Der digitale Reichstag

Im Gefolge des Angriffs auf das WTC peitschen die USA Gesetzgebung durch, welche die Überwachungsbefugnisse ausweiten, während die staatsbürgerlichen Grundrechte außer Kraft gesetzt werden

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In seiner 1998 vor dem nachrichtendienstlichen Ausschuss des Senats gemachten Aussagebeklagte Louis J. Freeh, der Direktor des Federal Bureau of Investigations (FBI), dass die Verwendung von Verschlüsselung in der öffentlichen Kommunikation den Polizeikräften den Zugang zu kritischen Beweisen verhindere. "Von 1995 bis 1996", behauptete er, "gab es einen zweifachen Anstieg (von 5 auf 12) in der Zahl der Fälle, bei denen die vom Gericht zugelassenen elektronischen Bemühungen des FBI durch die von den Tätern verwendete Verschlüsselung, die den Polizeikräften den Zugang versperrte, durchkreuzt wurden. Während der letzten zwei Jahre beobachtete das FBI den Anstieg in der Zahl der mit Computern zusammenhängenden Fälle, die eine Verschlüsselung und/oder einen Passwortschutz verwenden von 2 auf sieben Prozent, einschließlich der Verwendung des 56 Bit Data Encryption Standard (DES) und der 128 Bit "Pretty Good Privacy" (PGP) Verschlüsselung".

Freeh fuhr in seiner Argumentation fort, dass das FBI Maßnahmen einführen müsse, die dazu führten, dass "alle [...] Verschlüsselungsprodukte und -dienste Möglichkeiten enthielten, einen sofortigen polizeilichen Zugang zu Klartexten von verschlüsselter, im Zusammenhang mit Verbrechen stehender Kommunikation oder elektronisch gespeicherter Daten zu erhalten." Mit anderen Worten, die Tatsache, dass dem FBI durch Verschlüsselung in einem * ganzen Dutzend * von Tausenden von Fällen, die es jedes Jahr untersucht, ein Strich durch die Rechnung gemacht wurde, bedeutete, dass die ganze US-Öffentlichkeit (wenn nicht sogar die ganze Welt) auf ihr Recht auf Privatsphäre und Freiheit durch staatliche Überwachung verzichten sollte. Diese überraschende Logik wurde durch ein bemerkenswertes Beispiel bestätigt: Das von Ramzi Ahmed Yousef, dem "Mastermind" des Bombenattentats auf das World Trade Center im Jahr 1993, der 1995 gefasst wurde. Freeh sagte, dass die Behörden, als sie Yousefs Laptop beschlagnahmten, herausfanden, dass es Informationen über ein terroristisches Komplott, bei dem 11 amerikanische Flugzeuge in die Luft gesprengt werden sollten, enthielt- und dass einige der Dateien auf seinem Magnetplattenlaufwerk verschlüsselt (Schock! Horror!) waren.

Nun, den Angriffen auf New York und Washington DC folgend, hat die Regierung Bush dem Kongress ein beabsichtigtes Anti-Terrorismus-Paket präsentiert, das die Überwachungsmöglichkeiten der Regierung in den USA enorm erweitern würde und das bereits Besorgnis unter Bürgerrechts-Gruppen ausgelöst hat. Das von Generalstaatsanwalt John Ashcroft vorgeschlagene "Mobilization against Terrorism"-Gesetz, mit dem der US-Senat eine spärliche 30-minütige Debatte verbrachte und das in den nächsten Tagen verabschiedet werden könnte, würde der Regierung noch nie da gewesene Befugnisse zur Überwachung von amerikanischen Bürgern geben - sogar in einem Maß, das das wertvolle Vierte Amendment verletzen würde.

Vorgesehene gesetzliche Möglichkeiten beinhalten Maßnahmen, die es ermöglichen, Emaildaten und Muster der Web-Nutzung zu erhalten, ohne einen richterlichen Abhörauftrag zu haben, ebenso wie eine Verminderung von Auflagen für die bewegliche Überwachung. Sie erlauben es auch der Polizei durch Abhörgeräte gewonnene Informationen an jeden Mitarbeiter der Strafverfolgungsbehörden weiterzugeben, Geschworenengerichten Informationen an Nachrichtendienste weiterzuleiten, dem Präsidenten, jegliche "vom Ausland gesteuerte Einzelperson, Gruppe oder Entität", einschließlich jeden Bürgers und jeder Organisation der Vereinigten Staaten als ein Ziel für die staatliche Überwachung zu benennen, US-Bürger sogar vom Sprechen über terroristische Akte abzuhalten und eine DNA Datenbank für jede eines schweren Verbrechens überführte Person einzurichten.

Diese Vorschläge werden stillschweigend von Einigen in der etablierten US-Presse unterstützt. Die New York Times berichtete über die Story unter der Überschrift "Neue Technologien untergraben den US-Vorsprung in der Spionage" und zitieren "Experten", die behaupten, dass der rapide Anstieg von kommerziell verfügbaren Technologien die nachrichtendienstliche Möglichkeiten der Regierung untergräbt."

"Neuentwicklungen in der Computertechnologie ermöglichen einen weiten Zugang zu Codes, die nicht oder praktisch nicht zu knacken sind. Glasfaserkabel geben keine elektronische Strahlung ab, die erfasst werden kann. Sogar Radiowellen, des Spions beste Freunde, entkommen der Erfassung, da Funkgeräte nach Zufallskriterien zwischen Frequenzen hin- und herspringen, um heimliche Lauscher zu überlisten. Die abnehmende Fähigkeit der Nation, heimlich globaler Kommunikation zuzuhören, könnte sich als Hauptgrund herausstellen, dass es wenig oder keine Warnung vor Absichten von Entführern gab, Passagierflugzeuge in fliegende Bomben zu verwandeln, sagten Sicherheitsexperten."

Ich wünschte sie hätten erwähnt, welche Sicherheitsexperten. Es ist wahrscheinlicher, dass solche Kommentare von Bundesbeamten wie Freeh stammen, die seit Jahren für erhöhte Überwachungsmöglichkeiten eintreten. Die durch die Angriffe in New York und Washington verursachte Tragödie liefert jetzt natürlich die paranoide und beängstigende Atmosphäre, um eine solche Gesetzgebung durchzupeitschen, mit dünn gesäten Abweichlern. Sogar Senator Patrick J. Leahy, Vermonts demokratischer Vorsitzender des Rechtsausschusses des Senats, der gegen die Vorschläge ist, sagte, dass er und Ashcroft "wahrscheinlich mehr Übereinstimmung als Nichtübereinstimmung haben". Leahys einziger Einwand bezieht sich auf die Aspekte des Gesetzes, die die gemeinen Einwanderungsbedingungen betreffen, die es den Behörden ermöglichen würden, Einwanderer zu verhaften oder zu deportieren, die eines Verbrechens verdächtigt werden, ohne jegliche Beweise vor Gericht vorzubringen. Und obwohl andere, einschließlich Bob Barr, einem konservativen Republikaner aus Georgia, Zurückhaltung gegenüber der Ausweitung zur Überwachung der Internets und der elektronischen Kommunikation geäußert haben, scheint nichts ein Hindernis für die schnelle Umwandlung des Gesetzentwurfs in ein Gesetz darzustellen.

Es überrascht kaum, dass in diese dunklen Zeiten die Nagetiere beginnen sollten, aus dem Unterholz herauszukommen. Bestimmte "Experten" sind jetzt aufgetaucht, um der Regierung anzuraten, dass die Zeit reif sei, die Voraussetzungen für Schlüsselanderkonten einzuführen, die sich einer breiten Ablehnung während der Clinton-Regierung gegenübersahen. Frank Sudia, der sich selbst als "Programmierer, Anwalt, öffentlicher Politikanalyst, Mitbegründer des CertCo Verschlüsselungsunternehmens und Erschaffer des "Bankers Trust Corporate Key Escrow System" darstellt, hat dem Kongress einen einzuschlagenden Weg vorgeschlagen, falls dieser sich "entscheidet, dass alle benötigten Verschlüsselungssysteme durch autorisierte Justizbehörden lesbar sein sollen". Noch einmal, solch eine Kontrolle über private Kommunikation ist ohne eine aufgemotzte Verwaltung, die von einem unbekümmerten Polizeistaat, der bereit ist, das Recht auf freie Meinungsäußerung zu vertreten, unterstützt wird, unmöglich. Wie ein Kommentator von Declan McCullaghs Liste Politechbot sehr elegant sagte:

"Es gibt kein Gesetz der Regierung, das Sicherheit garantieren kann - aber viele Gesetze, die Tyrannei garantieren können. Freiheit für Sicherheit ist ein schlechtes Geschäft. Man bekommt weder das eine noch das andere."