Attraktive Monster bei den US-Wahlen

Ein Wohnmobil am Grand Canyon

Traumland USA. Foto: Alex Cimbal, shutterstock

Wie deutsche Medien die USA wahrnehmen und widerspiegeln. Ein Streifzug durch die Unzulänglichkeit.

If men were angels, no government would be neccessary.

James Madison, The Federalist No. 51, 6. Feb. 1788

Wir bilden einen lieben Reigen,/ die Freiheit spielt auf allen Geigen.
Musik kommt aus dem Weißen Haus/ und vor Paris steht Micky Maus.
We're all living in Amerika./ Amerika ist wunderbar.
We're all living in Amerika./ Coca-Cola, Wonderbra.

Rammstein

In Einem sind sich fast alle deutschen Medien dann doch einig: Wenn Donald Trump die US-Präsidentschaftswahl gewinnen sollte, droht der Weltuntergang. Oder zumindest der Untergang der Demokratie.

Und wenn er die Wahl verliert, droht erst ein tagelanges Tauziehen und eine juristische Materialschlacht, und am Ende schwerer Schaden für die Demokratie. Wenn nicht ihr Untergang. Das heißt, auf jeden Fall wird alles schlechter und der Wahldienstag eine weitere Etappe auf dem unaufhaltsamen Abstieg der Menschheit.

Außenpolitische Abstinenz deutscher Medien

Dieser Tage erlebt man dergleichen inflationär. In nahezu jeder Talkshow der Wochen vor der Wahl erlebt man auch in Deutschland, das, was Donald Trump, als Medienstar erst groß gemacht hat: Das Versagen der Medien vor allem in ihrer Fixierung auf die Person Trump, im Beschwören der Gefahr für "die Demokratie", im Beharren auf den Emotionen, den Ängsten vor Trump.

Trump spielt den Mainstream-Medien (Noam Chomsky) in die Hände, indem er ihnen gibt, was sie suchen: Ein attraktives Monster, das täglich neue Schrecken und Empörungsgründe und damit "News" liefert, neue Nachrichten.

Nur, dass Trump verstanden hat, dass diese Mainstream-Medien schon lange an Glaubwürdigkeit verloren hatten, und dass das von Trump selbst geschaffene und bespielte Narrativ "Trump als das absolute Monster" den Medien und nicht Trump schadet. Trump nützt es, denn es hält ihn in den Schlagzeilen und es bestätigt seine zweite Erzählung: "Trump als Außenseiter", als Feind des Establishments, als Ärgernis für "die liberalen Eliten", als "Blue Collar Billionaire".

Mit dem Wohnmobil quer durchs Land

In Deutschland, dem Land, in dem Politik und Medienöffentlichkeit seit jeher nur nach Innen blicken und außenpolitisch abstinent sind, schlägt alle vier Jahre die Stunde des "Blicks über den Tellerrand": Über die US-Präsidentschaftswahl wird dann mehr, langfristiger und intensiver berichtet, als über die eigenen Bundestagswahlen. Und natürlich wird dabei immer gefragt, was das "für uns" bedeutet.

Dieser Blick über den Tellerrand hat meist die Form einer Reisereportage. Das kann man in Perfektion verfolgen, wenn Ingo Zamperoni, der Markus Lanz der ARD, - wie schon 2020 - wieder einmal durch Amerika reist und die für alle Deutschen scheinbar entscheidende Frage stellt: "Wirklich nochmal Trump, Amerika?"

Es ist ein guter Film, eine Momentaufnahme, viele Phänomene, keinerlei Analyse. Das typische Beispiel der Trump-Fixierung der deutschen Berichterstattung. Die interessanteste Bemerkung kommt am Ende von Zamperonis (schwarzem) Schwiegervater: "Zwei Dinge sprechen gegen sie: Sie ist eine Frau, sie ist schwarz und sie ist stark. Ehrlich gesagt: Viele wissen, dass Trump schrecklich ist, aber sie wollen nicht für eine Frau stimmen."

Fast jeder ältere weiße heterosexuelle Mann hätte Donald Trump geschlagen

Diese Antwort ist deshalb interessant, weil hier mit seltener Nüchternheit und Klarheit Fakten benannt werden, die man im deutschen Fernsehen oft schamhaft verschweigt: Die USA sind gesellschaftlich kein Land der Freiheit und Offenheit, sondern erzkonservativ.

Fast jeder ältere weiße heterosexuelle Mann – und ganz bestimmt Joe Biden – hätte Donald Trump geschlagen. Wenn er morgen gewinnt, dann weil er zum zweiten Mal eine Frau als Gegner hatte. Und weil sie schwarz ist. Wenn Trump morgen gewinnt, dann weil Linke und Liberale nichts dazulernen, sich weigern, taktisch zu denken und den Wählern zu dem für gut Erkannten zwingen möchten.

Den Anfang dieser Reisereportagen machte in diesem Jahr Leiter des ZDF-Studios Washington, Elmar Theveßen: "Zwischen Trump und Harris - Roadtrip durch ein zerrissenes Amerika" heißt sein Roadmovie, in dem er "über 9000 Kilometer" im Wohnmobil zurücklegte, um zu zeigen, "wie die Menschen den Wettstreit zwischen Trump und Harris verfolgen."