace-Filmen stark ähnelt. Sie waren eine eigenwillige Art von Vergangenheitsbewältigung, indem sie an den beiden Kulturen oft genau das herausstellten, was man in der Bundesrepublik nach 1945 verdrängte.

Am bemerkenswertesten aus heutiger Sicht ist in vielen Eigenproduktionen des Kauka-Studios die offensive Prügelpädagogik. Vor allem der meist von Branko Karabajic gezeichnete Maulwurf Pauli aus den gleichnamigen Comics wird extrem oft aus nichtigen Gründen übers Knie gelegt - nicht nur von seinem Vater, sondern auch von Bauern, Ladenbesitzern, etc. Da seine Mutter auch noch ein Kopftuch trägt, wäre er heute wohl eine Identifikationsfigur für Kinder mit "Migrationshintergrund".

Zusätzlich zu den Ausstellungen, Vorträgen und Gesprächen zum Thema Kauka gibt es in der Kinder- und Jugendkulturwerkstatt Pasinger Fabrik auch eine Führung von Zeichnern der „World of Comics“ (WOC) durch Rolf Kaukas Welt. "Die TeilnehmerInnen lernen die Comics kennen, erwecken sie zu neuem Leben oder können eigene Figuren entwickeln", heißt es dazu in der Ankündigung. Rechtlich befindet sich so etwas wieder auf sicherem Terrain, seit das Münchner Landgericht in seiner Pumuckl-Entscheidung festlegte, dass Kinder bei Wettbewerben solche Figuren zeichnen und auch mit eigenen Ideen ausstatten dürfen.

Das Münchener Comicfestival läuft vom 7. bis 10. Juni 2007 im Alten Rathaussaal München und in den Kunstarkaden am Marienplatz. Neben Ausstellungen, Vorträgen, Gesprächen, Filmen und Workshops gibt es eine Comicmesse und eine Cosplay-Modenschau. Themen sind neben Kauka unter anderem die 60-jährige Geschichte der Mangas, Comics über die Jugoslawienkriege und "Comic-Heldinnen auf der Leinwand".